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Bergisch GladbachDie Integrierte Gesamtschule wird das teuerste Schulgebäude  aller Zeiten

Lesezeit 5 Minuten
Zu sehen ist der Eingang der Schule mit Sitzstufen.

Wer soll das bezahlen? Zwischen 160 Millionen und 272 Millionen Euro beziffern Gutachter die Kosten für die Modernisierung der Integrierten Gesamtschule Paffrath.

Auf die schwindelerregende Höhe von 160 Millionen Euro summiert sich die Kostenschätzung für die neue IGP – als günstigste Variante. 

Die Integrierte Gesamtschule Paffrath wird für die Stadt Bergisch Gladbach das mit Abstand ambitionierteste und teuerste Schulbauprojekt aller Zeiten. So viel steht jetzt schon fest, noch ehe der erste Bagger überhaupt angerückt ist. Die Kostenschätzungen je nach Variante – Neubau an anderer Stelle, Neubau an gleicher Stelle oder Generalsanierung im Bestand – klettern in schwindelerregende Höhen von 160 Millionen, 224 Millionen bis 272 Millionen Euro, Stand heute. Kann sich die Stadt so etwas überhaupt leisten?

Diese schwierige Frage müssen die Mitglieder des Ausschusses für Schule und Gebäude in der Sondersitzung am 6. Mai beantworten. Aber ehrlich gesagt, es ist absehbar, wie die Entscheidung ausgeht. Es läuft alles auf Variante 1 hinaus: Neubau auf dem Nachbargrundstück. Denn dies ist mit 160 Millionen Euro nach den Untersuchungen des Büros Ernst and Young, Steuerberatungs- und Finanzdienstleister, im Vergleich noch am günstigsten.

Im Sanierungsfall muss ein Interimsgebäude errichtet werden

Dies sei insbesondere der Tatsache geschuldet, dass kein zusätzlicher Interimsbau notwendig sei. Als weitere Vorzüge werden aufgeführt: die geringsten Herstellungskosten, kürzeste Projektlaufzeit sowie das höchste Ergebnis in Bezug auf die Nachhaltigkeit.

Bei Variante 2, Neubau auf dem jetzigen Bestandsgrundstück, wirke sich dagegen die Notwendigkeit, einen Interimsbau zur Auslagerung des Schulbetriebs zu errichten, nicht nur negativ auf die Kosten aus, sondern auch auf Termine und Nachhaltigkeit.

Bei Variante 3, Generalinstandsetzung des bestehenden Gebäudes plus Erweiterungsbau, explodieren die geschätzten Investitionen auf 272 Millionen Euro. Auch hier wird ein Übergangsbau benötigt. Das Gebäude muss, laut Gutachten, komplett entkernt werden. Somit könne der Umbau nicht im laufenden Betrieb durchgeführt werden.

Ein dreistöckiger grauer Containerbau steht auf einer Wiese.

Als neuer Standort für die IGP ist die Wiese zwischen Kombibad und jetzigem Standort ausgeguckt. Dort stehen schon Unterrichtscontainer.

Die Gutachter verweisen zudem auf „die höchsten Herstellungskosten“ sowie Abstriche bei der Nachhaltigkeit hin. Das Fazit von Ernst and Young fällt eindeutig aus: „Eine Sanierung erscheint nach aktuellen Erkenntnissen nicht sinnvoll beziehungsweise umsetzbar, ohne Kompromisse einzugehen.“

Bei den Projektlaufzeiten schneidet Variante 1 mit neun bis zehn Jahren ebenfalls am besten ab. Für Variante 2 und Variante 3 werden jeweils elf bis zwölf Jahre veranschlagt. Alle drei Varianten stehen allerdings unter dem Vorbehalt der Änderung des Bebauungsplans sowie notwendiger Bodengutachten. Als Standort für Neubau beziehungsweise Interimsbau kommt die Wiese zwischen dem Parkplatz am Kombibad und der IGP infrage. Dort steht aktuell das sogenannte IGP-chen, ein dreistöckiger Containerbau, in dem untere Klassen unterrichtet werden.

