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InterviewNeue Bürgermeister in Rhein-Erft sprechen über Respekt und Vorfreude für das Amt

6 min
Das Foto zeigt drei Männer, die sich unterhalten.

Die neuen Bürgermeister im Kreis sind (v.l.) Thomas Jurczyk (Kerpen), Marc Prokop (Brühl) und Uwe Tietz (Frechen). Sie sprachen über ihr neues Amt.

Was bewegt die drei frisch gewählten, künftigen Bürgermeister im Kreis? Welche Aufgaben flößen Respekt ein und worauf freuen sie sich? Darüber sprechen sie im Interview.

Thomas Jurczyk (SPD), Marc Prokop (CDU) und Uwe Tietz (SPD) sind  die neuen Bürgermeister von Kerpen, Brühl und Frechen. In der ersten Novemberwoche werden sie in ihr neues Amt eingeführt. Im Gespräch mit Alexa Jansen, Wolfram Kämpf und Elena Pintus verraten sie Persönliches vor dem Einstieg in das neue Amt, das für sie mit vielen Veränderungen verbunden ist.

Herr Tietz, Herr Jurczyk, Herr Prokop, Anfang kommender Woche werden Sie aller Voraussicht nach zum Bürgermeister gewählt. Haben Sie sich schon vom bisherigen Job verabschiedet?

Marc Prokop: Ich habe mich nicht verabschiedet, weil ich weiterhin im Kontakt mit der Technischen Hochschule in Köln bleibe – insbesondere beim Projekt „Fit for Invest“. Diese Kontakte zu Start-up-Ausgründungen will ich schließlich auch für Brühl nutzen.

Thomas Jurczyk: Im Moment bin ich im Urlaub, aber ich musste bereits mein Büro in meiner Bundeswehr-Dienstelle räumen und meine Ausrüstung, also Uniform, Rucksäcke, Stiefel und so weiter herausholen, um Platz für den neuen Dezernatsleiter zu machen. Die offizielle Verabschiedung folgt erst Mitte November.

Das Foto zeigt Marc Prokop.

Marc Prokop ist der künftige gewählte Bürgermeister von Brühl.

Uwe Tietz: Ich habe den Abschied von meiner Dienststelle schon hinter mir und es war sehr emotional. Das hatte ich unterschätzt. Aber es verschafft mir ein gutes Gefühl, nach über 30 Jahren mit einem weinenden und lachenden Auge zugleich gehen zu können.

Was überwiegt vor dem Start im Rathaus, Vorfreude oder Respekt vor der Aufgabe?

Prokop: Es ist eine Kombination aus beidem. In den letzten Tagen ist mir zusehends klarer geworden, was für eine anspruchsvolle Aufgabe vor mir liegt. Ich gehe den Job demütig an.

Jurczyk: Ich habe in erster Linie Bock auf die neue Aufgabe. Ich sehe, wo es Optimierungsbedarf gibt und weiß, dass ich einiges zum Besseren ändern kann. Wichtig wird es sein, in der Verwaltung das Mindset zu ändern. Allen Mitarbeitern muss klar sein: Wir sind Dienstleister für die Menschen in Kerpen. Ich möchte den Mitarbeitern diese neue Matrix einmassieren.

Tietz: Ich empfinde mehr Respekt als Vorfreude. Viele Wünsche sind jetzt schon auf dem kleinen Dienstweg an mich herangetragen worden. Ich glaube, in der Bevölkerung gibt es eine immense Erwartungshaltung. Manch einer denkt, er müsse schon am Montag Veränderungen sehen können. Aber so schnell wird vieles nicht gehen. Wir haben knappe Kassen, es fehlt an Personal und es gibt noch keine stabile politische Mehrheit. Für die Bewältigung des Strukturwandels, die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und Schulbauten brauchen wir aber klare Mehrheiten.

Jurczyk: Ja, keine Frage, das sind die großen Themen, denen wir uns stellen müssen. Für kleine Anfragen gibt es dann auch Ortsvorsteher. Die Kunst zu führen, heißt delegieren.

Prokop: Die Erwartungshaltung ist auf jeden Fall da. Das senkt den Druck nicht gerade. Aber Angst haben wir alle nicht, sonst hätten wir uns nicht um dieses Amt beworben.

Jurczyk: Das stimmt. Aber letztlich ist es der Stadtrat, der entscheidet. Wir können nur Ideen geben und Dinge aufsetzen. Wenn der Rat nicht mitspielt, geht nichts. Wobei, was Bürgermeister Sascha Solbach in Bedburg leistet, ist der Hammer. Er ist innovativ und hat immer erfolgreich geschaut, wo Gewerbe angesiedelt werden kann. Er hat für den Bau eines Windparks und des Hyperscalers gesorgt. In Kerpen sinken die Gewerbesteuer-Einnahmen hingegen. Da können wir uns eine Scheibe abschneiden. Denn die Grundsteuer B darf nicht weiter steigen. Wir müssen die Kassen anders füllen.

Wie gut sind Sie denn auf den ersten Arbeitstag vorbereitet? Bringen Sie Kölsch oder Kuchen mit für die neuen Kollegen?

Tietz: Am Montagmorgen habe ich mein Treffen mit dem Verwaltungsvorstand. Kölsch werde ich nicht mitbringen, aber mal sehen was mir sonst einfällt. Zur Übergabe habe ich einen halben Tag mit meiner Vorgängerin Susanne Stupp verbracht. Sie hat mir von ihren Erfahrungen berichtet. Es war ein sehr konstruktives, vertrauensvolles Gespräch. Auch mit den Beigeordneten habe ich mich schon ausgetauscht. Der Kalender ist auf jeden Fall bereits voll. Es wird kein gemütlicher Start.

