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80 Jahre KriegsendeOpladener Schüler sprechen sich für Pflicht zum KZ-Besuch aus

Lesezeit 4 Minuten
Annette Schavan diskutierte im Jungen Theater mit Schülerinnen und Schülern.

Annette Schavan diskutierte im Jungen Theater mit Schülerinnen und Schülern.

Im Jungen Theater diskutierten Schülerinnen und Schüler mit Annette Schavan, wie lebendige Erinnerung an den Holocaust künftig aussehen kann.

Ein Stück auf dem Klavier aus dem Jahr 1932 ertönte am Mittwoch im Saal des Jungen Theater in Opladen. Ein Stück, das noch vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten entstand und wohl alle im Raum zum Nachdenken anregte.

Am Mittwochnachmittag kamen sechs Schülerinnen und Schüler der Marienschule Opladen und des Landrat-Lucas-Gymnasiums im Theatersaal zusammen, um gemeinsam mit der Vorsitzenden des Beirats der Finkelstein-Stiftung und ehemaligen Bundesbildungsministerin, Annette Schavan, ein Gespräch zu führen. Anlass dazu war das Ende des Zweiten Weltkriegs, das sich in diesem Jahr zum 80. Mal jährt.

Doch zunächst stand jemand im Vordergrund, die in den vergangenen Jahren aus der gelebten Erinnerung an den Holocaust nicht wegzudenken war: Margot Friedländer. Die Holocaustüberlebende war in der vergangenen Woche gestorben. Für junge Leute sei sie die Person gewesen, wenn man über Zeitzeugen spreche, so ein Schüler, „Es werden leider immer weniger“, ergänzte ein anderer. Auch Annette Schavan blickte mit großer Trauer auf den Tod der 103-Jährigen. Sie hatte Margot Friedländer persönlich treffen dürfen und beschreibt sie als „Mensch der Versöhnung“ mit der „Leidenschaft für junge Leute“.

Vor allem aber darüber, wie man eine Erinnerungskultur schaffen kann, sprachen die Schülerinnen und Schüler, die sich über den Unterricht hinaus mit dem Thema beschäftigt hatten, mit Annette Schavan. „Es wird nicht mehr so sein, dass unmittelbar Betroffene zur Verfügung stehen“, so die Vorsitzende des Beirats der Finkelstein-Stiftung.

Es wird nicht mehr so sein, dass unmittelbar Betroffene zur Verfügung stehen
Annette Schavan, Vorsitzende des Beirats der Finkelstein-Stiftung

Die Anwesenden sind sich einig: vor allem in der Schule muss das Thema auch deshalb anders angegangen werden. „Wir brauchen einen anderen Geschichtsunterricht!“, erläutert die ehemalige Bundesbildungsministerin. Die Schüler sind der Meinung, dass Bücher nicht mehr das richtige Medium für ihre Generation seien. Stattdessen würden Filme besser angenommen werden. Auch den verpflichtenden Besuch eines ehemaligen Konzentrationslagers stellten sie zur Debatte.

Frank Lathe, kommissarischer Schulleiter des Landrat-Lucas-Gymnasium, erzählte, dass anlässlich einer Berlin-Fahrt an seiner Schule sowieso ein Konzentrationslager besucht werde. Seiner Meinung nach wäre eine Pflicht aber nicht zielführend: „Wenn man etwas einer Schule aufzwingt, gäbe es große Hürden“, so der Schulleiter. Auch Annette Schäfer, Schulleiterin der Marienschule, blickt zwiegespalten auf das Thema. Sie ist aber auch der Meinung: „Lernen an einem 3. Ort kann viel bewegen“.

Annette Schavan mit allen Beteiligten im Jungen Theater

Annette Schavan mit allen Beteiligten im Jungen Theater

Die Schülerinnen und Schüler hingegen hatten eine ganz klare Meinung: es wäre eine gute Option. Sie hatten gemeinsam das Konzentrationslager Dachau besucht und erzählten von bleibenden Eindrücken.

Auch die Frage, warum die Zahl der Jugendlichen, die die AfD wählen, immer weiter steigt, beschäftigte die Gruppe an diesem Nachmittag. Vor allem die Verbreitung von Fake News über soziale Medien wie Instagram und TikTok seien dabei ein großes Thema. Sie finden, dass in der Schule beigebracht werden sollte, wie man Nachrichten richtig hinterfragt.

Opladener Lehrerinnen für fächerübergreifende Beschäftigung mit Antisemitismus

Michael Schmidt, der erste Vorsitzende des Jungen Theater Leverkusen, hatte im Vorfeld klargestellt: „Wir möchten, dass die Schülerinnen und Schüler sich öffnen können“ – und das ist definitiv gelungen. Neben Einblicken in ihre Gedanken schilderten sie auch Situationen, in denen sie mit dem Thema im alltäglichen Leben konfrontiert wurden. Geleitet wurde das Gespräch von Randa Telmoudi, Lehrerin am Landrat-Lucas-Gymnasium und Günter Hinken, Leiter der Volkshochschule Leverkusen.

Katharina Schönberg ist Lehrerinnen am Landrat-Lucas-Gymnasium. Genau wie Telmoudi organisierte auch sie gemeinsam mit Klemens Büsch, sowie Julian von Hessert und Oliver Frücht von der Marienschule das Projekt. Die beiden Lehrerinnen sind der Meinung, dass die Themen Antisemitismus und Rassismus nicht an Fächer gebunden sind. So spricht Telmoudi mit Ihren Schülerinnen und Schülern auf Französisch über die Zeit des Nationalsozialismus und Schönberg beschäftigt sich in Religion mit dem Thema Antisemitismus.

Das Projekt „Nie wieder now“ findet in diesem Schuljahr das erste Mal ein ganzes Jahr lang statt. Es soll in den nächsten Jahren fortgeführt werden. Die beiden Lehrerinnen berichten, dass es „am Anfang bisschen stolpernd“ war, Schülerinnen und Schüler für das Projekt zu gewinnen. „Man muss aushalten, dass man ein bisschen Werbung machen muss“, so Schönberg. Aber am Ende haben sie eine „richtig tolle Truppe“ aus Schülerinnen und Schülern der Klasse 10 und der Einführungsphase zusammenbekommen.


„Nie wieder now!“ – Projekt zweier Opladener Schulen

In ihrem Projekt „Nie wieder now!“ setzen sich die beiden Opladener Schulen gegen Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung ein. Stattdessen für Respekt. Dabei organisierten die insgesamt rund 25 Schülerinnen und Schüler, die an dem Projekt teilnehmen, verschiedene Aktionen wie einen Gedenkabend, sie besuchten die Synagoge in Köln und fuhren in das ehemalige Konzentrationslager in Dachau. Lehrerinnen und Lehrer der Schulen leiten das Projekt, in dem es vor allem darum geht, eine Erinnerungskultur und Sichtbarkeit für das Thema zu schaffen.

Das Gespräch mit Annette Schavan war Teil des Projekts „Zukunft braucht Erinnerung – Gemeinsam für Leverkusen“, das in Kooperation der Finkelstein Stiftung, der Stadt Leverkusen, der Volkshochschule und der Caritas zurzeit stattfindet. (anp)