Die Wissenschaftlerin Linda Lorbach hat im Archäologischen Landschaftspark ihren Traumjob gefunden und organisiert am Wochenende ein Römerlager.
Archäologie live erlebenRömische Geschichte wird in Nettersheim wieder lebendig

Gespielte Geschichte im Archäologischen Landschaftspark in Nettersheim: An diesem Wochenende nehmen die Darsteller der Reenactment-Truppe Comitatensis Truncensimanti die Besucher des Römerlagers mit in die Zeit der Spätantike.
Copyright: Ancient Tracks/Gem. Nettersheim
Überall im Kreis Euskirchen stößt man auf Spuren der römischen Geschichte. Rund um Nettersheim gibt es besonders viele davon: Hier hatte die römische Wasserleitung, die frisches Quellwasser bis nach Köln transportierte, ihren Ursprung. Bei Pesch, Zingsheim und Nettersheim wurden die Grundmauern von Tempeln wieder aufgebaut, und quer durch das Gemeindegebiet verlief die Trasse der Via Agrippa, auf der vor rund 2000 Jahren römische Truppen und Händler von Gallien aus über Trier und die Eifel bis an den Rhein reisten.
Linda Lorbach steht unweit des Matronenheiligtums südlich von Nettersheim und blickt hinab ins Urfttal, wo an diesem Wochenende wieder das Römerlager rund um das spätantike Kleinkastell stattfindet (siehe unten).
Das hat mich so berührt, weil es vom alltäglichen Leben der Menschen erzählt, die vor 2000 Jahren hier gelebt haben.
„Ich finde es einfach beeindruckend sich vorzustellen, wie es früher hier war“, sagt die Mitarbeiterin des Nettersheimer Naturzentrums. Zum „Früher“ hat die 33-Jährige eine ganz besondere, professionelle Beziehung: „Ich habe mich immer schon für Geschichte interessiert und dann schließlich auch in Köln Archäologie studiert.“
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Erster Grabungsfund hat besondere Bedeutung für Wissenschaftlerin
Während ihres Studiums war Lorbach zwischen 2013 und 2018 auch an den Grabungen von Professor Salvatore Ortisi in Nettersheim beteiligt. Im April 2023 kehrte sie zurück: als Archäologin in Diensten der Gemeindeverwaltung. Im Naturzentrum ist sie dabei auch Ansprechpartnerin für Veranstaltungen und Bildungsprogramme des Archäologischen Landschaftsparks, der 2014 gegründet wurde.

Seit rund zwei Jahren kümmert sich die Archäologin Linda Lorbach in der Gemeinde um die Relikte der römischen Geschichte.
Copyright: Thorsten Wirtz
Neben der Faszination für alte, unter der Erdoberfläche schlummernde Mauern, Keramikscherben oder Münzen geht es Lorbach aber insbesondere um die Menschen, die diese Spuren einst hinterlassen haben. Bei der ersten Grabung, an der sie in Nettersheim teilgenommen hat, habe sie einen kleinen Spielwürfel im Boden gefunden, so die Archäologin: „Das hat mich so berührt, weil es vom alltäglichen Leben der Menschen erzählt, die vor 2000 Jahren hier gelebt haben. Die vielleicht abends nach getaner Arbeit bei einem Wein zusammengesessen und gewürfelt haben.“
Weitere Schätze aus der Römerzeit werden in absehbarer Zeit jedoch nicht in Nettersheim ausgegraben werden. „Aktuell sind keine neuen Grabungen hier geplant“, sagt Lorbach. Immerhin: „So sind die Relikte am besten geschützt – sowohl vor Zerstörung durch Witterungseinflüsse als auch vor dem Zugriff von Raubgräbern.“ Eine archäologische Grabung stelle immer einen Eingriff dar. „Es ist aber das Ziel, die Funde bestmöglich zu konservieren. Deshalb schütten wir anschließend die Fundstelle wieder zu“, so die Archäologin.
Nettersheimer Archäologin kann sich digitale Präsentation der Funde vorstellen
Damit es trotzdem etwas zu sehen gibt, wurden auch im Archäologischen Landschaftspark bei Nettersheim einige der entdeckten Gebäude als Teilrekonstruktion wiederhergestellt – oder besser gesagt angedeutet. Die Mauern des Kleinkastells sind zum Beispiel nur rund anderthalb Meter hoch.
Dass sich so mancher Besucher mehr wünschen würde, ist der Wissenschaftlerin bewusst: Man habe sich aber zum Beispiel bei den Streifenhäusern, den ehemaligen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, die sich zu beiden Seiten der Agrippastraße eng aneinander reihten, für die Teilrekonstruktion entschieden, weil man genau das abbilden wollte, was auch die archäologischen Befunde hergeben, sagt Lorbach: „Aus wissenschaftlicher Sicht bin ich daher ein Fan dieser Teilrekonstruktionen. Denn der Grundriss ist das, was wir wirklich von den gefundenen Gebäuden wissen.“

