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RodungspläneBäume und vergessene Gräber in Frechen sind in Gefahr

Lesezeit 5 Minuten
Ein Gräberfeld mit acht Grabsteinen.

Offiziell weist nur das 2010 umrandete Gräberfeld auf die hier vor 80 Jahren verscharrten Toten hin .

Doch für eine eng an den Friedhofsrand angrenzende gesetzlich geschützte sowjetische Kriegsgräberanlage besteht „Ewigkeitsgarantie“.

Die Stadt Frechen benötigt dringend neuen Wohnraum, doch so einfach ist es nicht, immer noch geeignete Flächen zu finden. Auch für Königsdorf gibt es Pläne, neue Wohngebäude auf einem bislang landwirtschaftlich genutzten Areal im sogenannten Marienquartier, hinter dem Friedhof Königsdorf-Süd, zu errichten. Auf dem im städtischen Besitz befindlichen Gebiet soll eine mehrgeschossige Bebauung im und am Landschaftsschutzgebiet erfolgen, heißt es.

Doch das Problem ist dabei die Anbindung dieses Bereiches an die bestehende Infrastruktur. Um den Acker zu erreichen, sollen Zufahrten vom Marienhofer Weg aus gebaut werden. Wege gibt es bereits, doch das sind mehr Fußwege, also viel zu eng. Das größte Problem gibt es bei dem geplanten östlichen Zugang, der sich unmittelbar an die Westgrenze des Friedhofes anschließt.

Frechen: Friedhof verkleinern

Um hier Platz zu schaffen, müsste – da sich auf der westlichen Seite ein Wohnhaus befindet - auf der östlichen Straßenseite die Baumreihe auf dem Friedhof gerodet und der Friedhof als solcher verkleinert werden. Und da fangen die Probleme an, denn hier gibt es eine eng an den Friedhofsrand angrenzende gesetzliche geschützte sowjetische Kriegsgräberanlage, für die eine sogenannte „Ewigkeitsgarantie“ besteht.

Auch außerhalb der Einfriedung liegt eine unbekannte Reihe von Gräbern russischer Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener, die dem Ausbau im Wege stehen würden. Nach Augenzeugenberichten aus den Nachkriegsjahren sollen die russischen und anderen ausländischen Toten beiderlei Geschlechts nicht nur an der Stelle beigesetzt worden sein, wo sich die offiziell benannten Grabplatten befinden. Es wird vermutet, dass eine unbekannte Anzahl Verstorbener in Massengräbern entlang der heutigen Friedhofsgrenze verscharrt wurden.

Frechen: 70 Bäume müssten gefällt werden

Genaue Erinnerungen oder Aufzeichnungen darüber existieren aber nicht mehr, ebenso fehlen exakte Daten über die damalige Abgrenzung des Gräberfeldes. Befürchtet wird nun, dass bei einem Straßenbau am Westrand des Friedhofes rund 70 Bäume gefällt werden müssen, wogegen sich bereits Proteste erhoben haben. An vielen Bäumen dort hängen Namen von Baumpaten, die für den Erhalt der Bepflanzung nicht nur aus Klimagrünen plädieren.

Des Weiteren ist zu befürchten, dass beim Roden der Bäume durch das weitverzweigte Wurzelwerk und beim Aushub für den Straßenunterbau unbekannte Gräberflächen aufgerissen und zerstört werden. Bei einem kürzlich erfolgten Termin vor Ort, an dem neben einigen Vertretern von SPD und FDP sowie Königsdorfer Bürgern auch Wolfgang Held, Beauftragter des Volksbundes für Kriegsgräberfürsorge in NRW, teilnahmen, wies der Historiker Professor Dr. Paul Stelkens darauf hin, dass nach seinen Informationen nur „das umrandete Pflanzbeet auf der Anlage als relevante Fläche des Gräberfeldes“ vermessen worden sein soll.

Frechen: Anwohner lehnen Entfernen der Bäume ab

Stelkens weiter: „Nach meinem Wissen ist die so vermessene Fläche des jederzeit veränderbaren Pflanzbeetes keinesfalls die gesetzlich geschützte Fläche. Das gesetzlich geschützte Gräberfeld dürfte unbeschadet des heutigen Baumbestandes bis an die Westgrenze des Friedhofs reichen. Möglicherweise reicht es, wie früher erörtert, auch noch weiter nach Süden. Das Pflanzbeet mit seiner Umrandung wurde erst im November 2010 bei der Neuanlage auf, nicht um das Gräberfeld angelegt. Ebenso wenig sagt die Lage der elf erst 1952 verlegten Namensplatten etwas über die Zahl und Lage der verscharrten Kriegsgefangenen aus. Bei der Neuanlage wurde aus Kostengründen eine diesbezügliche klärende Untersuchung unterlassen.“

Bei dem Treffen, so Tilo Frank, Anwohner und Initiator des Treffens, wurde klar, dass die Darstellung des Vermessers falsch ist, da sie nur die sichtbare Lage der Grabstätten berücksichtigt. Denn die exakte Ausdehnung der Stelle, wo Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter verscharrt wurden, ist ebenso unklar wie die Zahl der Personen. Der Ortstermin ergab, dass im Vorfeld der Bebauungsplanungen Probegrabungen oder -bohrungen unzulässig sind.

Hierdurch könnte die Totenruhe gestört sein
Thilo Frank, Anwohner

Frank: „Schon das Entfernen der Bäume ist abzulehnen, da die Bäume zu nah an beziehungsweise auf den Gräbern stehen. Hierdurch könnte die Totenruhe gestört sein. Es ist zu bezweifeln, dass eine Fällung die Grabstätten unangetastet lässt. Keiner der Bäume macht einen ungesunden Eindruck, sodass auch das Argument der Standsicherheit entfällt.“

Die Stadtverwaltung, die bei dem Treffen in der vergangenen Woche nicht vertreten, war, stellt dazu auf Nachfrage unserer Redaktion fest, „dass es noch kein Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans und auch keinen Antrag zur Bebauung der Grundstücke gibt. Der aktuelle Planungsstand ist der, dass wir in der so genannten Sach- und Grundlagenermittlung sind. Der zuständige Ausschuss für Stadtplanung und Strukturwandel hat uns als Verwaltung mit einer umfassenderen Informationssammlung und der Vergabe von Gutachten beauftragt. Dies ist deutlich mehr, als zu diesem Zeitpunkt in einer gleichartigen Planungsmaßnahme üblich ist.“

Wie es weiter heißt, wird neben der Thematik der Umwelt und Landschaft, der Erschließung und Entwässerung, auch der Bestand und die historische Umgebung ihren gleichberechtigten Platz in der Grundlagensammlung und bei der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange haben. An diesem Punkt sei man jedoch noch nicht. Gleiches gilt für die zweistufige Bürgerbeteiligung. Diese erfolgt, wenn der Fachausschuss die Einleitung beschließt.

Allen Anwohnerinnen und Anwohnern sowie interessierten Bürgerinnen und Bürgern ist dann die Möglichkeit gegen, ihre Interessen einzubringen. Speziell zu den Grabstellen heißt es in der Stellungnahme: „Im Hinblick auf die Grabstellen haben wir durchaus nachvollziehbare Hinweise erhalten, die wir in der angemessenen Art und Gewichtung zur Kenntnis nehmen und im Verfahren berücksichtigen.“