In einem Brandbrief an Kardinal Woelki werden Vorwürfe gegen die Amtsführung von Elmar Kirchner erhoben. Der wehrt sich gegen die Kritik.
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Krisensitzung in Moitzfeld: Gemeindemitglieder schildern ihre Erfahrungen mit dem in der Kritik stehenden Pfarrer.
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In den katholischen Kirchengemeinden St. Nikolaus Bensberg und St. Joseph Moitzfeld brodelt es. Von weihnachtlichem Frieden ist kurz vor dem Fest nicht viel zu spüren. Der Ärger, der in Teilen der Gemeinde und auch in den gewählten Pfarrgremien schon seit längerer Zeit schwelt und nun offen ausgebrochen ist, macht sich fest an Pfarrer Elmar Kirchner, der im März 2024 als Pfarrverweser in Bensberg und Moitzfeld eingeführt wurde.
Ein Pfarrverweser leitet in der katholischen Kirche eine Gemeinde vorübergehend, solange die eigentliche Pfarrstelle vakant ist. Mit Jahresbeginn 2026 sollen die beiden Gemeinden Bensberg und Moitzfeld fusionieren – Zwischenschritt auf dem Weg zur Pastoralen Einheit, in der in einigen Jahren die katholischen Gemeinden von ganz Bergisch Gladbach aufgehen sollen.
Die Vorwürfe gegen Kirchner sind schwerwiegend
Die Vorwürfe gegen Kirchner sind schwerwiegend: Von „respektlosem Verhalten“ und „abfälligen Äußerungen“ gegenüber Gemeindemitglieder und sogar kirchlichen Mitbrüdern ist die Rede, von „autoritärem Führungsstil“, Missachtung der Gremien, von mangelnder Verlässlichkeit, von Intransparenz und auch von problematischem Umgang mit kirchlichem Eigentum. Letzterer bezieht sich insbesondere auf die Ausstattung von Kirchners Büro, die nicht bescheiden ausgefallen sei, obwohl kein Beschluss des Kirchenvorstands die Ausgabe abgesegnet habe.
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Schon wenige Monate nach seinem Dienstantritt in Bensberg war Kirchner - wie damals in dieser Zeitung berichtet - öffentlich in die Kritik geraten. Damals wegen seines von vielen als unsensibel empfundenen Verhaltens gegenüber einer ukrainischen Flüchtlingsfamilie, die nicht länger in einer Dienstwohnung der Gemeinde wohnen durfte.
Beschwerdeführer sind langjährige Mitglieder in gewählten Gremien
Gespräche mit dem zuständigen Weihbischof Ansgar Puff und dem Bereichsleiter Pastorale Dienste Dr. Markus Wasserfuhr seien im Ergebnis folgenlos geblieben, beklagen die Beschwerdeführer, die allesamt auf langjähriges kirchliches Engagement verweisen können und als Antrieb nennen, dass sie ihre Gemeinden „am Leben erhalten wollen“.

Manche nennen sie „Die vier Musketiere“: Martin Brochhaus, Dr. Werner Schwamborn, Dr. Alfons Daubenbüchel und Martin Müller (von links) haben einen Brandbrief an Kardinal Woelki geschrieben.
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Zu ihnen gehören: Dr. Werner Schwamborn (Geschäftsführender Vorsitzender des Kirchenvorstands St. Joseph und stellvertretender Vorsitzender im Kirchengemeindeverband St. Nikolaus und St. Joseph), Dr. Alfons Daubenbüchel (Mitglied des Kirchenvorstands St. Nikolaus), Martin Müller (Kirchenvorstandsmitglied St. Joseph) und Martin Brochhaus (Pfarrgemeinderatsmitglied und bis Mitte 2024 Pfarrgemeinderatsvorsitzender).
In einem Brandbrief an den Kardinal bitten sie um Versetzung des Pfarrers
Zuletzt wandten sie sich in einem „Brandbrief“, der von 115 Gemeindemitgliedern unterzeichnet wurde, an Kardinal Rainer Maria Woelki. Darin die Bitte, „die priesterliche Verantwortung für unsere Gemeinden in andere Hände zu geben“, sprich: Elmar Kirchner zu versetzen.
