Bei einem Feuer im Nußbaumer Hof sind die Wirtin und ihr Hund gestorben. Ihre Nachbarn trauern und stehen unter Schock.
Anwohner rennt ins brennende HausWie Bergisch Gladbacher auf den Tod einer Wirtin durch ein Feuer reagieren

Vor dem Nußbaumer Hof legten Anwohner Blumen nieder und zündeten Kerzen für die Verstorbene an.
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„Heidi wollte leben“, sagt Lisa Müller. Sie kannte die 71-jährige Wirtin, die am Mittwoch bei dem Brand in ihrer Wohnung ums Leben gekommen ist, gut. Ihre Wohnung liegt direkt gegenüber vom Gasthaus Nußbaumer Hof. Von ihrem Schlafzimmerfenster aus hat sie die dramatischen Szenen beobachtet. Sie habe gesehen, wie riesige Flammen aus den Fenstern loderten und wie schnell die Feuerwehr da war. Doch die Retter kamen zu spät, um Heidi zu helfen.
„Es war ein schreckliches Gefühl zu wissen, dass Heidi und ihre Hündin Molly ganz alleine in dem Haus waren. Sie waren so hilflos“, schildert Müller. Sie könne die Situation noch gar nicht richtig begreifen und sei „unfassbar traurig“. Im Gespräch mit dieser Zeitung bricht sie immer wieder in Tränen aus.

Gastwirtin Heidi starb bei einem Feuer in ihrer Wohnung. Hier steht sie mit einem Bekannten hinter ihrer Theke.
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In Gesprächen mit Nachbarn und Kunden zeichnet sich ein Bild der Wirtin ab: Heidi war das Herz von Nußbaum. Mit ihrer Herzlichkeit und ihrem Kampfgeist hielt sie das Dorf zusammen. Sie empfing Vereine, Stammtische und alle, die einfach Gesellschaft brauchten, in ihrer Gaststätte. Jeder fühlte sich willkommen.

Lisa Müller kannte Wirtin Heidi gut und ist geschockt von den Umständen ihres Todes.
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„Die Tür stand immer offen“, sagt ein Stammgast aus Paffrath, der am Tag nach dem Brand eine Kerze für Heidi aufstellt. Anna Wiese, die auch gegenüber der Gaststätte wohnt, ist noch sichtlich fassungslos, als sie am Mittag nach dem Brandtag mit ihren Hunden Gassi geht. „Die Leute sind wegen ihr in die Kneipe gekommen. Es wird jetzt echt etwas fehlen“, sagt sie.
„Heidi war eine sehr gute Freundin. Sie war ein lieber Mensch, der für die Nachbarschaft immer da war. Durch sie haben wir uns getroffen“, erzählt Matthias Lohmann. Sein Haus steht nur einige Meter hinter der Kneipe.
Er bog am Unglückstag mit dem Auto in die Straße ein, als er einen seltsamen Geruch bemerkt habe. „Ich dachte erst, dass das meine Reifen sind. Ich habe die kurz zuvor nämlich gewechselt“, berichtet er. Doch als er mitbekommen habe, dass ein anderer Nachbar mit der Feuerwehr telefonierte, sei ihm klar geworden, dass es bei Heidi brennt.

