Zu Prozessbeginn schweigt der 57 Jahre alte Angeklagte zu den Vorwürfen.
ProzessauftaktKürtener soll vor 22 Jahren einen Mord begangen haben

Mit einem Aktenordner versucht der Angeklagte sein Gesicht zu verbergen.
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Am 12. November 2003 wurde der 29 Jahre alte Tino W. tot in seiner Wohnung in Bad Driburg (Kreis Höxter) entdeckt, Opfer eines Gewaltverbrechens. Jetzt, nach 22 Jahren, steht sein ehemaliger Nachbar in Paderborn vor Gericht: ein 57 Jahre alter Handwerker aus Kürten. Er soll W. aus niederen Beweggründen ermordet haben.
Der 57-Jährige betritt den denkmalgeschützten Schwurgerichtssaal mit einer Baseballkappe auf dem Kopf und einem Aktenordner vor dem Gesicht, um sich vor den zahlreichen Kameras der Medienvertreter abzuschirmen. Das Interesse an dem Verfahren ist groß in der Region, aber auch darüber hinaus. Ein Fernsehsender will die Familie des Getöteten bei dem Prozess begleiten – Vater und Schwester von Tino W. nehmen als Nebenkläger teil, sein Neffe sitzt im Saal.
Angeklagter war knapp bei Kasse
Der Vorwurf gegen den Kürtener lautet auf Mord. Der 57-Jährige soll aus Feindlichkeit gegenüber Homosexuellen gehandelt haben, aber auch, weil er seinerzeit knapp bei Kasse gewesen sei – Tino W. war offen homosexuell, und aus seiner Wohnung sollen sein Kellnerportmonee und sein Handy verschwunden sein. Gefasst wurde der Familienvater aus Kürten als mutmaßlicher Täter, nachdem Anfang 2025 ein erneuter DNA-Massentest unter 120 früheren Kontaktpersonen des Getöteten neue Erkenntnisse brachte.
Die Anklage listet detailreich auf, was die Ermittler zum Tatablauf herausgefunden haben. Der 57-Jährige, damals Mitbewohner in dem Mehrfamilienhaus, nach dessen Adresse sich die Mordkommission den Namen „Morgenstern“ gegeben hatte, soll damals ungehindert in W.s Kellerwohnung gelangt sein, entweder weil die Tür unverschlossen war oder W. ihn selbst eingelassen hatte. Dann soll er seinem Opfer einen Schlag gegen den Kopf versetzt haben, wodurch W. gegen die Wand prallte und infolge einer Benommenheit keine Gegenwehr mehr habe leisten können gegen einen Würgegriff am Hals. Anschließend soll der Nachbar W. mit einem Staubsaugerkabel erdrosselt haben, nachdem er ihm mit einem Stück desselben Kabels die Hände hinter dem Rücken gefesselt hatte. Das ist der eigentliche Tatablauf aus Sicht der Ermittler.
Angeklagter täuschte eine Reise des Opfers vor
Die Staatsanwaltschaft geht weiter davon aus, dass der Angeklagte den Körper von W., um eine Entdeckung zu verhindern, ins Bad schleppte und dort einschloss. Um vorzutäuschen, dass W. verreist sei, soll er dessen Opel weggefahren und etwa 1,5 Kilometer von der Wohnung entfernt geparkt haben. Wie zu erfahren war, soll er dabei Spuren seiner DNA an dem Lenkrad des Pkw zurückgelassen haben.
Zu den Vorwürfen werde sein Mandant schweigen, sagte Verteidiger Tim Hoffmann. Das Schwurgericht hörte stattdessen die Polizisten, die seinerzeit die Leiche von Tino W. entdeckten – in einem Szenario wie aus einem bizarren Krimi. Freunde von ihm hätten die Polizei informiert, weil sie eine Vermisstenmeldung machen wollten, gab einer der Zeugen an. Sie seien beim Eintreffen der beiden Beamten bereits in der Wohnung gewesen, hätten „Kaffee gekocht“ und „etwas aufgeräumt“.
Freunde fanden die Leiche im Badezimmer
Unter anderem habe einer von ihnen das Kabel des Festnetztelefons wieder eingesteckt. Das sei schon „außergewöhnlich für so eine Situation“ gewesen, erinnerte sich einer der Polizisten. Dann sei aufgefallen, dass die Badezimmertür verschlossen und der Schlüssel nicht vorhanden gewesen sei. „Das machte alles etwas verdächtig“, sagte der Zeuge, weshalb man mit einem Dietrich die Tür geöffnet habe. Dahinter habe der Leichnam von W. gelegen, auf dem Bauch, ein Kabel um den Hals geschlungen und verknotet, die Hände auf dem Rücken gebunden. Im Flur habe der Staubsauger gestanden, von dem das Kabel gestammt habe.
Für den Prozess sind noch acht weitere Verhandlungstage angesetzt. Beim nächsten Termin am kommenden Mittwoch soll ein Vernehmungsbeamter aussagen: Er hatte damals den ersten Verdächtigen vernommen, einen Mann aus dem Kreis der Freunde von W., der zwischenzeitlich verstorben ist.