Die Unzufriedenheit mit dem Pfarrer sei so groß, dass es schon einen erheblichen Aderlass in der Gemeinde gegeben habe, so die Beschwerdeführer in ihrem Schreiben an Woelki: „Viele Gemeindemitglieder haben ihr Engagement in wichtigen Gemeindeaufgaben, unter anderem Taufkatechese, Kommuniondienst, Öffentlichkeitsarbeit, mit Hinweis auf die Zusammenarbeit mit Herrn Pfarrer Kirchner beendet.“
Erzbischof hat nichts zu beanstanden
Ein Aussitzen, bis die Bildung der großen Pastorale Einheit in Bergisch Gladbach das Leitungsproblem vielleicht von selbst löse, ist für die Beschwerdeführer keine Option: „Wenn man bedenkt, was dieser Mann schon seit März 2024 bei uns angerichtet hat, dürfte bis zur Pastoralen Einheit in ein paar Jahren hier nicht mehr viel übrig sein. Dann ist die Gemeinde tot“, befürchtet Martin Müller. Er zeigt sich besonders betroffen von dem Kirchner zugeschriebenen, dem Pfarrer aber nach eigener Aussage „in dieser Zuspitzung nicht erinnerlichen“ Ausspruch: manchmal müsse eine Gemeinde vor die Wand fahren.
In ihren Hoffnungen, die sie auf das Eingreifen von Woelki gesetzt hatten, wurden sie enttäuscht. „Das von uns mehrfach erbetene persönliche Gespräch wurde uns nicht gewährt“, berichten sie. Stattdessen teilte der Erzbischof schriftlich mit, dass die Überprüfung der vorgebrachten Kritik „keine Beanstandung ergeben“ habe.
Kritiker nennen Reaktion des Erzbischofs „frustrierend“
„Frustrierend“ nennt Schwamborn die Reaktion des Erzbischofs, man fühle sich mit den Problemen von Köln vollständig allein gelassen, sagt auch Müller. Es gebe keinerlei Aktivitäten der Bistumsleitung zu der von ihr angekündigten Befriedung der Situation. Trotz der fehlenden Unterstützung aus Köln wollen die Akteure nicht die Segel streichen, sondern wollen retten, was zu retten ist: „Wir wollen uns nicht von einer Person so beeinflussen lassen, dass wir aufgeben“, sagt Daubenbüchel.
Um zu beraten, wie es in dieser heillos zerstrittenen Lage weitergehen könnte, luden Schwamborn und Co. in der vergangenen Woche die Gemeindemitglieder, die den Brandbrief unterzeichnet haben, zur Informationsveranstaltung in den Lindenhof ein. Rund die Hälfte kam und tauschte sich im gut gefüllten Saal über ihren Frust aus, einzelne verwiesen aber auch darauf, dass der kritisierte Pfarrer auch Anhänger habe. Moderat im Ton, aber klar in der Sache, schilderten Vertreter von kfd, Pfadfinderschaft, Kirchenchören und anderen aktiven Gruppen ihre Probleme mit dem Pfarrverweser.
Kirchner sieht Ursache in den großen Umbrüchen der Gemeinden
Der so in der Kritik stehende Kirchner sieht die Ursache für die Vorwürfe gegen ihn in erster Linie nicht in Persönlichem, sondern als Folge der umfassenden Umstrukturierung der Gemeinden auf dem Weg zur Pastoralen Einheit. „Damit einhergehende Veränderungen gewohnter und liebgewonnener Traditionen fordern von den Gemeindemitgliedern Verständnis, Akzeptanz und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen“, führt Kirchner in einer schriftlichen Stellungnahme an diese Zeitung aus. Das sei emotional sicher nicht einfach, sachlich aber geboten.

Elmar Kirchner, Pfarrverweser für Bensberg und Moitzfeld wehrt sich gegen die Vorwürfe.
