Egal ob Handwerk, Pflege oder Dienstleister – die Arbeitswelt im Kreis Euskirchen ist digitaler geworden. Nicht überall ist KI einsetzbar.
KI nicht überall einsetzbarSo verändert Digitalisierung die Arbeit im Kreis Euskirchen

In der Küche des Carl-Kreuser-Stifts in Mechernich, hier Küchenchef Timo Caspers, geht es digital zu.
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Das Ergebnis des MRT per QR-Code, die Lohnabrechnung per App und das Bewerbungsschreiben schreibt ChatGPT – der Arbeitsalltag ist auch im Kreis Euskirchen digitaler geworden.
In der Stiftung Carl Kreuser Jr. in Mechernich wird Digitalisierung seit gut drei Jahren großgeschrieben. So groß, dass die Senioreneinrichtung für ihre digitalen Projekte auf den ersten Preis beim „Digital Pionier“ des Digital Hub Aachen hoffen darf – genau wie die Marienborn gGmbH aus Zülpich. Unter den zehn innovativsten Unternehmen ist die Senioreneinrichtung aus Mechernich jedenfalls bereits.
In Mechernicher Senioreneinrichtung arbeiten die Pflegekräfte mit iPad
„Wir machen das aber nicht, um Preise zu gewinnen, sondern um Arbeitsprozesse zu vereinfachen, um für die Zukunft gut aufgestellt zu sein und mehr Zeit für die Menschen zu haben, die bei uns wohnen“, sagt Heimleiter Lars Hammer.
Digitalisierung bedeutet jedoch zunächst viel Arbeit und kostet Geld. „Der Prozess, den wir durchlaufen haben und weiter gehen wollen, war sauanstrengend. Aber wir würden es jederzeit wieder so machen“, sagt Hammer. In der Senioreneinrichtung hat praktisch jede Pflegekraft ein iPad in der Hand. Dort seien sämtliche Daten der Bewohner hinterlegt – vom Geburtsdatum über die notwendige Medikation bis zu besonderen Hinweisen, erklärt Melanie Klein, die im Kreuser-Stift unter anderem für die Auszubildenden zuständig ist.

Pflege von Senioren ohne Tablet ist kaum mehr denkbar.
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Was noch nicht möglich ist: mithilfe des iPads eine Patientenverfügung aufzurufen. Beim Kreuser-Stift liegt in diesem Bereich die Betonung auf noch. „Wir haben das Software-Unternehmen gebeten, das nachzubessern, weil wir da einen deutlichen Mehrwert sehen. Da lernen die Programmierer auch von der Praxis“, so Hammer. Er betont, dass auf den Datenschutz höchsten Wert gelegt wird. Zudem seien die Server allesamt an Notstromaggregate angeschlossen, so dass auch im Fall eines Stromausfalls die Daten abrufbar sind.
Digitalisierung erleichtert Küchenarbeit
„Es gibt Dokumente, die in allen Abteilungen benötigt werden, früher aber nur an einer Stelle verfügbar waren. Dann ging das Suchen los“, sagt Hammer, der noch einen digitalen Traum hat. Er wünscht sich, dass Radar gestützte Sensoren in den Bewohnerzimmern installiert werden – ohne, dass man die Bewohner erkennen kann. Der Vorteil sei, dass man etwa Stürze vermeiden könne, weil die Sensoren auslösen, sobald etwa ein Bewohner aus dem Bett aufgestanden sei, obwohl er das alleine nicht dürfe.
Bereits Realität ist in Mechernich die Digitalisierung in der Küche – und die ist preisverdächtig. So werden die Bewohner am Vortag gefragt, was sie am nächsten Tag essen wollen, erklärt Küchenchef Timo Caspers: „Dann kommen in der Küche zentral errechnete Listen an, auf denen steht, welche Mengen an Lebensmitteln pro Wohnbereich benötigt werden.“ Auf den Tablets seien auch Unverträglichkeiten und Allergien hinterlegt oder wo die Bewohner essen möchten: im Zimmer, im Wohnbereich oder vielleicht der Cafeteria. „Jedes ausgegebene Essen wird sofort digital abgehakt. So sehen wir, ob noch ein Bewohner kein Essen bekommen hat“, so Caspers, der die Digitalisierung in der Einrichtung mit vorangetrieben hat.