Sanierung des Bestandsgebäudes wird um 100 Millionen Euro teurer

Für einen Laien ist es nur schwer zu verstehen, dass die Sanierung im Bestand um 100 Millionen Euro teurer sein soll als ein Neubau. In der Ausschusssitzung wird dies sicher noch Thema werden. Die neue IGP, egal in welcher Variante, wird in jedem Fall neue Maßstäbe setzen: modern, klimafreundlich, zukunftsweisend. Die Frage ist, ob diese Maßstäbe von anderen Bauprojekten überhaupt noch erreicht werden.

Denn es gibt im Schulbauprogramm noch sehr viele andere teure Projekte: Insgesamt sind es 24 Schulen, die teils ebenfalls neu gebaut, oder saniert werden müssen.

Feststeht, dass immer höhere Standards, die Kosten für Neubauten und Sanierungen in die Höhe treiben. Lernformen etwa haben sich verändert: Weg vom Frontalunterricht hin zu mehr Gemeinschaftsarbeit. Dies hat einen Einfluss auf die Raumkonzepte. Zu den Klassenräumen kommen neue Räume hinzu, die sogenannte Lerncluster und Differenzierung ermöglichen.

Lerncluster sind offene Bereiche in einer Schule, die Schüler einer Jahrgangsstufe offen nutzen können. Lehrer haben die Möglichkeit, auf den Förderbedarf einzelner Schüler einzugehen. Dieses Raumprogramm lasse sich im bestehenden IGP-Gebäude, Baujahr 1973, aber nur eingeschränkt umsetzen, heißt es in dem Gutachten.

Genau da setzt, wie berichtet, die Kritik der Freien Wählergemeinschaft an. „Das Anspruchsdenken ist sehr groß“, betont Wilfried Förster erneut. Bei den drei Szenarien sei nur die allerhöchste Stufe geprüft worden: „Aber vielleicht reicht ja auch eine Stufe darunter?“ Die FWG empfindet die derzeitige Entwicklung der ungebremst steigenden Kosten als bedrohlich. Es fehle eine 4. Variante, in der das Machbare im IGP-Altgebäude geprüft wird. „Woher soll das ganze Geld kommen?“, fragt Förster.


Bürgermeister Stein schließt Investitionskredite nicht aus

Die Frage, die sich bei solch hohen Summen für die Modernisierung der Integrierte Gesamtschule Paffrath aufdrängt, ist: Wie will die Stadt Bergisch Gladbach das bezahlen? Denn generell tragen Kommunen die Kosten für den Schulbau.

Bürgermeister Frank Stein, zurzeit an der Nordsee im Urlaub, nimmt den Anruf dieser Redaktion im Auto entgegen. Im Interview zu Beginn dieses Jahres hatte sich Stein noch sehr optimistisch geäußert: „Innerhalb der nächsten 15 Jahre werden wir alle Gladbacher Schulen ertüchtigt haben. Dann sind wir einmal durch – und fangen wieder von vorne an“, sagte er.

Aber da gab es noch keine Kostenschätzung für das dringendste Projekt, die Sanierung der IGP. Jetzt liegen die Fakten auf dem Tisch: Der Neubau wird derzeit auf 160 Millionen Euro geschätzt, die Kernsanierung im Bestand sogar auf 272 Millionen Euro.

„Wir werden nicht drumherum kommen, Investitionskredite aufzunehmen“, sagt Stein am Mittwoch. Abzuwarten sei aber auch, was aus dem Investitionsprogramm des Bundes in Bergisch Gladbach ankomme. „Nichts zu tun, ist jedenfalls keine Alternative“, betont der Bürgermeister.

Allein für die Instandhaltung der IGP, um den Schulbetrieb aufrechterhalten zu können, wären Bau- und Planungskosten in Höhe von 35,6 Millionen Euro notwendig. Die Betriebskosten für die nächsten sechs Jahre beziffert die Stadtverwaltung mit 17, 4 Millionen, für die nächsten zehn Jahre mit 29 Millionen Euro.

Was das herausfordernde Schulbauprogramm der Stadt betreffe – insgesamt 24 Schulen, die innerhalb von 30 Jahren umfassend saniert, ausgebaut oder sogar neu gebaut werden sollen – habe er schon im Januar einen Ausweg aufgezeigt: „Um die Zeitschiene zu verkürzen, muss mehr Personal eingestellt werden“, betont der Bürgermeister am Mittwoch erneut. (ub)