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Nilgänse und NutriasImmer mehr Wildtiere kommen in die Städte in Rhein-Sieg

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Zwei Kanadagänse überqueren selbstbewusst die Straße An der Schlade auf dem Siegburger Brückberg.

Zwei Kanadagänse überqueren selbstbewusst die Straße An der Schlade auf dem Siegburger Brückberg.

Stadtverwaltung in Siegburg beobachtet wachsende Präsenz von Kulturfolgern. Am Michaelsberg leeben sogar Uhus.

Siegburg ist beliebt, auch schön, wie Kommunalpolitiker aller Couleur immer wieder gerne betonen, die Anziehungskraft der Kreisstadt groß und Wohnraum begehrt. Das gilt indes nicht nur für den Menschen, sondern auch für etliche Tierarten, die man nicht unbedingt in einer dichtbebauten Mittelstadt mit 42.000 Einwohnern vermuten würde: So sorgte jetzt auf dem Brückberg ein Pärchen Kanadagänse für Aufsehen, das sich am Gras eines Grünstreifens der Straße An der Schlade labte, um dann in aller Seelenruhe über die Straße zu watscheln. Was durchaus an das berühmte Plattencover des Beatles-Albums Abbey Road erinnerte.       

Neozoen, also neu eingewanderte Tier wie die Kanadagans, aber auch heimische Arten beschäftigen als „Kulturfolger“ immer wieder die Stadtverwaltung. „Gänse sind letztlich Weidetiere“, schildert Björn Langer von der Pressestelle. Er weiß auch zu berichten, dass die Vögel eine weit kleinere Fluchtdistanz haben als etwa Graugänse oder gar der Graureiher, der immer wieder an dem kleinen Teich an der Stadtmauer neben dem S-Carré auftaucht. Die Kanadagänse treten durchaus selbstbewusst auf. Wird ihnen die menschliche Nähe suspekt, stellen sie das mit respekteinflößenden Knöttergeräuschen klar. Zuverlässig zu finden sind sie am Trerichsweiher, einem Paradies für Wasservögel.  

Von Kleinkindern gern gesehene Gäste in der Siegburger Innenstadt: Stockenten

Von Siegburger Kleinkindern gern gesehene Gäste in der Innenstadt: Stockenten

Den Teich an der Stadtmauer schätzen auch immer wieder Stockenten-Pärchen, die dort zur Gaudi Siegburger Kinder auftauchen und, so Langer, die zu Boden gefallenen Fritten einer US-amerikanischen Schnellimbisskette in Bahnhofsnähe zu schätzen wissen.             

„Gewisse Arten sind einfach Opportunisten und kommen gut im menschlichen Lebensraum zurecht“, schildert Langer, der sich auch privat für Flora, Fauna und ganz allgemein die Natur interessiert. Auch der Uhu, der seit einiger Zeit am Michaelsberg heimisch geworden ist, ist ihm in der Hinsicht aufgefallen: Dieser könne als Beispiel für gelungenen Artenschutz dienen: „Uhus suchen einfach mehr Brutplätze“. Landschaftsgärtner beobachteten drei Jungtiere, als sie im September 2023 letzte Hand an die Neugestaltung des Michaelsbergs legten.

Wenig willkommen sind aus Sicht der Stadt die Waschbären, die regelmäßig vor der Wildtierkamera im Garten einer Siegburgerin auftauchen. Die Kleinbären wurden gar Thema im Stadtrat, der ein Fütterungsverbot aussprach. Aus gutem Grund: „Kassel gilt als Waschbärhauptstadt“, so Langer, die Population in Deutschland gehe auf Tiere zurück, die dort in den Jahren ausgesetzt worden waren. Er habe Bekannte in der nordhessischen Stadt, die ihre Mülltonnen vor den Räubern sichern.   

Nutrias am Siegburger Trerichsweiher

Nicht füttern: Nutrias am Siegburger Trerichsweiher.

