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„Habe mich ausnutzen lassen“Richterin zeigt Verständnis für angeklagten Sankt Augustiner Hotelleiter

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Schriftzug Hotel an einem Hotel

In die Hotelkasse hat ein früherer leitender Angestellter gegriffen. Das Siegburger Gericht zeigte Verständnis für seine Zwangslage. (Symbolbild)

Warum hat sich ein Sankt Augustiner Hotelleiter aus der Kasse selbst bedient? Der 64-Jährige präsentierte vor Gericht eine ungewöhnliche Erklärung.

Wenn der Arbeitgeber kein Gehalt zahlt, ist ein Griff in die Kasse keine gute Idee. Wegen Unterschlagung stand ein früherer Leiter eines Sankt Augustiner Hotels vor Gericht, angezeigt von seinem Arbeitgeber. Der 64-Jährige soll laut Anklage im April 2024 eigenmächtig 3300 Euro für sich abgezweigt haben. Grundsätzlich sei das richtig, räumte der Angeklagte ein. Er sah sich dennoch im Recht. Sein damaliger Chef sei ihm tausende Euro schuldig gewesen.

Dass den Hotelpächter offenbar schon seit Jahren Geldsorgen plagten, war dem leitenden Angestellten nach eigenen Aussagen nicht verborgen geblieben. Eines seiner Hotels hätte dieser wegen ausstehender Pachtzahlungen verloren gehabt, immer wieder sei der Chef aus Süddeutschland nach Sankt Augustin gereist, um sich Bargeld aus der Kasse zu nehmen. Auch das Sankt Augustiner Hotel hat er mittlerweile nicht mehr, es wird seit Juni 2024 von neuen Inhabern geführt. 

Sankt Augustiner Hotelleiter hatte die Summe korrekt im Kassenbuch vermerkt

Der Angeklagte schilderte weitere Probleme: So habe er habe nur einen Teil des vereinbarten Gehalts aufs Konto überwiesen bekommen und den Rest in bar ausgehändigt, diese Summe sei stetig kleiner geworden. Im April 2024 erhielt er plötzlich die fristlose Kündigung, er habe aber auf Geheiß des Chefs noch die Kasse übergeben sollen.

Die entnommene Summe von 3300 Euro habe er korrekt im Kassenbuch vermerkt. Er habe sich schon bei anderer Gelegenheit Gelder selbst auszahlen sollen, versicherte der 64-Jährige. Einen Teil habe er zudem einer Angestellten übergeben, ebenfalls noch ausstehender Lohn.

Sein Arbeitgeber indes hatte in seiner Anzeige bei der Polizei angegeben, dass der Leiter zu diesem Zeitpunkt schon zum Frühstückskellner degradiert worden sei und keine Prokura mehr gehabt habe. Er habe diesem erst nach dem Griff in die Kasse gekündigt.

Die Tat ist menschlich nachvollziehbar, aber Selbstjustiz und strafbar
Siegburger Amtsrichterin Julia Dibbert zum früheren Sankt Augustiner Hotelleiter

Richterin Julia Dibbert hatte den Pächter nicht als Zeugen geladen. Sie merkte an, dass durch die Akten anfangs noch ein Betrag von 8000 Euro gegeistert sei. Die Angaben des Angeklagten hielt sie für glaubwürdig. 

Die Tat des Hotelleiters sei „menschlich nachvollziehbar und verständlich, aber Selbstjustiz“, sagte sie. Der Unrechtsgehalt sei in diesem Fall sehr gering, eine Einschätzung, der die Vertreterin der Staatsanwaltschaft zustimmte. Dibberts erstes Angebot, das Verfahren gegen eine Geldbuße von 900 Euro einzustellen, wollte der Angeklagte aber nicht annehmen.   

Ex-Chef ist Mitarbeiter tausende Euro schuldig, weigert sich aber zu zahlen

„Ich habe nichts mehr“, schilderte der 64-Jährige, „ich habe mich ausnutzen lassen.“ Durch das Agieren seines Chefs sei sogar seine Wohnung, die er im Hotel hatte, mitsamt der Möbel gepfändet worden. Zwischenzeitlich musste er sich arbeitssuchend melden, erhielt aber nicht das Arbeitslosengeld, mit dem er gerechnet hatte, sondern sehr viel weniger. Grund: Der Arbeitgeber hätte zu wenig an die Sozialkassen abgeführt. 

Immer noch sei der Ex-Chef ihm tausende Euro schuldig, trotz eines rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichts weigere sich dieser zu zahlen. „Das betrifft ebenso andere frühere Kollegen.“ Er könne das durch eidesstattliche Versicherungen belegen.

Mittlerweile habe er zwar einen Job auf einer Nordseeinsel, aufgrund des Trennungsunterhalts an seine Noch-Ehefrau aber noch nicht einmal Geld für Möbel. „Ich habe nur eine Küche und ein Bett.“ Auf die Frage der Richterin, ob es schön sei am neuen Arbeitsplatz, zuckte er nur die Achseln. Es sei Hochsaison: „Ich arbeite 15 Stunden und habe keine Zeit.“ Immerhin sei das Verhältnis zur neuen Chefin ungetrübt.

Das Siegburger Amtsgericht ließ angesichts der Notlage Gnade vor Recht ergehen und verhängte gegen den bislang unbescholtenen Angeklagten lediglich eine Geldbuße von 150 Euro, zahlbar in fünf Monatsraten. Weitere Kosten kommen nicht auf ihn zu: Er verteidigte sich ohne Beistand und sparte so das Anwaltshonorar; und bei einer Einstellung des Verfahrens werden keine Gerichtskosten fällig.