Die Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen schreibt Grün statt karger Wüsten in Vorgärten vor. Im Januar 2024 wurden die Regelungen verschärft.
SchottergärtenRhein-Sieg-Kommunen setzen auf Kommunikation statt Repression

Schottergärten haben nach Ansicht von Experten mehr Nach- als Vorteile.
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Sie werden landläufig auch mal „Gärten des Grauens“ genannt, sogenannte Schottergärten – dabei handelt es sich oft um Vorgärten, die asphaltiert oder mit Kies und Schotter versiegelte Flächen sind und wenig bis keine Pflanzen beinhalten. Sie sollen vor allem pflegeleicht sein und Arbeit sparen.
Schottergärten haben jedoch viel mehr Nachteile als Vorteile. Sie bieten keinen Raum für Tiere und Pflanzen (unter der Kiesschicht ist oft ein Vlies gegen Unkraut), können ihre Fläche stark erhitzen und geben diese Hitze an die Umgebung ab. Die Folge: Auch nachts kühlt die Umgebungsluft kaum ab. Seit 2019 gibt es in Nordrhein-Westfalen in der Landesbauordnung ein Begrünungsgebot, das vorsieht: nicht überbaute Flächen müssen wasseraufnahmefähig gestaltet und begrünt werden, ausgenommen sind etwa Stellplätze für Autos. Seit Januar 2024 gelten zudem verschärfte Regeln in der Landesbauordnung, die auch einen Schottergarten eindeutig definieren.
Fall in Siegburg sorgt für Aufsehen: Wie gehen andere Kommunen vor?
In Siegburg sorgte jüngst ein Fall für Aufsehen, bei dem eine Seniorin von der Kreisstadt dazu aufgefordert wurde, ihren Schotter durch Grün zu ersetzen. Sie hatte den Vorgarten vor 14 Jahren versiegelt, weil die 83-Jährige, wie sie sagte, aus gesundheitlichen Gründen keine schweren Gießkannen mehr nach vorne um das Haus herumschleppen könnte, um die Pflanzen zu gießen. Die Seniorin fühlte sich ungerecht behandelt, doch die Verwaltung verteidigte ihr Vorgehen.

Eine Siegburger Seniorin soll auf Anordnung der Stadt ihren Schottergarten begrünen.
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Über die Landesbauordnung hinaus können Städte und Kommunen auch weitere Vorgaben für die Gestaltung von (Vor-)Gärten machen – auch im Rhein-Sieg-Kreis.
Niederkassel
„Kommunikation statt Repression“ ist beim Thema Schottergärten die Devise bei der Niederkasseler Stadtverwaltung. „Wenn wir von einem Schottergarten erfahren, dann gehen wir dagegen vor - im Rahmen der personellen Kapazitäten der Stadtverwaltung“, schildert Stephan Smith, der Erste Beigeordnete der Stadt. Gezielt nach Schottergärten Ausschau halte man aber nicht. Erhalte die Stadt von einem Garten Kenntnis, der entgegen der Bauordnung des Landes nicht bepflanzt, sondern mit Schotter bedeckt sei, suche die Stadtverwaltung das Gespräch mit dem Grundstücksbesitzer und versuche, ihn mit Argumenten zu überzeugen.
Auf Einsicht von Grundstückseigentümer setzt auch ein Vorstoß der Niederkasseler Grünen. Sie haben in der jüngsten Sitzung des Ratsausschusses für Umwelt-, Natur- und Klimaschutz einen Schottergärten-Wettbewerb vorgeschlagen. Ziel des Wettbewerbs soll sein, ein „versiegeltes oder verschottertes“ Grundstück auszuwählen und es exemplarisch „in einen insektenfreundlichen, lebendigen, klimaschützenden und pflegeleichten Garten“ umzuwandeln.
Nach Vorstellung des Grünen Ratsmitglieds Ulrich Buchholz könnte eine solche Umgestaltung mit der Hilfe von Sponsoren und Gartenbaubetrieben sowie des städtischen Bauhofs umgesetzt werden. Eine erfolgreiche Umgestaltung könne als gelungenes Beispiel dienen und Besitzer anderer Schottergärten zur Nachahmung anregen. Der Ausschuss verabschiedete den Antrag der Grünen einstimmig.
