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Stadt mit zwei GesichternSchwere Vorwürfe gegen das wohlhabende Bonn

Lesezeit 3 Minuten
21.02.2024 Bonn. Die Sternstraße in Bonn. Der Großteil der Einzelhandelsgeschäfte in der Bonner Innenstadt ist auf wenige Einkaufsstaßen konzentriert.Foto: Alexander Schwaiger

Menschen in der Shoppingmeile in der Bonner Innenstadt.

Die generell positive wirtschaftliche Lage Bonns führt ein zweischneidiges Schwert mit sich.

„Bonn geht es gut.“ Mit dieser erbaulichen Aussage beginnt der Sozialbericht zur Lage der Stadt Bonn 2025. Die Zahl der Beschäftigten steigt, vor allem der Anteil der besonders hoch qualifizierten Akademikerinnen und Akademiker liegt in Bonn bei 34,8 Prozent und damit weit über dem NRW- und Bundesdurchschnitt. Auch die Zahl der Einkommensmillionäre ist hoch.

Anlass zum Feiern gebe es in Bonn aber nur für einen Teil der Bewohnerinnen und Bewohner. Denn die soziale Schere gehe immer weiter auseinander, so die beiden Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonisches Werk, welche die Studie in Auftrag gegeben haben. So erklärt auch der Titel „Bonn – teures Pflaster“.

Stadt Bonn und ihre zwei Gesichter

Die Stadt habe zwei Gesichter: „Ein wohlhabendes Bonn mit finanziell gut aufgestellten Personen auf der einen Seite, auf der anderen Seite eine Stadt Bonn, in der ein nicht unerheblicher Anteil der Einwohnerinnen und Einwohner von Armut betroffen oder armutsgefährdet ist.“

Die soziale Kluft habe sich in den vergangenen Jahren in Bonn trotz insgesamt positiver wirtschaftlicher Entwicklungen weiter vertieft, so das Ergebnis der Studie. Auffällig sei der soziale Unterschied vor allem zu den Stadtteilen im Bonner Norden, wo viele Menschen als arm gelten.

Besonders der Fokus auf die auseinanderdriftenden Teilhabemöglichkeiten in den verschiedenen Stadtbezirken stimme besorgniserregend. In Bonn werden demnach ärmere Menschen in vielen Lebensbereichen benachteiligt und von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen.

Wirtschaftlicher Aufschwung in Bonn nur für einen Teil der Gesellschaft

Von dem wirtschaftlichen Aufschwung in Bonn profitierten überwiegend die einkommensstärkeren Stadtbereiche. In den schwächeren Bereichen seien hingegen viele Menschen gezwungen, den größten Teil ihres verfügbaren Einkommens für den Lebensunterhalt auszugeben. Dazu gehört Nahrung, aber auch etwa Mieten und Strom – Dinge, die auch am stärksten von der Inflation betroffen sind.

Stadtteile mit den geringsten Teilhabechancen sind der Studie zufolge Neu-Tannenbusch und Auerberg sowie Dransdorf und Medinghoven. In den Bonner Stadtteilen Südstadt und Ippendorf bieten sich hingegen die höchsten Teilhabemöglichkeiten.

Menschen leben laut Studie nicht in „der Stadt“ Bonn

Untersucht wurden insgesamt 62 statistische Bezirke. Dabei sei klar geworden, die Menschen leben nicht in „der Stadt“, sondern in ihrem Viertel oder Quartier. Betrachte man diese kleinräumigen Gebietseinheiten mit dem speziell entwickelten Teilhabeindex, würden große Unterschiede deutlich, so Caritas und Diakonisches Hilfswerk.

„Die Indexwerte in den statistischen Bezirken bewegen sich zwischen 97,88 Punkten (Bonner Talviertel) und 28,44 Punkten (Neu-Tannenbusch). Die Spannweite liegt damit bei 69,44 Punkten, was einem erheblichen Unterschied hinsichtlich der sozialen Teilhabemöglichkeiten entspricht“, heißt es in dem Sozialbericht vom Montag (7. April).

Problemlagen verstärken sich gegenseitig – Appell an die Stadt

Eine wichtige Erkenntnis der Studie sei es, dass die Problemlagen das Potenzial hätten, sich gegenseitig zu verstärken. So werde der massive Problemdruck durch den Mangel an bezahlbarem, angemessenem Wohnraum deutlich erhöht durch Effekte wie Verschuldung, steigende Energiekosten und geringere Kaufkraft.

Für Caritasdirektor Jean-Pierre Schneider muss dieser Sozialbericht klare Konsequenzen haben: „Gerade jetzt, vor der anstehenden Kommunalwahl, müssen alle Parteien erklären, wie sie sich eine fairere und solidarische Stadt vorstellen. Wir erwarten, dass sich alle Parteien mit den Fakten des Sozialberichts auseinandersetzen und den Bürgerinnen und Bürgern klar und deutlich sagen, was sie für eine gerechtere Stadt Bonn tun werden.“