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GeflüchtetenunterkunftSyrer in Kerpen getötet – Stadt beauftragte 2024 Security

Lesezeit 4 Minuten
Das Bild zeigt einige Container einer Flüchtlingsunterkunft.

In der Flüchtlingsunterkunft in Kerpen ist am Sonntag ein 29-jähriger Syrer getötet aufgefunden worden.

Der 29-Jährige habe seinen Bekannten zufolge gerade erst die deutschen Papiere erhalten und wollte seine Mutter in Syrien besuchen.

Nachdem am Sonntag (13. April) ein 29-jähriger Syrer in der Unterkunft für Geflüchtete an der Bruchhöhe in Kerpen-Sindorf tot aufgefunden wurde, ruft der Deutsch-Arabische Kulturverein Horrem nun zu Spenden auf, um den Leichnam nach Syrien zu überführen. Das erfuhr die Redaktion vom Vorsitzenden des Vereins, Mohamed Arma.

Die Mutter habe den Sohn demnach seit 15 Jahren nicht mehr gesehen. Dem Verein zufolge hat der 29-Jährige erst kürzlich seinen deutschen Pass erhalten und wollte daraufhin seine Mutter besuchen. „Für unsere Gemeinde ist es tragisch, dass dieser junge Mann gestorben ist. Viele Mitglieder kannten ihn. Nun hatte er gerade erst die bürokratischen Möglichkeiten, seine Mutter nach so langer Zeit zu besuchen und ist dann leider verstorben“, berichtet Arma.

Kerpen: Toter betete zu Lebzeiten häufig in der Moschee in Horrem

Der Tote, der Opfer eines Gewaltverbrechens wurde, habe zu Lebzeiten häufig in der Moschee in Horrem gebetet. Wie häufig, sei jedoch nicht erfasst worden. Der Verein habe zudem erfahren, dass der 29-Jährige nahezu mittellos sei und keine lebenden Verwandten in Deutschland besitze. „Wir haben daher den Spendenaufruf gestartet, weil wir so einen kleinen Beitrag leisten wollen, damit die Mutter ihren Sohn wenigstens nach dem Tod noch einmal sehen kann“, erläutert Arma.

Wie schnell der Leichnam überführt werden könne, sei derzeit aber unsicher, erklärt er. Denn die Ermittlungen dauern noch an. Ein Gewaltverbrechen gilt als wahrscheinlich. Der 29-Jährige wurde vom Security-Personal in seinen Räumen in der Unterkunft mit aufgeschnittener Kehle aufgefunden.

Stadt Kerpen will sich vorerst nicht zu der Tat äußern

Die Stadt Kerpen äußert sich am Dienstag nach der Tat nicht zu den weiteren Umständen und erteilt auch keine Auskunft zu den Gegebenheiten vor Ort in der Flüchtlingsunterkunft. „Die Kollegen werden den Antwortentwurf mit den polizeilichen Ermittlungsbehörden abstimmen, um die laufenden Ermittlungen nicht zu gefährden“, teilte Sabine Schüller aus dem Bürgermeisterbüro mit. Die Redaktion stellte etwa Fragen zur Herkunft der Menschen in der Einrichtung, zur demografischen Zusammensetzung und zu möglichen Konsequenzen, die die Stadt aus dem Vorfall ziehen will.

Eine Anfrage bei der Polizei nach Präventivmaßnahmen an der Unterkunft verweist die Behörde an den Betreiber der Unterkunft, also an die Stadt Kerpen. „Die örtlich zuständigen Polizistinnen und Polizisten sind über den Vorfall informiert. Neben den zuständigen Bezirksdienstbeamten, die dort in regelmäßigen Abständen präsent sind, bestreifen auch die Beamtinnen und Beamten des Wach- und Wechseldienstes das Umfeld der kommunalen Unterbringungseinrichtung“, so die Polizei.

Der Sindorfer Ortsvorsteher Hans-Jürgen Bröcker (SPD) zeigte sich erschüttert über den Tod des jungen Syrers: „Das ist eine sehr traurige Geschichte. Leider sind in der Bruchhöhe sehr viele Menschen unterschiedlicher Nationen untergebracht.“ Dies fördere Streit unter den Bewohnern, führt er aus: „Ich bin eher ein Befürworter dezentraler Lösungen und dass man darauf achtet, Menschen miteinander unterzubringen, die zueinander passen.“ Leider sei das finanziell nicht immer umsetzbar. Er bedauere zudem, dass der Sicherheitsdienst den Mann nicht früher gefunden oder die Tat nicht selbst bemerkt habe.

Ortsvorsteher entsetzt über Hasskommentare im Netz

Besonders entsetzt hätten ihn die Reaktionen in den Sozialen Netzwerken, führt Bröcker aus: „Was ich absolut nicht nachvollziehen kann, sind Hasskommentare im Netz. In der Vergangenheit waren durchaus auch viele Deutsche auf der Flucht. Das sollten wir heute, wenn es umgekehrt ist, nicht vergessen.“

Zu Konflikten kam es in der Unterkunft für Geflüchtete bereits in der Vergangenheit. So hatte der Stadtrat 2024 beschlossen, einen Sicherheitsdienst in der Bruchhöhe einzusetzen. Dies hatte zuvor die städtische Verwaltung gefordert.

Konflikte: Viele Menschen mit kulturellen Unterschieden

Die zum damaligen Zeitpunkt (Stand August 2024) noch 276 Bewohner der Flüchtlingsunterkunft hätten verschiedene kulturelle und religiöse Hintergründe, hieß es damals von der Stadt. So träfen dort etwa Muslime auf Christen, Alleinreisende auf Familien oder auch Ukrainer auf russische Spätaussiedler. Mittlerweile leben in der Unterkunft 262 Menschen.

Zu Konflikten führe es etwa, wenn Mitarbeiter der Ausländerbehörde Entscheidungen zur Belegung träfen und dies bei „Bewohnern häufig auf Unverständnis und Verweigerung“ stoße, hieß es in der Vergangenheit weiter: Die hohe Zahl an Bewohnern auf engem Raum stelle zudem ein „ein enormes Sicherheitsrisiko dar“. Bewohner lebten ihre Konflikte gegeneinander offen aus. Aber auch die Mitarbeitenden, die die Belegung umsetzen müssen, würden dadurch gefährdet.

Die Einrichtung an der Bruchhöhe ist derzeit die größte der Stadt. Künftig soll es aber eine deutlich größere Flüchtlingsunterkunft an der Humboldtstraße geben. Diese Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) wird im Gegensatz zur Einrichtung an der Bruchhöhe aber vom Land finanziert und soll 700 Menschen eine zeitweise Unterkunft bieten.