Doch nicht nur in der Küche bietet diese Vorteile. „Ein Mehrwert ist, dass die rund 100 Mitarbeitenden Zugriff von außerhalb auf das System haben und so vom Sofa aus einen Urlaubsantrag stellen oder einen Blick auf ihren Dienstplan werfen können“, so Hammer.
Künstliche Intelligenz noch nicht bereit fürs Dachdecker-Handwerk
Bei Dachdeckermeister Rolf Spilles aus Stotzheim wird auch auf Digitalisierung gesetzt. Sie ersetze aber vor allem eins nicht: den Kundenkontakt. „Wenn bei uns jemand anruft, dann bekommt er einen Menschen ans Telefon und keine Computerstimme“, sagt Spilles. Und auch der Kostenvoranschlag wird noch händisch erstellt. Das liege auch daran, dass Künstliche Intelligenz für solche komplexen Gewerke wie das Dachdeckerwesen noch nicht weit genug sei. „Wenn wir für ein Projekt ein Angebot machen, dann umfasst das schon mal 70 bis 80 Seiten. Natürlich kostet mich das Zeit, aber die Zeit müssen wir investieren“, so Spilles.

Das Handwerk an sich ist eine analoge Arbeit, aber auch die Künstliche Intelligenz unterstützt die Dachdecker bereits.
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Dennoch sei auch sein Handwerk deutlich digitaler geworden. So habe er vor einiger Zeit eine App eingeführt, die jeder Mitarbeitende auf dem Smartphone oder Tablet habe, so der Firmenchef. „Die Mitarbeitenden machen damit auf der Baustelle jeden Tag Bilder, die in die Cloud geladen werden“, so Spilles: „Auch Urlaubsanträge müssen über die App digital eingereicht werden. Wer das nicht macht, bekommt keinen Urlaub.“ Zudem werde beispielsweise die Lohnabrechnung über die App an die Angestellten verschickt.
Hotelbetreiber lässt sich Texte von ChatGPT schreiben
Im Boutique Hotel Mariellchen und dem angeschlossenen Café in Bad Münstereifel geht es da deutlich ChatGPT-lastiger zu. „Ich bin ein ChatGPT-Opfer“, sagt Geschäftsführer Christopher Haep augenzwinkernd. Er habe damit schon Arbeitspläne fürs Café erstellt oder sich Antworten auf eine Beschwerde erstellen lassen. „Du bekommst innerhalb von Sekunden einen schönen Text, den man noch an ein paar Stellen umschreiben muss. Aber mehr auch nicht“, sagt Haep.
Künftig werde die Preisgestaltung des Hotels KI-gestützt und ins Buchungssystem integriert. Die Installation des Programms sei in den letzten Zügen. „Das System beobachtet automatisch den Markt und das bis zu sieben Mal pro Tag. Und es erkennt, ob die Nachfrage gut oder schlecht ist und passt dementsprechend die Preise an“, so Haep.
KI macht Autoreparaturen schneller
Auch die Arbeit im Café sei wesentlich digitaler geworden. Die Mitarbeitenden nehmen dort die Bestellungen nicht mehr mit Block und Bleistift auf, sondern mit einer App auf dem Smartphone. Von dem werden die Bestellungen direkt in die Küche oder an die Theke übertragen. „Das ist mittlerweile Pflicht. Die Gastronomie darf gar nicht mehr auf einem Zettel die Bestellung aufnehmen, weil wir eine Bonpflicht haben“, erklärt Haep: „Jeder Bon geht praktisch direkt ans Finanzamt.“ Die Krux: Bei der jüngsten Wirtschaftsprüfung habe das Finanzamt an Haep zurückgespiegelt, dass das System zwar Pflicht sei, man es aber noch gar nicht auslesen könne.

Auch in der Gastronomie führt an der Digitalisierung kein Weg vorbei.
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Ein weiterer klassischer Handwerksberuf hat sich in den vergangenen Jahren ebenfalls stark digitalisiert – weil Autos digitaler geworden sind. „Künstliche Intelligenz kommt bei uns bei der möglichen Fehlerbehebung zum Einsatz“, sagt Tobias Müller, Kfz-Meister aus Euskirchen. Wenn in einem Fahrzeug auf dem Display ein Fehlercode angezeigt werde, dann müsse nicht mehr aufwendig nach den Ursachen gesucht werden. „Viele Hersteller füttern ihre Datensätze mit den Ursachen. Die können wir abrufen und dank der KI viel Zeit sparen“, erklärt Müller.
