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Opfer unter DruckHennefer Koch für Macheten-Angriff doch noch verurteilt

Lesezeit 4 Minuten
Ein Internethändler führt in seinem Versandkeller eine Machete vor.

Mit einer solchen Machete ging der Koch aus Hennef auf seine Stiefsöhne los. (Symbolbild)

In U-Haft wegen Totschlags: Ein 34-Jähriger erhielt dafür 5700 Euro Entschädigung.

Zunächst sah es so aus, als ob eine massive Gewalttat im Familienkreis nicht geahndet wird. Nun aber verurteilte das Schöffengericht einen 34-Jährigen aus Hennef, der seine Stiefsöhne im heimischen Wohnzimmer mit einer Machete angegriffen und ein Blutbad angerichtet hatte. Die jungen Männer hatten sich trotz des Drucks der Verwandten Monate nach der Tat dazu entschieden, den Ehemann ihrer Mutter doch noch anzuzeigen.

Der Koch, nach dem Angriff in der Nacht zum 8. Januar 2023 wegen Verdachts auf versuchten Totschlags inhaftiert, war da schon aus dem Gefängnis entlassen gewesen. Die Staatsanwaltschaft hatte das Verfahren wegen unklarer Beweislage eingestellt. Weder seine Gattin, Mutter von sechs Kindern, davon drei aus erster Ehe mit ihrem 2008 im Irak verstorbenen Mann, hatte gegen den Täter aussagen wollen, noch die Stiefsöhne, zur Tatzeit 19 und 23 Jahre alt.

Die Brüder aus Hennef waren von der Familie unter Druck gesetzt worden

In einer schriftlichen, von einer Anwältin noch am Tattag verfassten Erklärung hatten sie sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen, der Stiefvater sei ein Cousin der Mutter und somit ein Verwandter. Diesen Schrieb hätten sie unter Zwang unterschrieben, sagten die Brüder im Zeugenstand. Die Behauptung sein unwahr, sie stammten aus dem Irak, der Stiefvater aus Syrien.   

Der Angeklagte hatte für die rund zweieinhalb Monate hinter Gittern da schon 5700 Euro Haftentschädigung erhalten, 75 Euro für 76 Tage. Zu Recht, betonte seine Strafverteidigerin. Erst durch die Anzeige des älteren Bruders, der schwere Handverletzungen erlitten hatte, kam das Verfahren wieder in Gang. Der 25-Jährige kann trotz Operationen und Therapien bis heute seine Arbeit als Taxifahrer nicht mehr ausüben und lebt vom Bürgergeld.   

Siegburger Richter erließ Haftbefehl gegen den Koch

Der Angeklagte wurde in Fußfesseln in den Gerichtssaal geführt. Er saß seit Anfang April in Untersuchungshaft. Zum ersten Prozesstermin war er nicht erschienen, er wohnte nicht mehr in der Hennefer Familienwohnung, eine Meldeadresse lag nicht vor. Der Richter erließ Haftbefehl, einige Wochen später ging der Koch ins Netz.

Auch der Aufenthaltsort seiner Frau ist den Behörden nicht bekannt, sie soll laut Aussage der Söhne mit vier Kindern in Belgien leben. Man habe keinen Kontakt. „Sie hat zu viel Angst vor dem Mann“, sagte der jüngere Bruder. Auch er habe große Angst, der Koch sei mehrfach an seiner Arbeitsstelle aufgetaucht, er habe nicht mehr dorthin gehen können und so zwei Jobs verloren. Er habe bis heute schlimme Schlafstörungen und befürchte, auch seine aktuelle Stelle als Lagerist zu verlieren.      

Wenn das Opfer dauerhaft arbeitsunfähig bleibt, zahlen Sie!
Der Vorsitzende Richter Ulrich Wilbrand im Prozess gegen den 34-Jährigen

Der Anlass für den Machetenangriff erschien im Prozess vergleichsweise nichtig. Das Paar hatte sich in der Nacht wieder einmal gestritten, über Alltäglichkeiten, wer die Arbeit im Haushalt übernimmt, Einkäufe, Termine mit den Kindern, sagte der Angeklagte.

Die Söhne hätten sich eingemischt, er habe die Machete aus dem Schlafzimmer geholt. Die jungen Männer versuchten, sich mit den Armen und einem metallenen Tischgestell vor den Hieben gegen Kopf und Oberkörper zu schützen. Auch der Angreifer erlitt in dem Tumult Verletzungen, die im Krankenhaus behandelt wurden.

Woher die Machete stammte, dazu machte der Angeklagte keine Aussagen. Er legte aber ein vollumfängliches Geständnis ab und erklärte sich darüber hinaus bereit, dem älteren Stiefsohn ein Schmerzensgeld von 5000 Euro zu bezahlen. Zudem für alle weiteren Kosten als Folge seiner Tat aufzukommen.

Das könnte sich summieren, sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Wilbrand: Die Krankenversicherung werde ihn in Regress nehmen, „und wenn das Opfer dauerhaft arbeitsunfähig bleibt, zahlen Sie!“ Auch die Kosten der Nebenklage und des Verfahrens trägt der Koch.   

Ins Gefängnis muss der Mann, trotz laut Staatsanwältin „hoher Aggressivität“, nicht mehr. Das Schöffengericht verurteilte ihn zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden können. Er habe mittlerweile einen festen Wohnsitz und eine Arbeitsstelle in Aussicht. Zudem seien „die Familienbande gelöst“.

Ihr Mandant wolle in Deutschland bleiben, sagte seine Verteidigerin. Ob er in seine Heimat abgeschoben wird, darüber entscheidet das Ausländeramt.