Der 40-jährige Sanitäter, Vater zweier Kinder und ehrenamtlicher Feuerwehrmann, erlitt durch den Angriff schwerste Kopfverletzungen.
„Mit voller Wucht ins Gesicht“Brutaler Angriff auf Rettungssanitäter in Troisdorf vor Gericht

Prozess vor dem Bonner Landgericht: Zwei Männer sind angeklagt, weil sie in Troisdorf einen Rettungssanitäter zusammengeschlagen und schwerst verletzt haben sollen. Das Opfer (M.) trat als Nebenkläger auf.
Copyright: Ulrike Schödel
Ein Rettungssanitäter, der in seinem Job helfen will, wird ins Koma getreten. Ein Fall, der offenbar viele betroffen macht: Der Bonner Schwurgerichtssaal war am Dienstag, 16. Dezember, fast voll besetzt, als der spektakuläre Prozess um den Fall in Troisdorf am 4. Juli 2025 vor dem Bonner Landgericht begann. Polizeibeamte, Feuerwehrleute und Sanitäter aus Troisdorf waren gekommen, auch seine Familie, um den 40-Jährigen zum Prozess zu begleiten. Der Vorfall hat sein Leben radikal verändert.
Auf der Anklagebank: zwei junge Männer, 18 und 19 Jahre alt, der eine in U-Haft, der andere haftverschont, die ihr Opfer gar nicht kannten. Den beiden Heranwachsenden, schmächtig, mit kurz geschorenen Haaren, wird von der Staatsanwaltschaft vor allem ein gemeinschaftlicher versuchter Totschlag vorgeworfen. Die Angeklagten hätten den Tod des Sanitäters billigend in Kauf genommen, heißt es in der Anklage.
Angeklagte haben keine Erinnerung an den brutalen, fast tödlichen Angriff
Aber eine Erinnerung an den fast tödlichen Angriff am 4. Juli 2025 auf den Sanitäter haben beide Angeklagte ihrer Aussage nach nicht. Zum Prozessauftakt ließen sie ihre Verteidiger Melanie Jüde und Max Ziemer Erklärungen abgeben: Demnach hätten sich beide am Nachmittag des Tattages im Schwimmbad getroffen, hätten mehrere Flaschen Wodka, Whisky und Energiedrinks geleert und abends einen Platz zum Feiern gesucht. So landeten sie – wie sie dahin gekommen seien, wüssten sie auch nicht – an der Troisdorfer Stadthalle, wo gerade die Schulabschlussfeier einer zehnten Klasse zu Ende ging.
Alkoholisiert und aggressiv, heißt es in der Anklage, soll das Duo versucht haben, durch eine Seitentür in die Halle zu kommen. Als ein Türsteher ihnen den Zutritt verwehrte und sie wegschicken wollte, soll der jüngere Angeklagte diesen beleidigt, mit den Worten: „Ich bring’ dich um“ bedroht und mit Kopfnüssen attackiert haben. Der Rettungssanitäter, der an diesem Abend im Einsatz war, hatte den Angriff auf den Security-Mann beobachtet und griff ein: Er nahm den Jüngeren der beiden Angeklagten in den Schwitzkasten, brachte ihn zu Boden und fixierte ihn.
Anlauf genommen und mit voller Wucht ins Gesicht getreten
Der Ältere jedoch wollte seinen „Kumpel befreien“: Dafür soll er laut Anklage Anlauf genommen haben und mit voller Kraft „wie bei einem Fußballtritt mit dem Spann ins Gesicht des Sanitäters“ getreten haben. Der 40-Jährige stürzte und blieb regungslos liegen. Dennoch sollen die beiden den Bewusstlosen mit weiteren Tritten und Schlägen attackiert haben.
Davon aber wollte der Ältere, der den Fußtritt verantworten soll, nichts wissen: „Kann sein, dass ich getreten habe. Aber ob ich getroffen habe, weiß ich nicht. Und ob ich jemanden verletzt habe, weiß ich auch nicht“, heißt es in der Erklärung. Alles sei durch die Alkoholisierung verschwommen gewesen, wie durch „eine Nebelwand“. Abschließend erklärte der Ältere: „Die schweren Folgen des Vorfalls belasten mich, auch wenn ich nicht genau weiß, was passiert ist.“

Die zwei Angeklagten ließen ihre Anwälte eine Erklärung verlesen: Sie könnten sich an den Angriff nicht erinnern, heißt es darin.
Copyright: Ulrike Schödel
Der lebensbedrohlich verletzte Sanitäter, Vater zweier Kinder und ehrenamtlicher Feuerwehrmann, wurde mehrere Tage auf der Intensivstation behandelt; seine Situation sei kritisch gewesen. Durch den Angriff hat er diverse Verletzungen am gesamten Körper, vor allem ein Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades und massiven Gedächtnisverlust.
Bis heute leidet er an den gesundheitlichen Folgen: schlaflose Nächte mit Albträumen, permanente Kopfschmerzen, Tinnitus, Schwindel, Gleichgewichtsstörung - und vor allem das Verschwinden beziehungsweise nicht Wiederfinden der Erinnerungen.
Das Opfer erinnert sich nur an zwei Sekunden nach der Tat, als ihm jemand „Wassereis auf die verletzten Lippen zum Kühlen“ legt
So stand auch die Zeugenaussage des 40-Jährigen im Zentrum des ersten Prozesstages: „Was erinnern Sie noch?“, wurde er von der Kammervorsitzenden Anja Johansson gefragt. „Fetzen, nicht mehr viel“, antwortete er. Dass er den Rettungswagen gefahren hatte an dem Abend, später noch, dass er die Polizei gerufen hatte, weil es eine Gefährdungslage gab. Danach ist alles dunkel. Keine Bilder vom Tritt ins Koma, von der Fahrt ins Krankenhaus, von der Intensivstation. Nur zwei Sekunden seien ihm präsent, als ihm jemand „Wassereis auf die verletzten Lippen zum Kühlen“ gelegt habe.
Die Amnesie, die große Gedächtnislücke, macht nicht nur ihm Probleme: Auch seiner Frau, die ebenfalls einen Job im „Blaulicht“ hat. „Es ist sehr bedrückend, keine Erinnerung zu haben.“ Das Bitterste für den 40-Jährigen: den „Traumberuf“ verloren zu haben und vermutlich nie wieder als Sanitäter oder Feuerwehrmann eingesetzt zu werden. „Ich tue mein Bestes, um zurückzukommen“, sagte er, „aber es wird lange dauern.“
Während seiner Aussage hatten die Richter die beiden Angeklagten in die hintere Anklagebank versetzt; sie sollten dem 40-Jährigen nicht zu nahe kommen. So verschwanden die beiden jungen Männer zusehends im Hintergrund und blieben an diesem ersten Prozesstag seltsam blass und wenig präsent. Es schien, als hätten sie mit all dem nichts zu tun.
Für den Prozess sind sechs Verhandlungstage angesetzt, ein Urteil ist für Ende Januar geplant.