Das Foto zeigt Thomas Jurczyk.

Thomas Jurczyk ist der künftige Bürgermeister von Kerpen.

Prokop: Ich habe seit Ende September jeden Tag im Rathaus verbracht. Mein Vorgänger Dieter Freytag hat mich sehr gut mitgenommen. Das fand ich außergewöhnlich positiv. Ursprünglich hatte ich mir vorgenommen, mit jedem Mitarbeiter der Verwaltung ein Kölsch zu trinken, aber das sind 1000 (lacht). Außerdem musste ich lernen, das Alkohol im Rathaus verboten ist.

Jurczyk: Ich war zuletzt ebenfalls an jedem Tag im Rathaus und habe Verbindungen geknüpft. Eine Veränderung wird es sicher geben: Der bisherige Leiter des Bürgermeisterbüros Harald Stingl wird diesen Job nicht weiter ausüben können. Er war schließlich im Wahlkampf mein Konkurrent und wird eine andere Stelle erhalten.

An Urlaub oder Hobbys ist zunächst wohl nicht zu denken. Was werden Sie am meisten am bisherigen Leben vermissen?

Prokop: Ganz klar, meinen Hund.

Jurczyk: Das ist das Erste, was ich einführen will. Ich bringe meinen Hund mit.

Tietz: Mir fehlt es ehrlich gesagt jetzt schon, samstags in Ruhe zu Hause Fußball zu schauen oder im Stadion zu sitzen. Das habe ich als BVB-Fan geliebt, aber dafür wird wohl künftig keine Zeit mehr sein.

Jurczyk: Mir wird vor allem die Familie fehlen. Das tut schon weh, aber wir haben uns den Schritt lange zusammen überlegt.

Also findet die Familie den neuen Job und vermutlich deutlich höheren Bekanntheitsgrad in der Stadt nicht besonders gut?

Jurczyk: Naja, gewisse Dinge im Haus kann ich nicht mehr machen. Das belastet die Familie. Es fehlt die gemeinsame Zeit. Wir wollen einen Familientag festlegen, sonst laufen wir nur nebeneinanderher.

Tietz: Die Familie hat schon zuletzt mächtig gelitten. Jetzt kommt noch eine Schippe drauf. Ich bin Scheidungskind. Für mich ist daher die Familie das Wichtigste überhaupt. Die Gespräche mit meiner Ehefrau bedeuten mir sehr viel, weil sie eine andere Sicht auf die Dinge hat. Ganz klar, man verlangt der Familie einiges ab. Ich bin sehr dankbar, dass dies möglich ist.

Prokop: Meine Frau ist nicht ausschließlich begeistert von meiner künftigen Tätigkeit, aber wir sind seit 37 Jahren zusammen und mussten uns immer irgendwie organisieren. Das wird weiterhin klappen. Die Kinder finden es super, dass ich jetzt Bürgermeister werde. Zwar wurde meine Tochter auch schon meinetwegen angepöbelt, aber sie ist taff.

Vor welchen Herausforderungen haben Sie den größten Respekt? Vielleicht vor dem Umgang mit der AfD?

Prokop: Ganz eindeutig vor der Haushaltsplanung, weil wir als Kommune absolut unterfinanziert sind und es sein kann, dass schmerzhafte Einschnitte nötig werden. Angst vor der AfD habe ich nicht.

Jurczyk: In Kerpen gibt es statt zuvor zwei künftig neun AfD Stadtverordnete. Dies bedeutet, dass wir irgendetwas falsch gemacht haben. Daran müssen wir arbeiten. Wir müssen Instrumente finden, damit die Kräfte nicht noch stärker werden. Ignorieren und ausgrenzen hat nicht funktioniert. Wir müssen einen anderen Weg beschreiten.

Das Foto zeigt Uwe Tietz.

Uwe Tietz ist der künftige Bürgermeister von Frechen.

Tietz: Ich habe als Bürgermeister das Neutralitätsgebot zu beachten, das werde ich tun und mit allen sprechen und mich nicht verstecken. In der Ratspolitik wird es sicherlich keine systematische Zusammenarbeit geben, aber hier läuft noch der Findungsprozess und man muss schauen, wie man mit der AfD umgeht.

Haben Sie Sorge vor persönlichen Anfeindungen?

Tietz: Im Wahlkampf ging es in Frechen teils schon bedenklich zu. Da wurden vermeintliche „Schwachstellen“ wie die sexuelle Orientierung oder das Eheleben von Kandidierenden thematisiert. Sachliche Kritik an Politik und Verwaltung sind absolut okay, aber hier sind Grenzen gefallen. Das war geschmacklos und natürlich macht man sich Gedanken, wie weit Menschen zu gehen bereit sind.

Jurczyk: Selbstverständlich müssen wir auf unsere Familien aufpassen und schauen, dass nichts passiert.

Prokop: Mir hat man die Autoreifen zerstochen. Der eigentliche Wahlkampf war in Brühl fair. Ich will auch immer fair bleiben, denn als Bürgermeister muss man Vorbild sein.

Was wollen Sie auf jeden Fall anders machen als Ihr Vorgänger?

Jurczyk: Die Führung muss deutlich anders werden. Ich will die Menschen mitnehmen. Sie auf ein gemeinsames Ziel einschwören, ein neues Mindset entwickeln.

Tietz: Ich denke es geht darum, mehr miteinander zu sprechen. Das betrifft Politik, Verwaltung und Bürgerschaft und das wird immens wichtig sein.

Prokop: Ich will und kann die Arbeit meines Vorgängers nicht bewerten. Mir ist es auf jeden Fall wichtig, den Mitarbeitern Wertschätzung entgegenzubringen und zu mitzunehmen. Bislang war vermutlich vieles in der Verwaltung eher von oben gesteuert.