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Rückblick 2025Kultur in Leverkusen zwischen Bayer-Tradition und Haushaltskrise

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Bei „Kunst für alle“ konnten Besucher im Erholungshaus Werke aus der Bayer-Sammlung auswählen und mit nach Hause nehmen.

Bei „Kunst für alle“ konnten Besucher im Erholungshaus Werke aus der Bayer-Sammlung auswählen und mit nach Hause nehmen.

Der „Leverkusener Anzeiger“ blickt auf das Kulturjahr 2025 zurück.

Wagen wir mal ein Gedankenexperiment und reisen 15 Jahre in die Zukunft. Die Haushaltskrise ist ausgestanden, Leverkusen hat sich wieder berappelt und kann wieder Geld ausgeben – auch für die Kultur. Die City C ist dann umgestaltet, die Innenstadt macht mächtig was her. Beim Gang durch die Kolonie II beschleicht einen dann aber ein bisschen Wehmut. Dann zeigt man auf das dann vermutlich etwas in die Jahre gekommene historische Gebäude mit der gelben Fassade an der Nobelstraße und erinnert sich: „Damals war ich da häufig in Konzerten.“

Gemeint ist natürlich das Erholungshaus. Bayer Kultur hat angekündigt, das Haus in Zukunft nicht mehr betreiben zu wollen. Ende 2026 ist Bayer aus dem mehr als 100 Jahre alten, denkmalgeschützten Konzerthaus raus. Der Konzern hatte der Stadt angeboten, das Erholungshaus für einen symbolischen Euro zu übernehmen, es ihr im Grunde zu schenken. Aber die Stadt Leverkusen ist finanziell dermaßen in Not, dass sie nicht mal ein solches Geschenk annehmen kann. Der Betrieb ist der Stadt schlicht und einfach zu teuer. Das hatte der neue Oberbürgermeister Stefan Hebbel zuletzt auch im Gespräch mit dem „Leverkusener Anzeiger“ noch einmal betont. Nun ist es aber natürlich nicht so, als stünde die Stadt Leverkusen ohne ordentliche Konzerthalle dar. Schließlich gibt es noch das Forum.

Leverkusen: Stadt verpasst Chance

Trotzdem: Die Stadt droht also die Chance zu verpassen, ein Konzerthaus, das – schenkt man den Konzertveranstaltern Glauben – bei den Künstlerinnen und Künstlern sehr beliebt und dazu noch topp in Schuss ist. Und sie kann – schenkt man den Verantwortlichen Glauben – nichts dagegen tun. Da erscheint das Gedankenexperiment, auch wenn es vielleicht etwas auf die Spitze getrieben ist, gar nicht so unrealistisch: Über diese verpasste Chance dürften sich Kulturliebhaber und Kulturliebhaberinnen in gar nicht so ferner Zukunft extrem ärgern.

Eine Konsequenz aus dem Dilemma ist schon ersichtlich. Im kommenden Jahr werden mehrere Konzerte der Jazztage, denen das Erholungshaus inzwischen auch lieb gewonnene Heimat geworden ist, in Wuppertal steigen. Der Rückzug von Bayer Kultur aus dem Erholungshaus ist Teil dessen, was viele Leverkusenerinnen und Leverkusener als Rückzug des Konzerns aus der gesamten Stadt sehen. Ein weiteres Argument dafür: Im März wurde bekannt, dass Bayer Kultur mehreren Vereinen, die bisher „Bayer“ im Namen trugen, die Markenrechte gekündigt hat. Das hatte die CDU deutlich kritisiert. Bayer Kultur, dessen Chef Thomas Helfrich das Unternehmen nach zehn Jahren zum Jahresende 2025 verlässt, argumentiert gegen diesen Vorwurf von einem völlig anderen Standpunkt aus. Wieso sollte man als Konzern ein Konzerthaus betreiben? Wieso sollte man Vereine fördern, wenn sie mit Bayer eigentlich nichts mehr zu tun haben?

Bayer Kultur stellt Förderung um

Stattdessen fokussiert sich die Kultur-Abteilung auf das, was sie „Leuchttürme“ nennt. Auf das Start-Festival zum Beispiel, auf die Start-Academy, über die einzelne Künstlerinnen und Künstler gefördert werden. Und natürlich haben aus ihrer Sicht beide recht: Bayer zieht sich aus der Kulturarbeit, die das Unternehmen über Jahrzehnte betrieben hat und an die sich viele in Leverkusen gewöhnt hatten, zurück. Bayer argumentiert hingegen aus der Sicht eines Konzerns, der nicht dem Gemeinwohl verpflichtet ist. Die neue Ausrichtung ist also irgendwo auch folgerichtig für ein weltweit agierendes Unternehmen, dessen Standort-Verbundenheit ohnehin kleiner geworden ist.

Wie man das Ganze auch bewerten und aus welcher Perspektive man das alles nun sehen möchte: Fakt ist, dass sich die Kulturlandschaft in Leverkusen massiv verändert. Und das hat nicht nur mit Bayer Kultur zu tun. Vielmehr natürlich auch mit dem, was die ganze Leverkusener Politik umtreibt: die Finanzmisere. Denn Kultur zählt größtenteils zu den freiwilligen Leistungen einer Kommune. Also zu den Leistungen, für die eine Stadt nicht per Gesetz Geld ausgeben muss.

Noch Unklarheit, was Sparkurs bedeutet

Das heißt: Die Angst unter den Kulturschaffenden geht um, dass die Sparmaßnahmen vor allem ihren Bereich treffen. Erst recht jetzt, wo die Bezirksregierung dem 15-Jahres-Sanierungsplan der Stadt inklusive Haushaltssicherungskonzept eine deutliche Abfuhr erteilt und klargemacht hat, dass die Stadt ihre Finanzen schon in zehn Jahren wieder im Griff haben muss.

Bislang sind die Auswirkungen in der Kultur nur bedingt sichtbar. Beim Programmbudget hatte man sich im Januar 2025 geeinigt, zwar zu sparen, aber nicht in dem Maße, dass Konzerte ausfallen mussten. Die vier Klassiksonntage der Westdeutschen Sinfonia standen eine Zeit lang auf der Kippe. Auf den Kauf einer neuen Tonanlage fürs Forum zum Preis von fast einer halben Million Euro wurde verzichtet.

Das ist allerdings jetzt fast ein Jahr her. Ob die neusten Entwicklungen darauf Einfluss haben, ist noch schwer vorauszusehen. Auch im Gespräch mit Menschen aus der Szene zeigt sich, dass noch nicht so recht abzusehen ist, wohin die Reise geht.

Mit Sorge betrachten auch viele Kulturschaffende aber, dass der entsprechende Ausschussvorsitz nach der Kommunalwahl an ein AfD-Mitglied gegangen ist. Ein Posten, über den die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistische Bestrebung eingestufte Partei, einen buchstäblichen „Kulturkampf“ führen und vor allem mitbestimmen kann. Wohin das führen kann, hat sich schon in der ersten Kulturausschusssitzung gezeigt, als ein AfD-Ausschussmitglied bestimmte Förderprojekte, viele davon für das Kulturausbesserungswerk, von einer Förderliste – bislang eher eine Formalität – nehmen lassen wollte.