In den Mechernicher Orten Kallmuth, Lorbach und Bergheim wird ein alter Ablassbrauch um Allerseelen gepflegt.
Eifeler TraditionBeim Allerseelenbrabbeln sammeln Junggesellen für den guten Zweck

In der kleinen Holzkiste wird gesammelt, was die Kallmuther ihrem Junggesellenverein beim alljährlichen Allerseelenbrabbeln spenden.
Copyright: Stefan Lieser
Bis heute wird der alte Ablassbrauch des Allerseelenbrabbelns in Kallmuth, Lorbach und Bergheim praktiziert. Die Mitglieder des Junggesellenvereins Kallmuth spenden den Erlös des Bittgangs im Wesentlichen der Hilfsgruppe Eifel.
„Wir hatten schon mal 800.“ Kai Steffens guckt etwas genauer auf die Innenseite einer kleinen Holzkiste. Untereinander stehen dreistellige Zahlen. Die Summen, die der Junggesellenverein Kallmuth in den vergangenen Jahren beim Allerseelenbrabbeln an den rund 140 Haustüren des Dorfs für den guten Zweck gesammelt hat. Pro Jahr seien es immer um die 650 bis 700 Euro, so Steffens mit Blick aufs Kassenbuch auf dem Kistendeckel. Aber eben auch schon mal deutlich mehr.
Am Vorabend des 2. November ziehen sie durch die Mechernicher Dörfer
Brabbeln nennt man ein schnelles, tendenziell fast unverständliches Reden – aber nicht ohne Sinn. Allerseelenbrabbeln sei in Kallmuth, ähnlich wie in Lorbach und Bergheim, ein mindestens seit 50 Jahren tradiertes Brauchtum, berichtet Martin Stoffels. Er ist einer von fast einem Dutzend Aktiven des Junggesellenvereins, die die Tradition fortführen. Selbst während der Corona-Jahre wurde am Vorabend von Allerseelen, am 1. November, gebrabbelt – wenn auch in geringerer Zahl, mit Maske und auf Abstand, so Kai Steffens.
Er und seine Kumpel, alle zwischen 17 und 32 Jahren alt, führen fort, was schon ihre Großväter getan haben – möglicherweise reicht das Brauchtum sogar noch weiter zurück. Dabei wird gebrabbelt, was aus anonymer Quelle überliefert ist. Fünf Verse mit vier und fünf Zeilen.

Als Kassenbuch dient die Innenseite: Die Liste verzeichnet, was bei den Sammelgängen zusammenkam.
Copyright: Stefan Lieser
Der Text dreht sich vor allem um die Seelen derer im Fegefeuer, denen man auf dem Friedhof eine Kerze aufstellen wolle. Eingeflochten sind aber auch Zeilen, in denen es ums Liebeswerben beim anderen Geschlecht geht. Wenn die Junggesellen zum Allerseelenbrabbeln zu den Häusern ziehen, ist das eben nicht nur uneigennützig. Da heißt es dann: „We et Määdche freie well / De darf nit schlofe john.“
Zudem wird im Text erwähnt, dass man ja noch so weit zu gehen habe beim Bittgang, um den christlichen Nächstenliebe-Auftrag, sich um die Verstorbenen zu kümmern, zu erfüllen. Mit einem „Gott grüß euch in allen Ehren“ beginnt das Brabbeln an jeder Tür, es endet mit der Verabschiedung „Wir danken für die Gaben, die Ihr uns habt getan, sie sollen für eure Seelen, bei Gott jeschriwwe stohn.“ Wer spendet, dem wird in christlicher Vorstellung das Gegebene fürs Seelenheil gutgeschrieben.
Drei Spendenziele werden mit der sammlung verfolgt
Doch von wegen Nächstenliebe. „Einmal wurde uns auf der Runde aber schlicht die Tür vor der Nase zugeschlagen“, sagt Constantin Odenthal und grinst. Doch meist sind die Allerseelenbrabbler willkommen, erhalten an den Haustüren zur Wegzehrung warme oder kalte Getränke, neben Barem für diverse gute Zwecke.
Einmal wurde uns auf der Runde aber schlicht die Tür vor der Nase zugeschlagen.
Wie immer ist der erste die Stiftung von Jahrgedächtnismessen für Verstorbene aus dem Dorf, die keine Angehörigen haben, die das bezahlen könnten, erklärt Kai Steffens. Spendenziel Nummer zwei sei seit ungefähr 15 Jahren die Unterstützung der Hilfsgruppe Eifel. Das überzeuge bei kirchenkritischen oder kirchenfernen Zeitgenossen an der Haustür mittlerweile eher. Manche Kallmuther geben aber auch eine gezielte Geldspende an die Gruppe für ihren Brabbelgang. Damit bezahle man zum Abschluss der Runde Pizza für alle, heißt es.
Denn die Kallmuther Junggesellen sind ja am 1. November bei Wind und Wetter unterwegs. „Mal im T-Shirt, auch schon in dicker Winterjacke“, so Kai Steffens. Diese Erfahrung haben Raphael Drowe und Leonard Schmitz noch nicht gemacht. Schmitz hat mit 17 Jahren gerade das Mindestalter von 16 Jahren für die Mitgliedschaft beim JGV überschritten und geht in diesem Jahr zum ersten Mal mit. Drowe ist erst vor kurzem nach Kallmuth gezogen. „Ich nutze das Allerseelenbrabbeln auch, um das Dorf kennenzulernen“, so Drowe.
Das wird auch am Samstag so sein. Gesungen wird der Text des Allerseelenbrabbelns eher nicht, die Gruppe trägt ihn in leicht modulierter Form als Sprechgesang und im Stakkato vor. „Das macht Spaß, dabei auch mal am Tempo zu ziehen“, so Raphael Drowe. So entsteht der „Kallmuther Allerseelenrap“ für den guten Zweck, den Erhalt des Dialekts und des Brauchtums. Start ist am 1. November um 15 Uhr, die Runde endet fünf Stunden später.

