Bei einem Verkehrsunfall mit vier Verletzten auf der Autobahn 4 bei Frechen von knapp zwei Wochen hatten die Rettungskräfte Schwierigkeiten zur Unfallstelle zu gelangen, weil im Stau stehenden Auto- und Lkw-Fahrer zunächst keine Rettungsgasse gebildet hatten.
Interview ADACRettungsgasse ist wichtig, weil beim Unfall jede Sekunde zählt

Wer keine Rettungsgasse bildet, läuft Gefahr den Führerschein abgeben zu müssen.
Copyright: picture alliance/dpa
Udo Beißel sprach mit dem ADAC-Sprecher Thomas Müther darüber, wie sich Auto- und Brummifahrer in den Ausnahmesituationen verhalten sollten und was falsches Verhalten für Konsequenzen mit sich ziehen kann.
Wann muss eine Rettungsgasse gebildet werden?
Die Rettungsgasse muss schon dann gebildet werden, wenn der Verkehr anfängt zu stocken. Das gilt auf Autobahnen und allen Straßen außerorts mit mindestens zwei Fahrstreifen je Richtung. Solange es keine anderslautenden Anweisungen der Polizei gibt, muss die Rettungsgasse aufrechterhalten werden, auch wenn die Rettungs- und Bergungsarbeiten mehrere Stunden dauern.
Alles zum Thema Bundesautobahn 4
- Marode A4-Brücke Wirtschaft in Köln und Region fordert schnellen Neubau
- Staugefahr Betriebe in Sorge um den Wirtschaftsstandort Hürth durch marode A4-Brücke
- Autobahn verengt Lkw kippt auf A4 in Köln um – Bergung erst am Abend möglich
- Wirtschaft Kreishandwerkerschaft Rhein-Erft sorgt sich wegen maroder A4 bei Köln
- Unfall auf der A4 in Köln Lastwagen umgekippt – Bergung gestaltet sich aufwändig
- Marode Brücke in Köln Neue Staufalle auf der A4 zwischen Klettenberg und Eifeltor
- Verzögerung wegen fehlender Rettungsgasse Vier Verletzte auf der A4 bei Frechen - 26-Jähriger stirbt bei Unfall auf der L51 bei Erftstadt
Wie sollen sich Auto- und Lkw-Fahrer verhalten? (bei zwei Spuren, drei Spuren)
Das Prinzip der Rettungsgasse funktioniert unabhängig von der Anzahl der Fahrspuren immer gleich. Wer auf dem linken Fahrstreifen unterwegs ist, weicht nach links aus. Reisende auf den übrigen Spuren fahren nach rechts. Wer sich einem Stau nähert, darf das Warnblinklicht kurz einschalten, um andere zu warnen. In engen Baustellenbereichen ist es häufig kaum möglich, die Rettungsgasse korrekt zu bilden. Wir empfehlen hier, mit genügend Abstand und versetzt zu fahren, um im Ernstfall in die rechte Spur einfädeln zu können. So kann der linke Fahrstreifen für die Rettungskräfte freigehalten werden.

Thomas Müther, vom ADAC Nordrhein zum Thema Rettungsgasse
Copyright: ADAC
Darf auch der Standstreifen benutzt werden?
Nein, grundsätzlich muss der Standstreifen frei bleiben, es sei denn, die Polizei fordert zum Befahren auf oder es besteht aus Platzgründen keine Möglichkeit, eine Rettungsgasse zu bilden, ohne den Standstreifen zu benutzen.
Gilt die Pflicht eine Rettungsgasse zu bilden auch im Ausland?
Vergleichbare Regeln zur Bildung einer Rettungsgasse gibt es auch in der Schweiz, in Belgien, Slowenien, Ungarn oder Tschechien. In Österreich ist die Bildung und das Freihalten einer Rettungsgasse im Verkehrsgesetz vorgeschrieben. In Frankreich und Spanien gibt es zwar keine Pflicht, allerdings müssen Einsatzfahrzeuge an den anderen Verkehrsteilnehmenden vorbeifahren können. Italien und die Niederlande haben keine Vorschriften zur Bildung einer Rettungsgasse.
Warum kommt es trotz der gesetzlichen Pflicht immer noch zu Problemen?
Weil nicht jeder Rückstau mit einem Unfall zusammenhängt, rechnen Autofahrende nicht gleich damit, dass eine Rettungsgasse unbedingt notwendig ist. Sie unterschätzen die Bedeutung. Das ist fatal, denn wenn es dann tatsächlich um einen Unfall geht, zählt jede Sekunde. Die Kenntnisse darüber, wie eine Rettungsgasse zu bilden ist, sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Das ist durchaus positiv. Das „Wann?“ ist eher noch ein Problem. Dass man präventiv, schon wenn der Verkehr ins Stocken gerät, eine Rettungsgasse bilden muss, ist manchen Fahrenden nicht klar oder es fehlt die Bereitschaft dazu. Die Folgen können schwerwiegend sein. Wenn die Fahrzeuge im Stau erst einmal dicht an dicht stehen, ist man nahezu manövrierunfähig und kann keine Gasse mehr bilden, wenn ein Rettungswagen von hinten heranfährt.
Muss in den Fahrschulen noch intensiver das Problem behandelt werden?
Die Fahrschulen gehen das Thema Rettungsgasse mit ihren Schülerinnen und Schülern intensiv durch, das ist auch für die Prüfungen relevant. Aus unserer Sicht sind nicht fehlende theoretische Kenntnisse das Problem, es hapert eher bei der Umsetzung in der Praxis. Das betrifft aber nicht nur die Gruppe der Fahranfängerinnen und Fahranfänger.
Wer haftet, wenn bei Bildung einer Rettungsgasse ein Unfall passiert?
Es kommt immer auf den Einzelfall an. Entscheidend ist, wer welchen Beitrag zum Unfall geleistet hat, also wo das individuelle Verschulden liegt. Das Bilden einer Rettungsgasse ist für einige Menschen eine Ausnahmesituation, die Stress verursachen kann. Deshalb muss man auch mit Fehlern anderer rechnen. Wenn alle frühzeitig die Rettungsgasse bilden, vorsichtig und vorausschauend fahren, dann sinkt das Risiko eines Unfalls deutlich.
Welche Strafe droht bei Missachtung der Bildung einer Rettungsgasse?
Wer keine Rettungsgasse bildet, dem drohen mindestens 200 Euro Bußgeld, zwei Punkte in Flensburg und ein Monat Fahrverbot. Bei einer zusätzlichen Behinderung, Gefährdung oder Sachbeschädigung steigt das Bußgeld auf bis zu 320 Euro an. Verkehrsteilnehmende, die die Rettungsgasse missbräuchlich befahren, müssen mit mindestens 240 Euro Bußgeld, zwei Punkten und einem Monat Fahrverbot rechnen. Nur die Polizei und Hilfsfahrzeuge wie Feuerwehr, Rettungswagen, Arzt- oder Abschleppfahrzeuge dürfen die Rettungsgasse befahren.