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SondermüllofenCurrenta will in Leverkusen heiße Chemikalien verbrennen

Lesezeit 4 Minuten
Hier werden Tanks an die Sondermüllverbrennungsanlage von Currenta angeschlossen. Derzeit läuft alles bei Umgebungstemperatur. Künftig könnten auch warme oder heiße Abfälle angeliefert werden.

Hier werden Tanks an die Sondermüllverbrennungsanlage von Currenta angeschlossen. Derzeit läuft alles bei Umgebungstemperatur. Künftig könnten auch warme oder heiße Abfälle angeliefert werden. 

Bisher dürfen nur Abfälle angefahren werden, die Umgebungstemperatur haben.

Geht es um heiße Abfälle aus der Chemieindustrie, werden in Leverkusen viele besonders aufmerksam, weil es ein heiß gewordener Abfall im Tank war, den man am Vormittag des 27. Juli 2021 nicht mehr kontrollieren konnte und der schließlich explodierte. Bis heute wurde das Explosionsunglück mit sieben toten Männern, darunter der Betriebsleiter, und 31 Verletzten juristisch nicht aufgearbeitet.

Die Giftmüllverbrennungsanlage bei Currenta soll künftig wieder Abfälle annehmen dürfen, die beheizt werden müssen, weil sie bei normalen Temperaturen zu zähflüssig für Rohre und Pumpen in der Anlage sind. Ein Grund kann sein, dass sich in manchen Stoffen bei Umgebungstemperatur Kristalle bilden. Andere werden zähflüssig und können nicht gepumpt werden, wenn sie nicht zuvor aufgeheizt wurden, dabei müssen nicht nur die Container auf Temperatur gebracht werden, sondern auch die Rohre und Schläuche, durch die die Flüssigkeiten fließen sollen. Diese Abfälle sollen anscheinend schnell aus dem Container heraus sofort verbrannt werden, eine Lagerung von Abfällen, die geheizt werden müssen, ist in der Leverkusener Anlage nicht erlaubt.

Vor der Explosion war es möglich, solche Abfälle zu verbrennen, danach hat man das erst mal nicht mehr genehmigt. Um das wieder möglich zu machen, gibt es jetzt ein fünftes Teilgutachten von Christian Jochum. Der Gutachter und Chemiker schlägt Verfahren vor, wie diese Abfälle auch wieder in Leverkusen verbrannt werden können. Derzeit müssen solche Frachten zu Sondermüllverbrennungsanlagen gefahren werden, die eine Erlaubnis zum Heizen der Stoffe haben.

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Geheizt wird mit Warmwasser oder heißem Dampf

Erlaubt werden soll die Erwärmung der Chemie in angelieferten Tank-Containern mithilfe von Warm-, Heißwasser oder Dampf bis auf die Temperatur, mit der der Abfall beim Erzeuger abgefüllt wurde, nicht höher. Klar ist, Stoffe aufheizen birgt Gefahren, die laut Jochum aber zu handhaben sein sollen.

In der Leverkusener Anlage gilt der Grundsatz: Stoffe dürfen dort zur Sicherheit im Prinzip nicht stärker aufgeheizt werden als 100 Grad Celsius unter der Temperatur, bei der der jeweilige Stoff exotherm reagiert, also „hochgeht“.

Aber es gibt Ausnahmen von 100-Grad-Abstand-Regel: Bei Abfällen, die man genauer untersucht hat und kennt, kann der Temperaturabstand geringer sein als 100 Grad. Dafür habe Currenta eigene Anweisungen erarbeitet, die der Gutachter für in Ordnung hält. Anwohner in Bürrig machen sich immer noch große Sorgen wegen der Anlage, für sie mag das kein Trost sein: Jochum schreibt nämlich, dass Currenta mit ihren Regeln deutlich vorsichtiger mit aufzuheizenden Abfällen umgehe, als das in der Entsorgungsbranche sonst üblich sein soll.

Prof. Dr.Christian Jochum spricht im Umweltausschuss. Hinter ihm sitzt Currenta-Geschäftsführer Hans Gennen.

Der Gutachter Christian Jochum.

Weitere neue Handlungs- und Messanweisungen sollen verhindern, dass man die Container mit den dicken Flüssigkeiten versehentlich zu stark aufheizt und dass man Abfälle verwechselt und die falsche Mischung aus Versehen erhitzt, denn das hätte fatale Folgen.

Für den Fall soll vorgesorgt sein

Sollte sich ein Abfall dennoch einmal anders verhalten als angenommen, also doch zu schnell selbst erhitzen, gebe es andere bereits eingeführte Sicherheitsregeln, so Jochum. Die Flüssigkeiten in Containern und Tanks sollen so überwacht werden, dass eine ungeplante Reaktion, wie 2021, nicht noch einmal geschehen kann.

Von erhitzten Chemikalien gehen mehr Gefahren aus. Sie verflüchtigen sich unter Umständen viel schneller, wenn sie aus dem Container in die Umwelt entweichen. Für Bürrig soll laut Tüv und Jochum keine Gefahr ausgehen, die ersten Häuser stehen etwas über 800 Meter von der Anlage entfernt. Als kritischen Umkreis (Seveso-Gutachten) um die Bürriger Gefahrenherde hat man vor zehn Jahren einen Abstand von 560 Metern festgelegt. Jochum hat keine Bedenken gegen das Konzept zur Erhitzung der speziellen Abfälle, letztlich entscheidet aber die Bezirksregierung Köln, ob das Verfahren für die Leverkusener Anlage genehmigt wird. Ob der Begleitkreis zu dieser neuen Gutachten noch einmal zusammenkommt, wird noch entschieden.

Im Zusammenhang mit der Explosionskatastrophe wurde nach wie vor keine Anklage erhoben. Von der zuständigen Zentralstelle für die Verfolgung der Umweltkriminalität in Nordrhein-Westfalen bei der Staatsanwaltschaft Dortmund heißt es, es sei ein großer Aktenumfang zu bewältigen, die Verjährung in dem Fall sei unterbrochen.


Bürgerinitiative weiter aktiv

Nach wie vor ist eine Bürgerinitiative aktiv, die das Ende der Sondermüllverbrennung in Leverkusen zum Ziel hat. In der Initiative um den Leverkusener Kommunisten Gottfried Schweitzer hält man den Tüv und die Gutachterbüros für systembedingt nicht unabhängig. Ihr Argument: Tüv und Gutachter bestritten schließlich ihre täglichen Einnahmen über Aufträge aus der Chemieindustrie.