Das Bonner Landgericht muss prüfen: War die brutale Attacke eines 20-Jährigen während des Maifests in Lülsdorf vielleicht doch ein Tötungsversuch?
Tötungsvorsatz?20-Jähriger soll Niederkasseler homophob beleidigt und zusammengeschlagen haben

Paragrafen-Symbole sind an Türgriffen am Eingang zum Bonner Landgericht angebracht.
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Der junge Zeuge sitzt nervös auf seinem Platz vor der Richterbank, wippt mit den Füßen, ringt die Hände, kratzt sich wiederholt den Nacken: Erneut muss er über ein Ereignis berichten, das sein Leben brutal verändert hat. Am Abend des 1. Mai 2025 soll er in Niederkassel-Lülsdorf zusammengeschlagen worden sein – und zwar nur, weil er homosexuell sein soll.
Verdächtig ist ein 20-Jähriger aus Niederkassel, dem die Staatsanwaltschaft gemeinschaftliche Körperverletzung vorwirft. Der Fall war zunächst beim Amtsgericht Siegburg angeklagt gewesen. Aber der Amtsrichter fand die Attacke so gravierend, dass er einen Tötungsvorsatz nicht ausschließen wollte, und reichte die Akten an die nächsthöhere Instanz – das Bonner Landgericht – weiter. So musste der heute 22-jährige Zeuge jetzt seine Aussage vor einer Jugendkammer wiederholen.
Jugendlicher beschimpfte Niederkasseler mit homophoben Äußerungen
Nach seinen Angaben war er am Abend des 1. Mai 2025 mit Freunden auf dem Maifest in Lülsdorf unterwegs gewesen, wo sie getrunken und plaudernd auf einer Mauer gesessen hätten, als plötzlich ein Jugendlicher aus einer anderen Gruppe feindselig und verächtlich auf ihn zukam, sich über seine angebliche Homosexualität echauffierte und ihn mit homophoben Äußerungen beschimpfte. Sodann soll er ihm zwei wuchtige Backpfeifen versetzt haben.
Laut Staatsanwaltschaft war es der Angeklagte, der dem etwas Älteren ins Gesicht geschlagen und dann gesagt habe, er müsse „heute jemanden boxen“.
Aggressive Gruppe verfolgte das Opfer und seine Freunde
Die Gruppe um den Zeugen floh daraufhin in Richtung einer Bushaltestelle am Kreisverkehr von Rheinstraße/Lenaustraße, wurde aber von den anderen verfolgt. In der Nähe einer Bäckerei soll der 20-Jährige dem Opfer schließlich so fest in den Rücken getreten haben, dass es zu Boden stürzte. Dann soll er den Wehrlosen, der seinen Kopf mit den Armen schützte, weiter geschlagen und „in schneller Abfolge“ getreten haben. Dreimal soll er den Kopf getroffen und ihn erneut wegen seiner angeblichen sexuellen Orientierung beschimpft haben.
Der Angeklagte, so berichtete es der Zeuge, habe erst von ihm abgelassen, als ein Paar zu Hilfe gekommen sei und Polizei und Rettungswagen gerufen habe. Der Verletzte wurde mit einer Schädelprellung sowie Schürf- und Platzwunden ins Krankenhaus gebracht. Drei Wochen lang war er krankgeschrieben. Ihn überfällt, wie er sagt, heute noch die Panik, wenn er draußen einer Gruppe Menschen begegnet.
Gericht will in dem Fall noch sechs weitere Zeugen anhören
Der Angeklagte erklärte lediglich, er sei an jenem Abend „mehr als angetrunken“ gewesen. Ja, er habe den 22-Jährigen mit der Faust gegen die Wange geschlagen. Dessen Freunde aber hätten auf dem Weg zur Bushaltestelle Flaschen gegen ihn und seine Gruppe geworfen, auch sie seien beleidigt worden. Um den kapitalen Angriff auf dem Maifest aufzuklären, will die Kammer noch ein halbes Dutzend weiterer Zeugen hören.
Wegen seiner Gewalttätigkeit ist der Angeklagte bereits in einem anderen Zusammenhang aufgefallen: Ein Jahr zuvor, am 13. März 2024, soll er bei einem Heimspiel einer Jugendmannschaft des 1. FC Niederkassel randaliert haben. Mit mindestens zehn weiteren Personen soll er – so die Anklage – in die Kabine der gegnerischen Mannschaft marschiert sein und von einem Spieler des Gastteams eine Entschuldigung verlangt haben, angeblich, weil dieser einen Kicker des FC beleidigt habe.
Der Fußballer war sich zwar keiner Schuld bewusst, entschuldigte sich aber dennoch – und bekam „als Dank“ laut Staatsanwaltschaft eine Ohrfeige von dem heute 20-Jährigen. Anschließend soll dieser noch einem weiteren Sportler ins Gesicht geschlagen haben. An diesen Vorfall könne er sich gar nicht erinnern, erklärte der Angeklagte dem Gericht.
Der Prozess wird im neuen Jahr fortgesetzt.

