Stadt Zülpich und Erftverband haben den aktuellen Stand des Hochwasserschutzkonzeptes Bürgern aus Sinzenich und Schwerfen vorgestellt.
Hochwasserschutz in ZülpichDie Schwerfener hoffen auf das Rückhaltebecken

Hat Sorge, dass Mühlenbach und Rotbach ihr noch einmal zum Verhängnis werden: Anita Scholl.
Copyright: Julia Reuß
Anita Scholl steht am Rand des Rotbachs und schaut konzentriert auf eine Karte in ihrer Hand. Ruth Haltof vom Erftverband ist gerade dabei zu erklären, wie eine Mulde auf der gegenüberliegenden Wiese künftig zum Hochwasserschutz beitragen soll. Und sie kann beruhigen: Ein drei Meter hoher Damm, so wie Anita Scholl es aus Markierungen auf der Karte gelesen hatte, soll nicht gebaut werden.
Anita und Friedhelm Scholl sind Rentner und leben in einem Fachwerkhaus direkt an der Stelle in Schwerfen, an der sich Rotbach und Mühlenbach teilen. In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 mussten sie, wie so viele Menschen in der Region, miterleben, wie aus harmlosen Bächen, zerstörerische Fluten wurden.
Die Angst vor erneuter Flut kann der Erftverband nicht nehmen
Der jetzt so friedlich dahinplätschernde Rotbach sei breiter als die Straße gewesen und habe ihr gesamtes Erdgeschoss geflutet, berichtet Anita Scholl. Hüfthoch habe das Wasser gestanden. Sie habe noch versucht, die Haustüre zuzuhalten, doch ihr Mann habe sie irgendwann vom Eingang weggezerrt. Es folgte jahrelanger Wiederaufbau. Noch immer sind nicht alle Arbeiten abgeschlossen: Gerade bekommen die Scholls eine neue Heizung. Das Ganze sei nervenaufreibend und anstrengend, so die 76-Jährige. Und dazu kommt die Angst, dass so etwas noch einmal passieren könnte.
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Eine Angst, die den Scholls keiner nehmen kann. „Wir werden uns vor diesen Extrem-Ereignissen nicht schützen können“, betont Ruth Haltof. Trotzdem ist die Diplom-Ingenieurin mit Ottmar Voigt (Stadt Zülpich) nach Schwerfen gekommen, um sich die Sorgen der Scholls anzuhören.
Erftverband plant Maßnahmen, um Schwerfen und Sinzenich zu schützen
Doch genau das misslingt. Die Scholls fühlen sich nicht gehört. Was die Mulde am Rotbach angehe, habe Haltof sie zwar beruhigen können, gibt Anita Scholl zu. Aber ihre Vorschläge zum Mühlenbach, habe Haltof einfach abgebügelt. Die Scholls wollen, dass der Mühlenbach tiefer gegraben wird. Doch davon wären auch Brücken betroffen. „Das ist ein Heidenaufwand. Das muss sich dann auch lohnen“, sagt Haltof dazu. Der Erftverband konzentriert sich stattdessen auf das geplante Hochwasserrückhaltebecken (HRB) oberhalb von Schwerfen, das verhindern soll, dass überhaupt so viel Wasser in den Rotbach und damit auch in den Mühlenbach fließt.
Das HRB sei eine von drei Maßnahmen, die der Erftverband plane, um die Orte Sinzenich und Schwerfen besser vor Hochwasser zu schützen, wie Haltof wenig später in der Schwerfener Schützenhalle erläutert. Die Stadt hat Sinzenicher und Schwerfener zum zweiten Bürgerworkshop im Rahmen der Erstellung eines Hochwasserschutzkonzeptes geladen, und rund 100 Anwohner sind gekommen. Mehr als erwartet, weshalb noch hastig Stühle und Tische aufgebaut werden.
Neben dem HRB zählen laut Haltof noch die geplante Hochwasserentlastung durch die Mulde am Rotbach in Schwerfen und der sich schon im Bau befindliche Abschlag des Vlattener Bachs in den Wassersportsee zu den Maßnahmen des Erftverbandes. Letztere soll vor allem Sinzenich schützen.
Die Grundidee ist, gar nicht so viel Wasser kommen zu lassen.