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„In dieser Phase der Umgestaltung haben sich leider auch deutliche Spannungen ergeben“, gibt der Priester zu. Einzelne Personen oder auch Gruppen artikulierten ihr Unverständnis und ihre Kritik sehr laut, fokussiert nicht auf die Sache, sondern „auf handelnde Vertreter der Kirche“, meint der Pfarrverweser.
Pfarrer sieht Missverständnisse und fühlt sich getroffen
Hinzu kämen sachliche und kommunikationsbedingte Missverständnisse. „Die persönliche Schärfe mancher Rückmeldungen hat mich dennoch getroffen“, schreibt Kirchner. Die Zusammenarbeit mit den gewählten Gremien sei ein tragendes Element, er schätze das ehrenamtliche Element sehr und wisse, „dass ohne den Einsatz vieler Ehrenamtlicher ein lebendiges Gemeindeleben nicht möglich wäre“, so Kirchner.
Auch wehrt sich der Pfarrverweser gegen den Vorwurf, er gehe unangemessen mit kirchlichen Vermögen um. Die Einrichtung des sogenannten „persönlichen Büros“ entspreche „der üblichen und notwendigen Arbeitsausstattung“. Die von Gemeindemitgliedern angestrengte disziplinarische Überprüfung durch die erzbischöfliche Rechtsabteilung habe „kein Fehlverhalten“ festgestellt.
Erzbistum stützt den von Köln eingesetzten Pfarrer
Die Frage nach Wegen zur Befriedung sei für ihn zentral, meint er. „Ich sehe deutlich, dass es Situationen gab, in denen ich Rückmeldungen früher hätte aufnehmen oder bestimmte Abläufe sensibler gestalten können“, gibt der Pfarrverweser zu. Die Auseinandersetzung gehe aber darüber hinaus: „Sie steht für das Ringen vieler Menschen mit der gegenwärtigen Gestalt der Kirche und ihrem Weg in die Zukunft.“
Das Erzbistum Köln stützt den von ihm eingesetzten Pfarrer. Man nehme „die Spannungen in den Gemeinden St. Nikolaus und St. Joseph in Bensberg und Moitzfeld wahr“, heißt es schriftlich auf Anfrage. Das Bistum habe mehrfach Anstrengungen unternommen, um eine Verständigung zu erreichen, so in Gesprächen mit Weihbischof Puff und dem Bereichsleiter Pastorale Dienste Dr. Wasserfuhr. „Wir bedauern, dass die Bemühungen um Verständigung bisher nicht zu einer dauerhaften Entspannung geführt haben“, heißt es weiter.
Versetzung Kirchners für Bistum keine Option - Gemeinde will aktiv bleiben
Die Versetzung des Pfarrverwesers sieht das Bistum hingegen nicht als Lösung „für ein gelingendes Gemeindeleben“: „Das Erzbistum vertraut dabei weiterhin auf den Dienst von Pfarrer Elmar Kirchner. Pfarrer Kirchner ist als sogenannter Pfarrverweser in Bensberg und Moitzfeld tätig. Mit der geplanten Bildung einer neuen Pastoralen Einheit für Bergisch Gladbach wird diese Funktion enden.“
„Wir können von keiner Aktivität der Bistumsleitung ausgehen“, ist das Fazit von Brochhaus. „Wir müssen das Heft selbst in die Hand nehmen.“ Dazu will die Gemeinde aktiv bleiben, solle sich aber auch nicht scheuen, berechtigte Kritik immer wieder an das Bistum zu melden. Dem „theologisch rückständig“ agierenden Pfarrer müsse man selbstbewusst eigene Aktivitäten entgegensetzen, so ein Gemeindemitglied, notfalls auch gegen dessen Widerstand.
Als erstes Ergebnis habe ein Teilnehmer eine eigene Facebook-Seite für den Auftritt der Gemeinde eingerichtet, so Martin Müller, als „Korrektiv zu den teilweise zensiert wirkenden Pfarrnachrichten der offiziellen Homepage von St. Nikolaus und St. Joseph“.