e-regio hat für die Digitalisierung eigene Stelle geschaffen
Beim Energiedienstleister e-regio hat die Digitalisierung vor allem im Kundenservice Einzug gehalten. „Wir haben im Telefonservice einen Sprachbot eingeführt, mit dem man rund um die Uhr wie mit einem Menschen sprechen und Anliegen klären kann“, sagt Unternehmenssprecherin Ilona Schäfer. Routineaufgaben wie Zählerstandsmeldungen oder die Abschlagsänderungen seien typische Anwendungen. Der „Kollege KI“ komme auch bei den Mitarbeitenden gut an. „Er entlastet von Standardaufgaben und ermöglicht mehr Zeit für ausführliche Gespräche mit Kunden. Das ist uns nach wie vor sehr wichtig. KI oder digitale Tools sehen wir als Unterstützung, nicht als Ersatz“, so Schäfer.
Digitalisierung sei aber nicht nur eine Frage der Effizienz, sondern der Schlüssel zur Energiewende. Künftig steigen Schäfer zufolge die Anforderungen an die Energienetze. „Es treffen immer mehr dezentrale Energieerzeuger wie PV-Anlagen auf immer mehr dezentrale Abnehmer wie E-Ladesäulen oder Wärmepumpen“, erklärt Schäfer: „Die Herausforderung besteht darin, das aufeinander abzustimmen. Daher machen wir auch unsere Netze digitaler und damit smarter.“
Damit digitale Lösungen bestmöglich genutzt werden können, hat die e-regio vor gut einem Jahr die Stelle des „Digital Officers“ geschaffen. „Der soll die Digitalisierung in unserem Unternehmen vorantreiben und koordinieren“, so Schäfer.
Viele Dienstleistungen in Euskirchener Kreisverwaltung sind digitalisiert
Bei der Wirtschaftsförderung des Kreises will man die Digitalisierung im Handwerk fördern und unterstützen. Entsprechende Workshops und Projekte gibt es seit einiger Zeit. „Dabei geht es um Produktionsabläufe in Unternehmen, die beispielsweise durch Robotik erleichtert werden. Aber auch Internetplattformen, Social Media und KI gehören dazu. Oder neue Software fürs Buchhaltungssystem“, sagt Iris Poth, Wirtschaftsförderin des Kreises.
Man müsse vor Digitalisierung oder Künstlicher Intelligenz im Handwerk keine Angst haben, sagt Melanie Wiesen von der Wirtschaftsförderung: „Es hilft beides, um mit den aktuellen Herausforderungen des Fachkräftemangels klarzukommen.“
Einmal im Monat Veranstaltung in Euskirchen „Handwerk trifft Zukunft“
Die Veranstaltungsreihe „Handwerk trifft Zukunft“ findet einmal im Monat statt – jeden zweiten Donnerstag um 17 Uhr in der Ideenfabrik in der alten Tuchfabrik in Euskirchen. Mit im Boot ist auch die Handwerkskammer Aachen. Die Veranstaltungen seien alle sehr praxisnah gehalten, um die Vorzüge der Digitalisierung und der Automatisierung deutlich zu machen. Das sei den Betrieben wichtig, so Wiesen. Laut Poth hat man dabei auch die Möglichkeit, hautnah zu erleben, „wie digitale Werkzeuge das Handwerk revolutionieren können“. Zudem setze man große Stücke auf die Beratungen der Unternehmen. Das werde gut angenommen.
Auch im Kreishaus ist nach Angaben von Pressesprecher Wolfgang Andres einiges im Digitalisierungsfluss. Im Zentrum stehe die Verbesserung des Service für die Bürgerinnen und Bürger durch Online-Anträge und Funktionen wie beispielsweise einen KI-Chatbot. Der Chatbot auf www.kreis-euskirchen.de sei bereits seit mehreren Wochen im Einsatz. „Zudem haben wir im Serviceportal viele Dienstleistungen digitalisiert. Beispielsweise kann man von zu Hause aus sein Auto an-, ab- oder ummelden“, so Andres.
Innerhalb der Verwaltung seien ebenfalls Arbeitsprozesse kontinuierlich digitalisiert worden, um eine schnellere Bearbeitung zu ermöglichen und Abläufe zu optimieren. „Aktuell arbeiten wir beispielsweise an der Einführung eines digitalen Postein- und ausgangs, E-Laufmappe, E-Signatur sowie der Regelungen und neuen Möglichkeiten zur Nutzung von Künstlicher Intelligenz“, so Andres.