Die Kita „Die Grashüpfer“ möchte Demokratie für Kinder erlebbar machen - durch ein Kinderparlament und das Lernen von Konfliktkommunikation
„Die Grashüpfer“So bereitet eine Sankt Augustiner Kita Kinder auf die Demokratie vor

Die Sankt Augustiner Kita Grashüpfer möchte demokratische Werte vermitteln
Copyright: Lilian von Storch
Es ist halb zehn an einem Dienstagmorgen, der Erzieher Alexander Marbach leitet gerade den Morgenkreis in der inklusiven Kita „Die Grashüpfer“ an. Er hält ein Bild hoch, das ein Mädchen und einen Jungen zeigt, der Junge stupst sie an, sie schaut wütend. Er gibt ihr Spitznamen, um sie zu ärgern, erklärt Marbach die dargestellte Situation. „Was denkt ihr, wie fühlt sich Anna?“, fragt er in die Runde. „Traurig“, „wütend“ und „beleidigt“, rufen die Kinder.
„Und was könnte Anna jetzt tun, um sich zu beruhigen?“, fragt der Erzieher als nächstes. Die Kinder erinnern sich an Methoden, die sie bereits gelernt haben. „Ein- und ausatmen“, schlägt Chiara vor, „bis 19 zählen“, sagt Mohammed. „Richtig“, sagt Alexander Marbach, „Und was könnte sie noch tun, wenn er nicht aufhört?“, fragt der Erzieher. „Einen Erwachsenen holen“, sagt Emilia, und Alessio ruft „Stop sagen!“.
Kita-Leiterin: Der Umgang mit Emotionen ist entscheidend für das Lernen demokratischer Werte
Einmal pro Woche gehen die Kinder im Morgenkreis eine Einheit des Programms „Faustlos“ durch, das der Förderung sozialer Kommunikation und Gewaltprävention dienen soll. „Die Kinder lernen dabei, wie sie mit ihren eigenen Emotionen umgehen und Streitereien lösen können, auch dann, wenn sie nicht selbst beteiligt sind“, sagt Marbach, „das trainiert auch das Einfühlungsvermögen.“ Schnell habe er im Alltag gemerkt, dass die Kinder versuchen, die gelernten Techniken anzuwenden.

Der Erzieher Alexander Marbach spricht mit den Kindern im Morgenkreis über den Umgang mit Konflikten.
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Die zum Sankt Augustiner Kinderschutzbund gehörende Kita verfolgt das Ziel, die Kleinsten von Anfang an das Leben in einer Demokratie vorbereiten und entsprechende Werte festigen. Dafür sei das Sprechen und Reflektieren über Emotionen entscheidend, sagt die Kita-Leiterin Dina Chauvistré: „Uns ist es sehr wichtig, dass die Kinder mitentscheiden und mitwirken können - und dazu gehört, dass sie lernen, sich untereinander zu respektieren und Regeln einzuhalten.“
Uns ist es sehr wichtig, dass die Kinder mitentscheiden und mitwirken können - und dazu gehört, dass sie lernen, sich untereinander zu respektieren und Regeln einzuhalten.
Wenn die Kinder merken, dass ihre Meinung zählt und ernstgenommen wird, stärke dies auch ihren Charakter, sagt Chauvistré. „Im Hinblick auf die Schule ist es ja auch zentral, dass die Kinder ihre Selbstidentität finden, dass ihr Selbstbewusstsein gestärkt wird“, fügt die Pädagogin und stellvertretende Kita-Leiterin Nuray Altindis hinzu.

Die Kita-Leiterin Dina Chauvistré (l.) und ihre Stellvertreterin Nuray Altindis (r.)
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Für ihr Kinderparlament wurde die Kita „Die Grashüpfer“ von der Stadt Sankt Augustin vor zwei Jahren mit dem Prädikat Kinderfreundlich ausgezeichnet. Am Anfang jedes Kita-Jahres können die Kinder sich zur Wahl aufstellen. „Dabei achten wir darauf, dass das sowohl jüngere als auch ältere Kinder dabei sind, Mädchen, Jungs, Kinder verschiedener Herkunft, inklusive Kinder - dass jeder beteiligt sein darf“, sagt Dina Chauvistré.
Kinder-Parlament entscheidet über Ausflüge, Essen, den Umgang mit Problemen
Gemeinsam mit den Pädagogen der Kita erstellen die Kinder dann in Wahlplakat über sich. Dann kommt der große Wahltag, alle dürfen ihre Stimme abgeben. So werden sechs Kinder gewählt, die sich dann regelmäßig in einem ruhigen Bereich der Kita zu ihren Parlamentssitzungen treffen. Dabei kommen alle möglichen Themen auf den Tisch, sagt Chauvistré: Wohin sollen die nächsten Ausflüge gehen? Was soll die Kita zu Essen bestellen? An wen sollen die Kinder sich wenden, wenn sie etwas stört?
Nach den Wahlen sind die Kinder oft stolz wie ein Oscar!
„Es sind oft immer die selben, die sich beteiligen wollen - es sind aber auch Kinder dabei, die wollen, sich aber nicht trauen“, sagt Nuray Altindis. „Da liegt die Aufgabe auch bei uns, die Kinder zu motivieren, zu zeigen, wie sie sich einbringen können und dass das auch etwas Besonderes ist“, so die stellvertretende Kita-Leiterin. Das lohne sich dann auch: „Nach den Wahlen sind die Kinder oft stolz wie ein Oscar!“
Bei Kindern unter vier Jahren zeige sich teilweise, dass diese für das Konzept eines Parlaments noch nicht ganz bereit seien, beobachtet Dina Chauvistré. Diese bringen sich dann beispielsweise wenig mit eigenen Beiträgen im Parlament ein, verstehen die Sitzung eher als eine nette Zusammenkunft. Wichtig sei, den Kindern dann zu vermitteln, dass sie genau wie alle anderen dazugehören - nach dem Motto „jeder macht mit so wie er kann“.
Der Großteil der Grashüpfer-Kinder ist ganztags in der Kita. Genau deswegen sei ihr das Stärken der Kita-Gemeinschaft ein wichtiges Anliegen, sagt Dina Chauvistré: „Die Kinder sehen uns länger als ihre Eltern, sie leben mit uns hier. Daher funktioniert das hier auch wie eine Familie.“