Matthias Lohmann versuchte Wirtin Heidi noch zu retten.
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Also rannte er zum Haus seiner Nachbarin, um sie zu retten. „Bis zu ihrer Wohnungstüre oben habe ich es geschafft. Aber der Rauch war so heftig, dass ich nicht weiterkam“, schildert er. Ihm laufen Tränen über die Wangen, während er von diesem Verlust spricht. „Das ist ziemlich schlimm“, sagt er. Die Nachbarschaft werde nie das sein, was sie durch Heidi war.
Bergisch Gladbacherin Heidi war auf Tanz in den Mai vorbereitet
Zu jeder Jahreszeit war Nußbaumer Hof ein Treffpunkt für die Anwohner, dort entstand ein Gemeinschaftsgefühl, auch wenn nicht immer alles perfekt war. „Im Herbst sind uns draußen unter dem Baum die Nüsse auf den Kopf gefallen. Aber darüber haben wir gelacht und gesagt, dass wir uns demnächst nur noch mit Helmen hier hinsetzen“, erinnert Müller sich. Besonders schön fand sie ihre Stammkneipe im Frühling, „das war herrlich“, sagt sie.
Und der Tanz in den Mai war für die Nußbaumer bisher immer ein besonderer Tag: „Wir haben den Baum vor der Kneipe immer wunderschön geschmückt. Heidi hatte den Schmuck für dieses Jahr schon besorgt“, berichtet sie. Die Nachbarschaft überlege jetzt, ob sie den Baum in diesem Jahr zu Heidis Ehren schmücke.
Gastwirtin war eine Kämpferin
Nicht nur ihre Herzlichkeit zeichnete Heidi aus. „Sie war eine absolute Kämpferin und hing trotz allen Schicksalsschlägen wahnsinnig am Leben“, berichtet Müller. Die Wirtin habe in den vergangenen Jahren einiges einstecken müssen: Sie habe sich einen Oberarm vor einiger Zeit mit heißem Fett verbrannt.
Vor ungefähr vier Jahren habe sie einen Schlaganfall gehabt, durch den sie auf einer Seite gelähmt war und sie habe Lungenkrebs gehabt. Und ihr Mann, mit dem sie die Kneipe vor rund 30 Jahren gekauft hatte, sei vor einigen Jahren gestorben. „Trotzdem hat sie sich immer wieder zurück ins Leben gekämpft“, sagt Müller.
Bergisch Gladbacherin hatte Schlaganfall hinter ihrer Theke
„Heidi hat für die Kneipe gelebt, auch wenn drinnen alles alt war. Aber so ein Flair findet man heute kaum noch“, meint die Nachbarin. Da Heidi all ihre Zeit hinter der Theke verbracht habe, seien dort auch die Dinge passiert, die ihr Leben veränderten.
So wie ihr Schlaganfall: „Sie hat ein ums andere Bier gezapft, bis die Gläser plötzlich eins nach dem anderen heruntergefallen ist. Ein Gast hat ihr gesagt, dass sie ins Krankenhaus muss, aber sie hat sich erst geweigert“, schildert Müller. Sie berichtet, dass die Wirtin sich nach ihrem Schlaganfall eine Vorrichtung gebaut hat, um mit einer Hand weiterhin Bier zapfen zu können.
Nachbarn halfen der Gastwirtin
Seit Heidi so krank war, habe alles ein bisschen länger gedauert, das habe die Gäste aber nicht gestört. Sie hätten auch mal mit angepackt, wenn sie das Gefühl hatten, die Wirtin ist überfordert. „Mir tat das oft so leid, ich konnte das nicht gut sehen, wie sie das alles mit einer Hand macht. Dann habe ich ihr schonmal beim Zapfen oder Servieren geholfen“, berichtet Müller. Da Heidi nach dem Schlaganfall nicht mehr gut laufen konnte, habe sie sich außerdem einen Treppenlift einbauen lassen, um hoch in ihre Wohnung zu kommen.
Heidi komme ursprünglich aus der Schweiz, dort soll sie auch noch eine Schwester haben, zu der sie aber wohl keinen Kontakt mehr gehabt habe. Sie habe auch sonst keine Angehörigen gehabt und deswegen hätten ihr die Leute aus dem Ort bei den Dingen geholfen, die sie nicht mehr so gut konnte. Ein junger Mann soll beispielsweise öfter mit ihrem Hund spazieren und mit ihr einkaufen gegangen sein. Auch wenn im Haus etwas repariert werden musste oder ähnliches, seien Nachbarn eingesprungen.
Kriminalpolizei Rhein-Berg hat die Ermittlungen übernommen
Auch am Tag des Brandes haben Nachbarn die Gastwirtin gesehen, wie sie mit einem Helfer einkaufen war. „Heidi mochte ihr Brot am liebsten getoastet. Und an dem Tag hatte sie auch Brot gekauft. Das ist jetzt nur eine Mutmaßung von mir, aber ich könnte mir vorstellen, dass sie sich nach dem Einkauf ein Toast gemacht hat und dann gab es einen Kurzschluss oder eine Stichflamme und sie konnte sich nicht mehr helfen. Vom Ablauf her könnte das schon passen“, vermutet Müller. Andere Nachbarn könnten sich auch vorstellen, dass es eine technische Störung oder ähnliches gab, da das Haus schon so alt war.
Was genau passiert ist, ermittelt die Kriminalpolizei. Am Tag nach dem Feuer untersuchte sie für mehrere Stunden den Brandort. Bis Redaktionsschluss hatte sie noch keine Brandursache bekanntgegeben.
Zu wissen, was genau passiert ist, könnte den Nußbaumern vielleicht etwas helfen, das Ganze zu verarbeiten. Auch wenn der Schock wohl noch lange tief sitzen wird. „Ich muss jeden Tag mit meinem Hund an dem Haus vorbei. Die Bilder und die Vorstellung von der hilflosen Heidi und Molly kommen dann jedes Mal wieder hoch“, sagt Müller. Dass auch Heidis Hund gestorben ist, belaste sie zusätzlich sehr. „Eigentlich wollten wir Molly zusammen mit Heidi bestatten. Aber ich habe erfahren, dass der Hund schon entsorgt wurde. Damit hätte man noch warten können“, findet sie.
Wie es ohne Heidi weitergeht, ist für die Nachbarschaft noch unsicher. Lohmann: „Wir wissen nicht, wie es weitergeht. Aber wir wollen das Andenken an Heidi aufrechterhalten. Ich habe die Hoffnung, dass wir uns weiter treffen werden“