Acht Frauen im Kreis Euskirchen erlebten als Migrantinnen die Berufswelt in Kitas. Nun ziehen Teilnehmerinnen und Leiterinnen Bilanz.
MigrationJobcenter im Kreis Euskirchen bietet Sprachkurs und Kita-Praktika

Ganzheitlich: Eva-Maria Schüler (l.) ist für die Teilnehmerinnen des Kurses mehr als nur eine Lehrerin.
Copyright: Jobcenter EU-aktiv/Dagmar Lückerath
Die Voraussetzungen könnten kaum unterschiedlicher sein. Die Frauen kommen aus der Ukraine, der Dominikanischen Republik, aus Syrien oder Pakistan. Sie sind Psychologin, Juristin oder Lagerarbeiterin. Die einen sprechen schon fast akzentfrei Deutsch, andere kämpfen noch mit den fremden Wörtern. Was sie eint: Sie haben für ein halbes Jahr ein Praktikum in einer Kindertagesstätte gemacht und parallel dazu einen berufsbegleitenden Sprachkurs (BSK) absolviert.
AGH Kita (Arbeitsgelegenheit Kindertagesstätte) nennt sich das Projekt des Jobcenters EU, das Frauen die Möglichkeit eröffnet, als zusätzliche Kraft in einer Kindertagesstätte Erfahrungen zu sammeln. Nicht nur Frauen mit Migrationshintergrund und eigentlich auch nicht nur Frauen, sondern Elternteilen.
Bisher hat aber in all den Jahren nur ein Vater mitgemacht. Nun wird das Angebot, das eine Orientierung und eventuell auch den Einstieg in einen neuen Beruf bieten soll, durch den Job-BSK ergänzt.
30 Stunden in der Woche helfen die Frauen in einer Kita in Euskirchen
Für die acht Frauen, deren Kursus jetzt zu Ende geht, bedeutete das noch mal eine größere Herausforderung, aber gleichzeitig auch eine größere Chance für einen Neustart ins Berufsleben.
Einmal in der Woche lernen sie nicht nur korrekte Grammatik, sondern vor allem Wörter und Sätze, die sie im Gespräch mit den Kindern und den Erzieherinnen brauchen.

Gemeinsam stehen sie hinter dem Projekt des Berufssprachkurses: Clarissa Lüßem-Meurer (v.l.), Britta Fünfzig, Dagmar Lückerath, Christiane Geritan, Melanie Wölkert und Adnela Niscic.
Copyright: Ulla Jürgensonn
Bis zu 30 Stunden in der Woche sind die Frauen als zusätzliche Kraft in einer Kindertagesstätte. Das Jobcenter hat dafür das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und die Arbeiterwohlfahrt (AWO) als Partner gewonnen. Clarissa Lüssem-Meurer und Britta Fünfzig vom AWO-Familienzentrum an der Frauenberger Straße schwärmen geradezu von den Kolleginnen auf Zeit: „Wir sind begeistert, das können wir nicht anders sagen“, erklärt Lüssem-Meurer.
Beim Praktikum in Mechernich lernte Ukrainerin jedes Tag etwas Neues
Natürlich müssten sich die Frauen erst einmal neu strukturieren, schließlich müssten sie die eigenen Kinder und die Arbeit in der Kita unter einen Hut bringen. Aber sie seien eine große Hilfe, sowohl im hauswirtschaftlichen Bereich als auch in den Gruppen, sagt Fünfzig.
Und auch die acht Frauen sind zufrieden. „Das Praktikum hat mir geholfen, meinen eigenen Weg zu finden“, sagt Oksana Ma. (auf Wunsch der Teilnehmerinnen veröffentlichen wir nur abgekürzte Nachnamen). Die Ukrainerin hat ein Praktikum in Mechernich absolviert und dabei jeden Tag etwas Neues entdeckt, wie sie sagt. Denn fremd ist für die meisten nicht nur die Sprache, fremd sind auch die Regeln, die Kultur, die Mentalität.
Das Praktikum hat mir geholfen, meinen eigenen Weg zu finden.
„In den meisten Ländern ist die Erziehung strenger als bei uns“, erklärt Eva-Maria Schüler. Sie unterrichtet die Frauen in der Euskirchener Euro-Schule in Deutsch, aber sie ist viel mehr als eine Sprachlehrerin. Sie fühle sich verantwortlich für die ganzheitlichen Aspekte, nicht nur für den korrekten Genitiv, sagt sie. Und damit ist sie für die Teilnehmerinnen zu einer wichtigen Ratgeberin geworden.
Eva-Maria Schüler habe sie immer wieder gedrängt, sich darum zu kümmern, dass ihre Zeugnisse aus der Dominikanischen anerkannt werden, berichtet Yeidy M., die dort als Juristin gearbeitet hat. Oft dauere es ein Dreivierteljahr, bis die Anerkennung vorliege, erklärt die Lehrerin, warum sie hartnäckig an dem Thema dranbleibt.
In Rollenspielen werden Lösungen für Konfliktsituationen gesucht
Christiane Geritan, beim BAMF für die Umsetzung der Berufssprachkurse zuständig, und Melanie Wölkert, Teamleiterin des Integration Point im Jobcenter, sind sich einig, dass der BSK ein wichtiger Baustein ist, um Menschen mit Migrationshintergrund den Einstieg in die Arbeit zu erleichtern. Zumal oft fachspezifische Sprachkenntnisse erforderlich seien. Es gebe eindeutig Bedarf an weiteren Kursen. Christian Geritan zeigte sich aufgeschlossen, auch was die weitere Finanzierung angeht.
Olena Mi., die Pädagogik studiert hat, macht Vorschläge, wie der Kurs noch besser, noch effizienter werden könnte. Die Deutschkenntnisse der Frauen seien sehr unterschiedlich, findet sie und schlägt vor: „Der Kurs sollte mindestens einen Monat vor dem Praktikum beginnen.“ Außerdem könne man in Rollenspielen Konfliktsituationen simulieren und deren Lösung zu lernen.
Ihren Traumjob hat sie im Kindergarten nicht gefunden, sie macht jetzt ein Praktikum im Offenen Ganztag. Und sie ist nicht die einzige, die nach dem halben Jahr einen anderen Weg einschlagen will. „Ich kann nicht streng sein“, hat Inga M. aus Kasachstan gemerkt. Die Buchhalterin sucht nun einen Job oder eine Ausbildungsstelle im Büro. Olena Ma. möchte mit Kindern arbeiten, aber lieber als Psychologin oder als Lehrerin.
Maßgeschneiderte Kurse für die Teilnehmer
Mit dem Job-BSK wendet sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge an Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund. Die Berufssprachkurse sind berufsbezogen, es gibt sie für die Berufsfelder Gesundheit und Pflege, Hotel- und Gaststättengewerbe, Lager und Logistik, Gewerbe und Technik, Handel, IT sowie Bürokommunikation.
Die Lerninhalte werden mit dem Arbeitgeber abgestimmt, die Teilnehmer trainieren situationsbezogene Kommunikation am Arbeitsplatz. Dazu gibt es ein individuelles Sprachcoaching, Voraussetzung sind Sprachkenntnisse auf A2-Niveau. Die Kurse werden, angepasst an die Arbeitszeit der Teilnehmer, auch abends oder online angeboten.