Als Josef Schleser vor mehr als 50 Jahren in die SPD eintrat, fragte ihn ein katholischer Priester: „Wie kannst du nur?“
AbschiedEuskirchener SPD-Urgestein Josef Schleser verlässt die Politik

SPD-Urgestein Josef Schleser verlässt nach 39 Jahren den Euskirchener Stadtrat.
Copyright: Johannes Bühl
So schnell kann es gehen. Josef Schleser war noch ein Frischling in der Euskirchener Lokalpolitik, da hatte er schon einen verantwortungsvollen Posten.
1969 hatte seine Partei ihn, der neu in der SPD war, als stellvertretenden Sachkundigen Bürger in den städtischen Schulausschuss entsandt. Zeit zum Einarbeiten blieb ihm nicht. Denn weil der Genosse, als dessen Ersatzmann er vorgesehen war, häufiger fehlte, wurde er gleich eingespannt. „Du arbeitest in der Schule, also wirst du im Schulausschuss unser Sprecher“, habe Fraktionschef Willi Maurer gesagt.
Schleser war da 22 Jahre alt, studierte Mathematik und Physik, hatte aber schon eine Stelle als Hilfslehrer am Emil-Fischer-Gymnasium. Dort war auch der Kontakt zur SPD entstanden – über die Kollegen Kurt Kuckertz und Wolfgang Schneider, die in der Partei aktiv waren.
Vor 56 Jahren entschied sich Josef Schleser für die SPD
Josef Schleser bei den Roten – das kam in Euskirchen unerwartet. Er war Messdiener gewesen, sogar katholischer Stadtjugendführer (ein Amt, das schon lange nicht mehr existiert) und hatte mit 14 seine erste kirchliche Jugendgruppe geleitet. „In die CDU einzutreten hätte nach den herkömmlichen Vorstellungen näher gelegen“, sagt er. Prompt habe, als er sich der SPD anschloss, ein katholischer Priester entsetzt gefragt: „Wie kannst du nur?“
Es hatte natürlich einen Grund für seinen Entschluss gegeben, damals, vor 56 Jahren: „Mir lag schon immer das Soziale am Herzen. Und in der CDU handelten nicht alle so sozial, wie sie sich gern gaben.“ In der SPD fühlte er sich gut aufgehoben. Dabei ist es geblieben. Josef Schleser ist längst ein Urgestein des Euskirchener Ortsvereins. 1986 wurde er erstmals Mitglied des Rates. Daran hat sich seither nichts geändert – bis jetzt. In der letzten Sitzung der Legislaturperiode, am 2. Oktober, wurde er nach 39 Jahren verabschiedet. Am 31. Oktober scheidet der pensionierte Oberstudienrat offiziell aus der Stadtvertretung aus.
Im Lauf der Jahrzehnte hat Schleser fast allen Fachausschüssen angehört. Von 2012 bis 2017 war er SPD-Fraktionsvorsitzender, zudem vertrat er die Stadt über viele Jahre hinweg in einer Reihe von Aufsichtsräten und anderen Gremien.
Jetz benn ich fott. Tschüss!
Viele Jahre machte Schleser notgedrungen Oppositionspolitik. „Trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich die Stadt mit weiterentwickelt habe. Man darf ja nicht vergessen, dass der Rat das Allermeiste einvernehmlich entschieden hat“, sagt er. „Und ich bilde mir ein, dazu etwas beigetragen zu haben“, fügt der 78-Jährige hinzu, der stets gute Kontakte zu anderen Fraktionen pflegte. „Es war immer ein befriedigendes Gefühl, wenn man durch politische Arbeit etwas Positives für die Stadt und ihre Bürger bewirkt hatte.“
Stolz sei er auf seine Initiative in seiner Zeit als Fraktionschef, mit der er für – allerdings maßvolle – Steuererhöhungen geworben habe. „So konnten wir ein Haushaltssicherungskonzept verhindern und uns weiter freiwillige Ausgaben leisten, mit denen wir ehrenamtliche Arbeit unterstützt haben.“ Was die Finanzen der Kommunen im Allgemeinen anbelangt, würde er sich mehr Unterstützung vom Land wünschen: „Es gibt uns immer wieder neue Aufgaben, stattet uns aber nicht mit dem nötigen Geld aus.“
Josef Schleser ist alles in allem zufrieden mit seinem Euskirchen
Alles in allem ist er zufrieden mit der Stadt, die er als Politiker mehr als fünfeinhalb Jahrzehnte mitgestaltet hat: „Euskirchen ist im Rahmen seiner Möglichkeiten gut aufgestellt.“ In seiner Abschiedsrede im Rat hatte er den sozialen Bereich hervorgehoben, „der von so vielen Richtungen des Ehrenamtes getragen wird, dass ich stolz bin, ein Mitglied der Stadt Euskirchen zu sein“.
Als Errungenschaft darf in seiner Bilanz auch das Stadtbussystem nicht fehlen. Seine Einführung geht auf die Zeit von 1994 bis 1999 zurück, als im Rat SPD und Grüne das Sagen hatten. „Den Stadtbus haben wir gegen den Widerstand der CDU eingeführt“, sagt Schleser. Er verschweigt jedoch nicht, dass die rot-grüne Koalition damals längst nicht immer ein gutes Bild abgab.
Zum Beispiel, als es trotz nomineller Stimmenmehrheit erst im zweiten Versuch gelang, SPD-Mann Kurt Kuckertz zum ersten hauptamtlichen Bürgermeister zu wählen. „Die wollen regieren, können es aber nicht“, habe es spöttisch geheißen, sagt Schleser: „Den Grünen hat es in unserem Bündnis leider damals oft an Kompromissbereitschaft gefehlt.“ Nach fünfjähriger Zusammenarbeit wurde Rot-Grün von den Wählerinnen und Wählern abgestraft, Kurt Kuckertz musste als Bürgermeister seinen Hut nehmen, es begann die Ära Uwe Friedl.
„Jetz benn ich fott. Tschüss!“, schloss Josef Schleser seine letzte Rede im Stadtrat in Mundart ab. Wirklich weg wird er freilich nicht sein. Er verlässt zwar die Politik, will sich aber weiter sozial engagieren, und zwar für Obdachlose. Darüber hinaus kümmert er sich weiter, wie er es seit Jahren tut, um geflüchtete Menschen aus der Ukraine. 43 von ihnen hat er seit Kriegsbeginn in seiner Wohnung leben lassen. Immer so lange, bis es gelang, sie in andere Domizile zu vermitteln.
Abschied aus der Politik – Die Serie
Sie haben teils Jahrzehnte die Geschicke des Kreises Euskirchen und die ihrer jeweiligen Stadt und Gemeinde mitbestimmt. Eine Reihe von langgedienten Volksvertretern zieht sich nun aus der Lokalpolitik zurück. Sie werden dem künftigen Kreistag beziehungsweise Rat nicht mehr angehören.
In Gesprächen mit der Redaktion ziehen sie Bilanz und plaudern auch ein bisschen aus dem „Maschinenraum“ der Kommunalpolitik.