Der Römerkanalwanderweg ist neben anderen Routen eine beliebte Wanderstrecke in der Region.
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Am Grüner Pütz im Urfttal bei Nettersheim liegt der Beginn der römischen Eifelwasserleitung nach Köln.
Copyright: Thorsten Wirtz
Eine andere Möglichkeit wäre es, bei der Visualisierung auf digitale Lösungen und 3D-Modelle zurückzugreifen. „Das hätte auch den Vorteil, dass man leichter auf neue Erkenntnisse aus der Forschung reagieren könnte“, so die Archäologin. Für die Zukunft sei das durchaus denkbar, ebenso wie die inklusive Präsentation der Funde für beeinträchtigte Menschen. „Wir haben einige Ideen auf diesem Gebiet und hoffen, dass wir sie auch umsetzen können.“
Römische Geschichte ist wichtiger Faktor für Tourismus in der Nordeifel
Für den Tourismus in Nettersheim und der gesamten Nordeifel hat das Thema Archäologie immer noch einen hohen Stellenwert: Der Römerkanalwanderweg, die verschiedenen Stationen des Erlebnisraums Römerstraße oder die Zülpicher Römerthermen inklusive des Museums für Badekultur sind wichtige Angebote. „Auch Schulklassen sind regelmäßig zu Gast, wenn die Epoche der Römer auf dem Lehrplan steht“, berichtet Lorbach.
Die Wissensvermittlung macht der in Harperscheid aufgewachsenen Wissenschaftlerin, die ihr Abitur am Clara-Fey-Gymnasium in Schleiden abgelegt hat, bei ihrer Arbeit in Nettersheim am meisten Spaß. „Außerdem gefällt mir, dass die Themen Archäologie, Geologie und Biologie hier im Naturzentrum Hand in Hand gedacht werden – mit fließenden Grenzen.“
Großes Römerlager am 19. und 20. Juli in Nettersheim
An diesem Wochenende, 19. und 20. Juli, wird das spätantike Kleinkastell im Archäologischen Landschaftspark Nettersheim wieder von 11 bis 17 Uhr zum lebendigen Schauplatz der römischen Geschichte. Besucher dürfen sich auf ein abwechslungsreiches Programm mit Vorführungen, Mitmachaktionen und vielen Informationen für alle Altersgruppen freuen. Auch für das leibliche Wohl wird gesorgt.
An beiden Tagen stehen die Darsteller der Reenactment-Truppe Comitatensis Truncensimanti im Mittelpunkt, die das Leben der römischen Soldaten der Spätantike verkörpern. Dabei demonstrieren sie Formationswechsel, Schaukämpfe und zeitgenössische Handwerkskunst. Ein Offizier erklärt den Besuchern die geschichtlichen Hintergründe.
Los geht es am Samstag, 19. Juli, mit den Vorführungen um 12 und um 14 Uhr (ebenfalls am Sonntag). Das Naturzentrum Nettersheim bietet verschiedene Mitmachaktionen an. Der Eintritt ist an beiden Tagen frei.
Am Sonntag wird es dann noch bunter im Lager, wenn sich zusätzlich noch weitere befreundete Organisationen auf dem Veranstaltungsgelände im Urfttal präsentieren, unter anderen das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, der Freundeskreis Römerkanal und der Verein Erlebnisraum Römerstraße.
Der Archäologische Landschaftspark Nettersheim befindet sich rund zwei Kilometer außerhalb des Orts und ist nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar. Parkmöglichkeiten bestehen am Bahnhof in Nettersheim, von dort ist der Weg zum Römerlager ausgeschildert. (thw)