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Zweiter WeltkriegÖffnete sich der Fallschirm nicht?

Lesezeit 4 Minuten

Absturzstelle des US-Bombers auf der heutigen Franz-Lenders-Straße in Frechen-Königsdorf.

Rhein-Erft-Kreis – Der Artikel, der fast 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im „Kölner Stadt-Anzeiger“ erschienen ist, hat viele Leser berührt. Eine Welle der Empörung schlug dem aus Oberaußem stammenden Willi Weiss vor einigen Monaten entgegen, der mit seinen Forschungsergebnissen an die Öffentlichkeit gegangen war: Bei seinen Recherchen zu seinem Buch über den „Luftangriff auf Köln am 15. Oktober 1944“ war Weiss auf die Aussagen einer US-Bomberbesatzung gestoßen, laut denen ihr Kamerad, Co-Pilot Roy Wendell Duncan, nach seinem Absprung aus der trudelnden Maschine bei Brauweiler von Zivilisten erschlagen worden sein soll.

Die Soldaten hätten Duncans Leiche gesehen, zum Zweck der Identifizierung. Die schweren Verletzungen am Kopf hätten eine deutliche Sprache gesprochen. Was die These zu stützen schien: Duncans Leichnam war verschwunden, sein Grab auf dem Friedhof in Geyen ließ sich nicht auffinden. War der Vorfall vertuscht worden, um die Täter zu schützen?

„Das kann ich mir nicht vorstellen“ – „So etwas hätte sich doch herumgesprochen“ – „Infame Lüge“: Die Reaktionen unserer Leser waren teils heftig. Es meldeten sich auch viele Zeitzeugen, die zwar von drohenden Übergriffen auf notgelandete oder abgesprungene Piloten berichteten, aber auch von deutschen Zivilisten und Soldaten, die sich schützend vor die in Feindesland heruntergekommenen Alliierten stellten.

Nun hat Weiss seine Recherchen zum Fall Duncan beendet und das Buch über den verheerenden Luftangriff auf Köln veröffentlicht. Endgültige Klarheit über Duncans Schicksal hat der Autor, der nun in Österreich lebt, nicht schaffen können. Ob Duncan erschlagen wurde? Weiss: „Trotz intensiver Nachforschungen konnte dies nicht zweifelsfrei belegt werden.“

Was Weiss jedoch gelang: Er hat Duncans Grab gefunden. Im März 1946 sei der junge Texaner von Geyen nach Belgien umgebettet worden, auf den Soldatenfriedhof für US-Soldaten in Neuville-en-Condroz. Wieso die Familie nicht über die Umbettung unterrichtet wurde, ist nicht bekannt. „Die Familie war sehr überrascht, dass ein Deutscher, ein ehemaliger Feind also, ihnen hier absolute Klarheit verschafft hat.“ Den Verwandten gehe es nun besser, da sie wüssten, wo Duncan begraben sei. Bisher habe es lediglich einen Grabstein in Duncans Heimat in Texas gegeben mit der Inschrift „Lost over Cologne“, vermisst über Köln.

Bei der Suche in Archiven stieß Weiss auf eine Skelettzeichnung von Duncans Leichnam, erstellt von US-Amerikanern im Zuge der Umbettung. „Diese zeigt eine erhebliche Zerstörung der linken Körperhälfte, des Schädels und der Schädeldecke“, sagt Weiss. Als Todesursache nennt der Bericht: „Parachute failed to open“ – der Fallschirm habe sich nicht geöffnet. Als Quelle wird der Bürgermeister von Geyen genannt.

Diese Darstellung deckt sich mit den Beobachtungen von Sofia Czaja, die damals Hausmädchen im Pfarrhaus in Geyen war und am Vormittag des 15. Oktober 1944 als Rot-Kreuz-Helferin aufs Feld eilte, weil dort ein Fallschirmspringer heruntergekommen sei. Aber jede Hilfe kam zu spät, der Mann war bereits tot, berichtete Czaja vor einigen Monaten dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Sie zeigte sich sicher: „Der Fallschirm des Soldaten hatte sich nicht geöffnet, niemand hat ihm etwas angetan.“ Der Tote sei auf dem Geyener Friedhof beigesetzt worden, gleich neben dem Kriegerdenkmal. Sonst sei kein nichtdeutscher Soldat in Geyen begraben worden.

Einziger US-Soldat in Geyen

Und der einzige Soldat, der auf dem Friedhof Geyen beerdigt wurde, hieß Roy Duncan. Das ist das Ergebnis einer Recherche des Königsdorfer Juristen Professor Paul Stekens in der Geyener Pfarrgemeinde. Stelkens hat den Absturz des Bombers in Königsdorf, bei dem sechs Zivilisten getötet worden waren, ebenfalls untersucht. Nach Angaben des Pfarrarchivars Rolf Niessen sei Duncan nach dem Krieg „nach auswärts umgebettet“ worden. Dienstgrad, Geburts- und Todesdatum im Sterbebuch der Pfarrgemeinde St. Cornelius stimmen mit Weiss´ Informationen über Duncan überein, lediglich der zweite Vorname ist mit „Will.“ vermutlich falsch abgeschrieben. Stelkens veröffentlicht seine Ergebnisse über die Folgen des Luftangriffs aus Königsdorfer, Brauweiler und Geyener Sicht im November in den Pulheimer Beiträgen zur Geschichte.

Es bleiben einige Widersprüche und Ungereimtheiten. So konnten Weiss’ Recherchen einige Schilderungen von Czaja nicht bestätigen, etwa den großen Ring mit rotem Stein, den sie an der Hand des Toten gesehen haben will. Laut der noch lebenden Verwandten habe Duncan einen solchen Ring aber nicht besessen.Auch ist nicht klar, warum Duncan laut seiner Kameraden bei Brauweiler erschlagen worden sein soll. Vielleicht wurde einfach der Fundort mit jener Wehrmachtstellung in Brauweiler verwechselt, die den Toten meldete.

Das Buch „Der Luftangriff auf Köln am 15. Oktober 1944 – Absturz zweier Boeing B-17 Flying Fortress (Fliegende Festung) bei Königsdorf und Frechen“ von Willi Weiss ist im Helios-Verlag erschienen und kostet 25,80 Euro. Es ist auch bei Schreibwaren Weck in Oberaußem erhältlich.