Troisdorf
Mit Zuschüssen unterstützt die Stadt Troisdorf Immobilieneigentümer bei Rückbau und Begrünung von Schottergärten. Neben einer verbesserten Wasserversickerung seien vor allem die Artenvielfalt und Insektenfreundlichkeit die Ziele, heißt es im städtischen Programm. Gefördert wird mit 50 Euro je Quadratmeter die Entfernung des Schotters und Unkrautvlieses, die Einbringung von Boden sowie die Begrünung. Werden heimische Stauden und Kräuter oder bienenfreundliche Sorten gepflanzt, gibt es sogar 65 Euro pro Quadratmeter.
In neuen Bebauungsplänen schreibe die Stadt seit 2021 eine klimaangepasste Gestaltung vor, sagte auf Anfrage Rathaussprecher Marc Eickelmann. Dazu gehöre in der Regel auch, Schottergärten auszuschließen. Neubauanträgen werde der städtische Flyer „Grün statt Grau“ beigelegt, der naturnahe Gestaltungsmöglichkeiten nennt.
In Troisdorf wurde in Einzelfällen bereits ein Rückbau angeordnet
Das gelte aber nicht rückwirkend für bereits bestehende Gebäude. Ein generelles Vorgehen dagegen sei auch aktuell nicht vorgesehen. Das sei „rechtlich nur sehr eingeschränkt möglich“, so Eickelmann. Vor allem nicht, wenn für die Fläche Bestandsschutz gelte. Eine flächendeckende Kontrolle oder Rückbauanordnung sei rechtlich und aus Personalgründen nicht umsetzbar.
„Allerdings“, so der Sprecher, „wurde in Einzelfällen bereits ein Rückbau angeordnet“. Dann nämlich, wenn bei der rechtlichen Prüfung festgestellt wurde, dass das Ausmaß der Versiegelung schon nicht genehmigungsfähig war, als die Fläche angelegt wurde. Die zum 1. Januar 2024 geänderte Landesbauordnung präzisiere die Anforderungen an unbebaute Flächen auf Grundstücken, erklärte Eickelmann: Künftig seien sie grundsätzlich zu begrünen. Wenn bei einem Neubau gegen diese Regelungen verstoßen werde, könnte dann auch ein Rückbau verfügt werden.
Dass Schottergärten „in keinster Weise sinnvoll“ sind, betont Gabriele Bock, Umweltberaterin der Verbraucherzentrale NRW in Troisdorf, seit vielen Jahren immer wieder. Auch die Annahme, ein solcher Vorgarten sei pflegeleicht, sei ein Irrglaube. „Der macht nur Arbeit“, so Bock.
Steingärten kommen ohne viel Wasser aus und liefern auch Insekten Nahrung
Welche Nachteile ein Schottergarten mit sich bringt, zeigt eindrucksvoll die Internetseite „Mehr Grün am Haus“ der Verbraucherzentrale, auf die Gabriele Bock hinweist. So wurde ermittelt, dass sich Schotter im Vergleich zu bepflanzten Flächen um bis zu 20 Grad mehr aufheizt. Lebensraum für Tiere und Pflanzen bieten die Schotterflächen nicht, das Unkrautvlies wird mit der Zeit immer weniger durchlässig: Am Ende versickert das Regenwasser kaum noch.
„Ein Steingarten ist super“, nennt Gabriele Bock eine mögliche Alternative, die man aber nicht mit Schotteranlagen verwechseln dürfe. An Vorbildern in der Natur angelehnt und mit geeigneten Pflanzen gestaltet, sei eine solche Anlage pflegeleicht: „Die kommen ohne viel Wasser aus und liefern auch Insekten Nahrung.“ Begrünte Flächen seien am besten, sagt Gabriele Bock.
„Je mehr desto besser“, denn bei dichtem Bewuchs gäben sich die Pflanzen gegenseitig Schatten und schützten sich so in Hitzeperioden. Andererseits nähmen so gestaltete Flächen mehr Wasser auf, das dann nicht in die Kanalisation laufe – besonders wichtig bei Starkregen.
Königswinter
Die Stadt Königswinter hat schon seit dem Jahre 2021 eine Vorgartensatzung. Sie legt fest, dass befestigte Flächen - dazu zählt sie auch Rasengittersteine, Pflaster oder Kiesel - höchstens auf der Hälfte der Vorgartenfläche zulässig sind. Laut Paragraf 4 der Satzung gilt jedoch für vorhandene Vorgärten ein Bestandschutz, bis das Gebäude neu- oder umgebaut wird.