Das Hochwasserschutzkonzept der Stadt, dessen aktuellen Stand Manuel Sportmann vom Ingenieurbüro Fischer Teamplan im Anschluss vorstellt, sieht darüber hinaus noch weitere kleinere Maßnahmen rund um die beiden Orte vor. So sollen Ableit- und Abfanggräben sowie Wegeaufhöhungen vor allem an Vlattener Bach, Römerstraße und B477 verhindern, dass Wasser nach Sinzenich oder Schwerfen abströmt.
„Die Grundidee ist, gar nicht so viel Wasser kommen zu lassen“, führt Dr. Peter Kramp in der anschließenden Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern aus. Kramp ist Berater der Stadt Zülpich für Starkregen- und Hochwasserschutz. Er betont, dass das Konzept die Allgemeinheit im Blick habe. „Ich kann Ihnen nicht sagen, was das für ihre Terrassendielen und Keller bedeutet.“
Schwerfener sind skeptisch ob der Finanzierung und des Zeitplans
Er und die anderen Verantwortlichen stellen sich im Anschluss den Fragen der Bürgerinnen und Bürger. Doch bei vielen bleibt Skepsis. „So macht das Sinn in Summe“, sagt etwa ein Anwohner. Doch die Maßnahmen stünden ja alle noch unter Finanzierungsvorbehalt. Eine Gruppe von Schwerfenern sieht das ähnlich. In der Theorie klinge das alles ganz gut, sagt einer. Doch noch sei ja unklar, wie die Maßnahmen finanziert werden sollen und ob eine Umsetzung Jahre oder vielleicht sogar Jahrzehnte dauern werde. Er hätte sich Konkreteres gewünscht, fügt ein Anwohner hinzu. „Dass man einfach wüsste, wann jetzt was passiert.“

Diskutiert nach dem Vortrag über Maßnahmen: eine Gruppe Schwerfener.
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Auch bei Anita Scholl kann der Workshop keine Sorgen vertreiben. „Die Hoffnung besteht natürlich, dass wir das Rückhaltebecken bekommen. Das ist meine einzige Hoffnung“, sagt sie resigniert.
Zülpicher Bürgermeister hat Verständnis für die Ungeduld
Bürgermeister Ulf Hürtgen kann die Ungeduld der Schwerfener und Sinzenicher verstehen. Die Stadt übe an allen Stellen weiter Druck aus, damit der Bau des HRB vorangehe. Der Erftverband gehe derzeit von einem Baubeginn 2028 aus, berichtet Haltof. Und man sei zuversichtlich, den Bau zu 80 Prozent gefördert zu bekommen.
Hürtgen appelliert allerdings ebenso an die Eigenverantwortung. Es komme auf jeden Einzelnen an, sagt auch Kramp. „Ich erlebe schon viel Hochwasserdemenz.“
Von Vergessen kann bei den Scholls keine Rede sein. Sie haben sich nun einen Hochwasserschutz an ihre Eingangstür montiert. Damit das Wasser nicht noch einmal das Haus fluten kann. Doch ob das reicht? Die Sorgenfalte auf Anita Scholls Stirn bleibt.
Hochwasserschutzkonzept Zülpich soll noch dieses Jahr fertig werden
110 Maßnahmenhinweise sind bei den ersten Workshops zum Hochwasserschutzkonzept in Zülpich im November 2023 zusammengekommen. Daraus wurden laut Ulf Hürtgen nun 30 Maßnahmen für das Stadtgebiet erarbeitet. Viele der Vorschläge für Schwerfen wurden dabei ersetzt durch die Maßnahme „Hochwasserrückhaltebecken“.
In der zweiten Workshoprunde werden die 30 Maßnahmen erneut den Bürgerinnen und Bürgern vorgestellt, die noch einmal Hinweise geben können. Ziel ist es, das Hochwasserschutzkonzept noch in diesem Jahr vom Stadtrat verabschieden zu lassen.
Zwei Workshops stehen noch an:
- Am Donnerstag, 22. Mai, geht es ab 19 Uhr in der Schützenhalle Wichterich um Linzenich, Lövenich, Lüssem, Nemmenich, Mülheim, Niederelvenich, Oberelvenich und Wichterich.
- Am Montag, 26. Mai, stehen ab 19 Uhr im Forum Zülpich Bessenich, Bürvenich, Dürscheven, Enzen, Eppenich, Floren, Füssenich, Geich, Hoven, Juntersdorf, Langendorf, Merzenich, Rövenich, Ülpenich, Weiler in der Ebene und Zülpich im Fokus.