Der einzige Tennisprofi im Kreis ist John Sperle: Er berichtet über seinen Weg an die Spitze und seine großen Ziele
TennisMentale Stärke als Schlüssel zum Erfolg

Den kleinen Filzball immer fest im Blick hat der Brauweiler John Sperle.
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Er steht jede Woche mindestens 25 Stunden auf dem Tennisplatz, hat europaweit bereits in fast jedem Land Tennis gespielt, dabei Erfolge gefeiert und Niederlagen einstecken müssen: Der in Brauweiler lebende John Sperle steht auf Platz 630 der ATP-Weltrangliste und arbeitet hart an seinem Traum vom Tennisprofi.
Der 23-Jährige investiert viel Zeit in seine Leidenschaft, trainiert zweimal täglich. Zusätzlich schiebt er Einheiten im Kraftraum, um das Motto vom „Hobby zum Beruf“ weiterzuleben. Bis zu seinem 13. Geburtstag war der gebürtige Frechener auf zwei Plätzen in Brauweiler aktiv, sowohl auf dem Fußballplatz bei Grün-Weiß, als auch auf den Tennisplätzen des TTC Brauweiler. Dann musste er sich jedoch entscheiden.
Mehr Lust auf den Court
„Es war eine schwere Entscheidung, aber ich hatte schon mehr Bock auf Tennis“, sagt er. Dies ist nicht verwunderlich, denn sein Talent wurde schon früh entdeckt und gefördert. Bereits mit sieben Jahren trainierte er nicht nur in seinem Heimatverein, sondern auch im Bezirkstraining, gemeinsam mit den ausgewählten Talenten der Region.
Mit elf Jahren erhielt er zusätzlich Privattraining in der MKG-Akademie in Köln-Rondorf, der Tennisschule des ehemaligen Tennisprofis und Davis-Cup-Siegers Marc-Kevin Goellner. Mit fortlaufendem Alter spielte er nicht nur immer mehr, sondern gewann auch immer häufiger. Ab dem 14. Lebensjahr trainierte er nur noch mit dem einstigen Tennisprofi Goellner und mit 16 Jahren zählte er zu den fünf besten Spielern seines Jahrgangs.
Bei den Deutschen Meisterschaften schaffte er es bis ins Halbfinale. Um sein Ziel vom Profi zu verwirklichen, opferte und investierte er schon während der Schule viel Zeit, stets unterstützt von seinen Eltern. Er trainierte viermal pro Woche, einmal sogar vor der Schule.
Erster Rückschlag
„Ich musste nicht immer am Sportunterricht teilnehmen und konnte teilweise auch ganze Stunden ausfallen lassen“, erklärt Sperle. Mit 18 Jahren erlitt er jedoch einen herben Rückschlag: Rückenprobleme stoppten ihn und warfen ihn zurück. Für ein Jahr konnte er kein Turnier spielen. Dies war für ihn mental keine einfache Zeit: „Dann waren die Tage auf einmal länger und du wusstest nicht, was du mit dir anfangen solltest. In der Zeit haben mir vor allem meine Freunde echt geholfen.“
Zeitgleich absolvierte er sein Abitur und trieb seine Karriereplanungen weiter voran. Danach war für ihn auch ein Stipendium in den USA eine ernsthafte Option. „Ich habe mit vielen Colleges gequatscht, habe aber mit meinem Trainer und meiner Familie entschieden, dass ich hier einfach die besten Trainingsbedingungen habe.“
Karriereschub nach Rückkehr
Nach seinem Comeback im Sommer 2020 und mit dem Abitur in der Tasche wollte er so richtig loslegen. „Von da an konnte ich es mir selber finanzieren, an internationalen Turnieren teilzunehmen. Ich wollte einfach schauen, was so geht.“ Seitdem sammelt er Weltranglistenpunkte, unter anderem mit dem Gewinn eines nationalen Turniers 2022 in Hamburg, das zu den hochwertigeren Turnieren im nationalen Vergleich zählt.
Lohn war eine Wildcard für ein Challenger Turnier in Hamburg, einem hochrangig international besetzten Turnier, wo er in der ersten Runde der Qualifikation, damals noch als 1400. der Welt, auf die Nummer 320 traf. „Es war das Spiel meines Lebens, ich habe richtig gut gespielt“, erinnert sich Sperle. Nach 3:30 Stunden entschied er das intensive Spiel für sich. „Wegen so engen Matches spiele ich Tennis. Ich mag es, wenn Matches lange dauern“, erläutert Sperle, der aufgrund dieser Mentalität oftmals als „Wühlmaus“ bezeichnet wird.
Kleinigkeiten können entscheiden
Zu seinen Erfolgen zählen unter anderem Finalteilnahmen bei ITF-Turnieren im Einzel, aber auch bereits sechs ITF-Titel im Doppel. Im Tennissport entscheidet nicht nur die Schlagtechnik oder die körperliche Fitness über Sieg oder Niederlage – vor allem die mentale Stärke ist ein entscheidender Faktor. Gerade auf hohem Niveau sind es meistens Nuancen, die den Unterschied machen. „Du entscheidest, ob du gewinnst oder nicht. Es kommt darauf an, wer cooler und ruhiger bleibt“, sagt er.
Seit 2023 hat der Pulheimer deshalb einen festen Mentaltrainer. Alle zwei bis drei Wochen spielt er Turniere im Ausland und ist selten zu Hause: „Ich freue mich, auch mal meine Familie zu sehen. Man unterschätzt oft, dass ich fast das ganze Jahr über alleine unterwegs bin.“ Desto mehr freut er sich auf die Mannschaftsspiele.
French Open sind das Ziel
In Deutschland spielt er für den Marienburger SC in der 2. Bundesliga, in Italien für den TC Alba und in Österreich für den TC Hard. „Die Vereine übernehmen alle anfallenden Kosten. Wenn ich Einzelturniere spiele, muss ich so gut wie alles aus eigener Tasche bezahlen“, sagt der 23-Jährige.
Neben dem Tennisplatz kämpft er auch im Studium um Punkte und absolviert ein Fernstudium an der Fernuniversität Hagen. Seit Januar ist das aufstrebende Talent oft in der Türkei, weil dort bereits frühzeitig Turniere auf Sandplatzbelag gespielt wurden – dem Lieblingsuntergrund des Linkshänders, der eines Tages seinem Idol Rafael Nadal nacheifern möchte und Großes vorhat: „Mein Ziel ist es, bei den Grand Slams mitzuspielen. Am liebsten bei den French Open.“