Schluckbeschwerden können Patientinnen und Patienten von null bis 100 betreffen. Sprachheilpädagoge Ulrich Birkmann geht dagegen vor.
50 Patienten im MonatTroisdorfer Schluckambulanz stellt ihr besonderes Konzept vor

Ulrich Birkmann zeigt einer Patientin live ihre endoskopische Schluckuntersuchung.
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Sind wir gesund, tun wir es 1000- bis 1500-mal am Tag. Meist unbewusst. Beim Essen und Trinken, in der Nacht weniger oft. Wenn man bei diesen Zahlen erstmal schlucken muss, steigt die Anzahl um eins. Gerade weil schlucken so alltäglich wie atmen und blinzeln ist, machen sich viele oft erst Gedanken darüber, wenn etwas nicht funktioniert. Dann tritt das Team in Troisdorf um Ulrich Birkmann auf den Plan.
Schluckambulanz der GFO Kliniken Troisdorf behandelt 40 bis 50 Patientinnen und Patienten im Monat
„Das Schlucken dauert ungefähr zwei Sekunden“, erläutert der Therapeutische Leiter der Schluckambulanz in Sieglar: „In dieser Zeit sind fünf von zwölf Hirnnerven aktiv, und 50 paarig angelegte Muskeln müssen funktionieren. Es grenzt an ein Wunder, dass das 1000- bis 1500-mal am Tag gut geht.“
Der Diplom-Sprachheilpädagoge arbeitet mit zehn „Köpfen“ aus unterschiedlichen Fachrichtungen zusammen. „Wir versorgen beispielsweise die Geriatrie, Neurologie, Onkologie und Psychiatrie, aber auch externe Einrichtungen wie das Dr. Ehmann Kinderhaus in Siegburg“, sagt Birkmann: „Im Monat behandeln wir 40 bis 50 Personen.“ Statt der Bezeichnung als Dysphagiezentrum, wie beispielsweise in Köln, hat sich Birkmann für den Namen Schluckambulanz entschieden, „weil das die Leute besser verstehen, als wenn man einen Fachbegriff verwendet“.
Wir haben ein Patienten-Spektrum von null bis 100 Jahren. Das Feld ist riesig!
Für wen ist die Ambulanz relevant? „Wir haben ein Patienten-Spektrum von null bis 100 Jahren“, antwortet Birkmann: „Das Feld ist riesig!“ Der 55-Jährige veranschaulicht den Umfang anhand der Lebensabschnitte von jung bis alt: Bei Kindern könne zum Beispiel eine schlappe Muskulatur zu Schluckbeschwerden führen. Im Kinder- und Jugendsektor seien unter anderem Schädel-Hirn-Verletzungen ursächlich.
„Im Erwachsenenalter gibt es die verschiedenen Ursachen für Probleme beim Schlucken: Schlaganfall, Parkinson, ALS, auch Kopf- und Halstumore, die operiert werden müssen“, zählt Birkmann auf. ALS, die Amyotrophe Lateralsklerose, ist eine schwere Erkrankung, die das Nervensystem betrifft. Da motorische Nervenzellen geschädigt werden, werden Steuerung und Kontrolle von Muskeln beeinträchtigt, darunter auch die 50 benötigten Muskeln zum Schlucken. Die Erkrankung gilt als unheilbar.
Und im hohen Alter? Patientinnen und Patienten der Geriatrie seien teilweise von mehreren Erkrankungen gleichzeitig betroffen, die zu diffusen Bildern führten. Auch hier seien Schluckstörungen möglich.
Manche Menschen leiden unter Phagophobie, der Schluckangst
Die Schluckambulanz der GFO Kliniken Troisdorf ist Birkmann zufolge auch eine Anlaufstelle für Phagophobie, sprich Schluckangst. Eine Fachärztin der Neurologie und Psychiatrie des Medizinischen-Versorungszentrums trage zur umfassenden Behandlung bei. „Auch Menschen, die Schmerzen beim Schlucken haben, kommen zeitweise zu uns – auch wenn sie eigentlich beim HNO-Arzt anklopfen müssten.“
Es kann gemäß Birkmann auch so ablaufen, dass Hausärzte Patientinnen oder Patienten zur Ambulanz verweisen, wenn sie deren Krankheitsbild nicht genau einordnen können. Nach einer Untersuchung sei eine Weiterleitung zu anderen Fachärztinnen oder -ärzten möglich, in die Gastroenterologie oder Radiologie zum Beispiel. Man sei gut vernetzt.
Ulrich Birkmann nutzt bildgebende Diagnoseverfahren für Therapiepläne
Den verschiedenen Anforderungen begegne man mit unterschiedlichen Spezialisierungen. „Ich mache hauptsächlich die bildgebende Diagnostik“, sagt Birkmann über seinen Schwerpunkt. Er führt sogenannte Fiberendoskopische Schluckuntersuchungen (FEES) durch und bildet hierzu aus. „Wir arbeiten nicht im dunklen Tunnel, stattdessen machen wir beim Patienten quasi das Licht an und gucken uns an, was schiefläuft.“
Und wie geht das Licht im Hals-Tunnel an? Erstmal wird eine kleine Kamera durch die Nase geschoben. Am Ende des Geräts ist eine Lampe angebracht. Dadurch kann von oben auf die Luft- und Speiseröhre geschaut werden. Die Patientinnen und Patienten bekommen dann mit Lebensmittelfarbe blau gefärbtes Essen. „Wir schauen, wo die Farbe hinläuft oder wo sie stehen bleibt.“ Es soll so auch möglich sein, die komplette Einnahme einer Mahlzeit zu untersuchen.
Der Vorteil: Die Untersuchung sei relativ risikoarm. Und: Wenn das ein Therapeut oder eine Therapeutin mache, könne er oder sie auf Basis der Untersuchung gleich die Therapie planen.
Schluckambulanz der GFO Kliniken Troisdorf
Seit 2008 gibt es die Schluckambulanz der GFO Kliniken Troisdorf. Ulrich Birkmann, Therapeutische Leiter: „Ab 2010 durften wir Heilmittel abrechnen. Wir haben zwei Jahre um die Zulassung gekämpft.“ Es sei wichtig, diese Sonderform der Ambulanz durchgebracht zu haben, um den Weg zu ebnen: „Wir sind stolz darauf, dass nach unserem Modell ganz viele Ambulanzen aufploppen. Das ist für die Patienten enorm wichtig, da sie ärztlich und therapeutisch versorgt werden.“
Es gebe auch mobile Hausbesuche, das sei beispielsweise für Patientinnen und Patienten mit Schädelhirntraumata relevant, die mit Schluckstörungen zu Hause gepflegt würden, ordnet Birkmann ein: „Das muss in einem gewissen Radius sein, wir können jetzt nicht nach Altenkirchen fahren.“ Oftmals plane man die Hausbesuche in den jeweiligen Heimwegen nach Siegburg, Hennef, Köln oder Bonn ein. (ges)