2023 hat der zuständige Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz einen Antrag des BUND abgelehnt, wonach die Stadt konsequent die Einhaltung der Landesbauordnung überprüfen sollte. Mindestens einmal jährlich sollte es Begehungen geben. Die Stadtverwaltung wies dagegen auf den großen Personal- und Zeitaufwand hin, den diese Kontrollen bedeuten würden. Und: „Die Stadt Königswinter arbeitet aktuell eher über Aufklärung statt über Verbote oder Zwänge.“
Lohmar
Die Stadt Lohmar möchte Schottergärten so gut wie möglich im Vornherein unterbinden, indem entsprechende Regularien schon vor der Umsetzung neuer Bebauungen in die Planung aufgenommen werden. Eine flächendeckende Kontrolle über private Schottergärten sei auch hier personell nicht leistbar, teilt Pressesprecherin Elke Lammerich mit. Erhalte die Untere Bauaufsicht jedoch auf anderem Weg Kenntnis von neu angelegten Schottergärten, dann werde die Einleitung eines ordnungsbehördlichen Verfahrens auf Rückbau geprüft. „Dieses wurde in der Vergangenheit bereits durchgeführt“, so Lammerich.
Daneben bemüht sich die Stadt, Bürgerinnen und Bürger die Vorteile der Gestaltung klimafreundlicher Gärten nahezulegen und veröffentlicht regelmäßig Tipps dazu auf ihren Medienkanälen. 2023 hat Lohmar zu dem Wettbewerb „Grün statt grau“ aufgerufen, in dem Schottergarten-Besitzer ihre Flächen naturnah umgestalten und bis zu 1000 Euro gewinnen konnten. Auch 2025 soll es einen Wettbewerb zum Thema „Klimafreundliche Gärten“ geben, so Lammerich.
Neunkirchen-Seelscheid
In Neunkirchen-Seelscheid wurde jetzt laut Gemeindeverwaltung der Bebauungsplan „Eischeid-Nordwest“ verabschiedet, in dem Festsetzungen zur Begrünung enthalten sind, ebenso wie in dem in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan „Häger Weg“. Anders als die größeren Kommunen im Rhein-Sieg-Kreis verfüge Neunkirchen-Seelscheid nicht über eine eigene Bauaufsicht, so die Verwaltung weiter. „Eine Ahndung von Schottergärten obliegt daher der Bauaufsicht des Rhein-Sieg-Kreises.“
Much
Ganz ähnlich fällt die Antwort aus dem benachbarten Much aus: Aktuell würden keine „Bürgerinnen und Bürger aktiv zur Umgestaltung von Schottergärten seitens der Gemeinde aufgefordert“, heißt es auf Anfrage seitens der Gemeindeverwaltung. Wenn wegen bestehender „Schottergärten“ Verfahren eingeleitet wurden, dann im Regelfall aufgrund von Hinweisen oder Anzeigen aus der Nachbarschaft. Auch in Much sei die Bauaufsicht des Kreises zuständig.
Windeck
In Windeck ist das Thema Schottergärten laut Aussage von Pressesprecher Marco Holländer nur ein „punktuelles Problem“. Bei zukünftigen Bebauungsplänen für Wohnsiedlungen wird dies jedoch als eine Thematik bei der Klimawandel-Anpassung berücksichtigt werden. Dann werde es möglicherweise entsprechende Regelungen geben.
Ruppichteroth
Der Rat der Gemeinde Ruppichteroth befürwortet, dass private und öffentliche Grünflächen insektenfreundlich bepflanzt und gestaltet werden. Bauwillige und Grundstückseigentümer werden bei Bauanträgen und Bauanfragen auf die Folgen versiegelter Schottergärten hingewiesen. Gleichzeitig bietet die Gemeinde eine Beratung, beispielsweise durch den Umweltschutzbeauftragten, zu insektenfreundlichen, ökologischen und zugleich pflegeleichten Lösungen an. Politik und Verwaltung haben sich darauf verständigt, anstelle von Verboten mehr auf „Aufklärung“ zu setzen, heißt es aus der Gemeindeverwaltung. Inwieweit Bußgelder verhängt werden, entscheide die Bauaufsicht des Rhein-Sieg-Kreises.