Auch in Troisdorf und Windeck gingen die Kleinbären mit der markanten „Augenmaske“ schon in die Fotofalle. o possierlich sie aussehen: Waschbären stellen nicht nur eine Gefahr für die Mülltonnen und Vogelfutterhäuschen dar: Sie plündern Vogelnester und fressen ganze Amphibienpopulationen weg. So geschah es bereits 2018 im Bröltal. Mit Vorliebe fressen die nachtaktiven Tiere draußen bereitgestelltes Katzfutter. Auch in Häuser drangen die Raubtiere auf der Suche nach Katzenfutter schon durch die Katzenklappen ein, berichtete eine Naturschützerin. Sie warnte auch davor, Müll in Säcken an die Straße zustellen – das sei eine Einladung zum Plündern und locke die Waschbären an, die gerne auch mal in Dachböden eindrängen.

Nicht füttern, sagt Björn Langer von der Pressestelle in Siegburg, solle man auch die Nutrias und Bisamratten, die an Trerichsweiher und Mühengraben gesichtet werden und auch abseits der Gewässer auftauchen. Eine Abschusserlaubnis wie in anderen Städten sei in Siegburg aber kein Thema.

Typische Kulturfolger seien ab und an auch Füchse in Siegburg, auf dem Gelände der Brückberg-Kaserne tummeln sich Rehe, in Kaldauen häufen sich Meldungen von Steinmardern. Ruhiger geworden ist es um pietätlose Wildschweine, die immer wieder den Nordfriedhof heimsuchten und Gräber verwüsteten: Ein neuer Zaun verwehrt den Schwarzkitteln jetzt an notorischen Stellen den Zugang, ein Ausbau des Schutzes ist beabsichtigt. „Allerdings ist derzeit auch keine Eichelmast“, schränkt Langer ein. Eine Erklärung könne sein, dass die Tiere aufgrund des Klimawandels weniger Futter in den Wäldern finden.

Möwen und Halsbandsittiche haben den Rhein-Sieg-Kreis für sich entdeckt

Neeben Krähen und Tauben haben seit einigen Jahren Möwen die Siegburger Innenstadt für sich entdeckt, rund um den Mühlengraben und das Amtsgericht fliegen die Seevögel und verbreiten ein Gefühl von Urlaub am Meer. Auch erste Schwärme der grünen Halsbandsittiche, die Köln und Bonn längst fest im Griff haben, haben die Innenstädte im Rhein-Sieg-Kreis erobert: Nach Niederkassel und Hennef sind die grünen Kleinpapageien gekommen, um zu bleiben. Auch in Troisdorf sind sie schon heimisch und regelmäßig in der Umgebung des Sieglarer Krankenhauses zu Gast.

Aber auch Insekten sind auf dem Vormarsch: Langer geht davon aus, dass auch die Asiatische Hornisse bereits in Siegburg heimisch ist, sowie auch sonst entlang der Rheinschiene. Ausrotten werde man sie wohl nicht mehr können. Wurde sie früher als invasive Art bekämpft, gilt sie jetzt als in Deutschland etabliert. Damit entfällt die Verpflichtung zur Bekämpfung der Insekten, die für Menschen mit einer Bienengiftallergie gefährlich sind. Vor allem aber sind sie ein gefürchteter Fressfeind für Honigbienen. Auch die Gottesanbeterin ist mittlerweile im Rhein-Sieg-Kreis heimisch und in vielen Städten - von Troisdorf bis Königswinter - nachgewiesen.

Langer registriert auch Tiere auf der Verliererseite. So etwa die früher so zahlreich vertretenen Spatzen, die heute in der Stadt zu wenig Brutmöglichkeiten finden. Unter anderem, weil moderne Häuser zu wenig Nischen und Spalten bieten. Das Problem teilen sie Langer zufolge auch mit dem Hausrotschwanz. Dass Hauskatzen gerade in urbanen Gebieten ernstzunehmende Feinde für Vögel sind, kritisiert der BUND Rhein-Sieg. Dem Haussperling setzen zusätzlich Insektensterben, Luftverschmutzung sowie Krankheiten und Parasiten zu.

Kanadagänse zeigen sich deutlich robuster, sogar, wenn sie unter Beschuss geraten: Langer zufolge vermehren sie sich sogar stärker, wenn sie bejagt werde.