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Übersetzungen mit KIDas atemberaubende Tempo des Kölner Milliarden-Start-ups DeepL

Lesezeit 6 Minuten
24.06.2025, Köln: Firmensitz der Firma DeeepL Se im Kölner Maarweg Center. Foto:Dirk Borm

24.06.2025, Köln: Firmensitz der Firma DeeepL Se im Kölner Maarweg Center. Foto:Dirk Borm

Millionen Menschen lassen sich mittlerweile von DeepL kostenlos Texte übersetzen. Wir haben mit Vertriebschef Parry-Jones gesprochen.

Die erfolgreichsten deutschen Gründer bleiben gerne im Hintergrund. Von den Aldi-Brüdern Theo und Karl Albrecht etwa gibt es kaum Fotos. Georg Schaeffler, dem der gleichnamige Autozulieferer gehört, ist nicht nur einer der reichsten Unternehmer Deutschlands, sondern ebenso verschwiegen. Und dann ist da noch Jaroslaw Kutylowski. Jarek, wie er genannt wird, hat 2017 den Sprachübersetzer DeepL gegründet – und vom Ehrenfelder Start-up mit 15 Leuten zu einem in 228 Ländern tätigen Unternehmen mit 1000 Mitarbeitern weltweit gemacht.

22.09.2021, Köln: Jaruslaw Kutylowski, Geschäftsführer des Übersetzungsdienstes DeepL.  Foto: Max Grönert.

DeepL-Gründer Jaruslaw Kutylowski

Den DeepL-Gründer ans Telefon, geschweige denn vor die Kamera zu bekommen, ist nahezu unmöglich. Vor vier Jahren hatte der Kölner Stadt-Anzeiger die Gelegenheit, ihn zum Interview zu treffen. Seitdem ist viel passiert, doch an der Verschwiegenheit des Unternehmers hat sich nichts geändert.

Umsatz hat sich verdoppelt

Dem Erfolg des Geschäfts tut das keinen Abbruch. Im Gegenteil: Im Jahr 2022 hat das Unternehmen 55,1 Millionen Euro erlöst – das ist fast doppelt so viel wie im Jahr zuvor (29 Mio.). Unterm Strich steht zwar ein Minus von rund 290.000 Euro, aber 2021 war noch ein Gewinn von 1,9 Millionen Euro hängengeblieben. Eine aktuellere Bilanz ist bislang nicht öffentlich einsehbar, DeepL kommentiert seine Finanzzahlen traditionell auch nicht.

Seit Juli 2023 verantwortet der Engländer David Parry-Jones das Wachstum von DeepL, er ist Vertriebschef, sorgt dafür, dass die Zahl der Geschäftskunden steigt und dass die Entwickler immer neue Ideen präsentieren. In den vergangenen 30 Jahren hat Parry-Jones für verschiedene US-Konzerne gearbeitet, darunter Techgigant Microsoft und den Cloud-Spezialisten VMware.

David Parry-Jones ist Vertriebschef von DeepL

Als Parry-Jones bei DeepL anfing, war ihm klar: Die Firma muss schnell sein, um sich im Wettbewerb zu behaupten. Was er damit meint, stellt er in einem nicht ganz ernst gemeinten Bild dar: „US-Firmen schießen zuerst und überlegen dann, wo die Kugel eigentlich hingehen sollte. Deutsche Unternehmen zielen und zielen, und wenn sie schießen, ist der Treffer punktgenau. Das Problem dabei: Wenn man dann alles ausgerechnet hat und schießt, ist das Ziel womöglich gar nicht mehr da.“ Gerade KI-Entwicklungen würden sich so schnell verändern, dass Firmen wie DeepL gar keine Zeit hätten, alles minutiös auszurechnen – deutsche DNA hin oder her.

Im Rennen gegen den Wettbewerb

Und dann ist da noch die Regulatorik, die ein Innehalten wirtschaftlich kaum möglich macht. Die EU hat strenge Vorgaben, was KI-Firmen dürfen und was nicht. „Unsere Herausforderung ist es, uns so schnell wie möglich auf neue Entwicklungen einzustellen und das im Einklang mit den Regeln zu tun. Wir müssen aufpassen, dass wir genauso schnell sind wie unsere Wettbewerber außerhalb der EU“, sagt Parry-Jones.

Das Feld der Sprachübersetzungen ist hart umkämpft. Google hat mit Gemini eine KI-Lösung im Programm, die in Echtzeit übersetzt. Microsoft bietet für seine Videokonferenz-Anwendung Teams ebenfalls Live-Übersetzungen an. Doch in Sachen Qualität schneidet DeepL bei Blindtests mit Sprachexperten besser ab. Die Kölner setzen auf Künstliche Intelligenz, die unter anderem automatisch bewerten kann, ob vorhandene Übersetzungen im Internet von guter oder schlechter Qualität sind. Parry-Jones formuliert den Anspruch: „Wir wollen qualitätsmäßig immer in den Top drei sein. Firmen wie Microsoft machen Übersetzung quasi nebenbei. Wir fokussieren alle unsere Ressourcen darauf.“

Ständig neue Features, um vorn zu bleiben

Gestartet war DeepL mit einem kostenlosen Angebot für kurze Textübersetzungen, inzwischen kommen in atemberaubendem Tempo neue Funktionen dazu. 2024 hat DeepL mit „Write Pro“ einen KI-Schreibassistenten eingeführt, der nicht nur Rechtschreibung und Grammatik verbessert, sondern Lesefluss und Verständlichkeit optimiert. Kurz danach kam eine neue Generation des Sprachmodells auf den Markt, mit dem DeepL die Qualität seiner maschinellen Übersetzungen erhöhen will. Im November kündigte die Firma ihre neue Funktion „Voice“ an, die virtuelle Meetings in mehreren Sprachen und auch persönliche Konversationen simultan übersetzt, allerdings nur in Textform. „Wir müssen so viel Neues entwickeln, um im Wettbewerb vorne zu bleiben“, sagt Parry-Jones.

Der nächste Schritt soll nun die Übersetzung von Sprache in Sprache sein. Wann das kommt, steht allerdings noch nicht fest. „Wir arbeiten daran“, sagt Parry-Jones. „Menschliche Übersetzer hören zu und übersetzen dann mit etwas Verzögerung. So ist das bei der Technik auch, vor allem in Sprachen, wo die Bedeutung eines Satzes eher am Ende klar wird.“ Die Entwickler würden derzeit daran arbeiten, so akkurat wie möglich zu übersetzen bei so wenig Verzögerung wie nötig. 

Ein substanzieller Teil des Umsatzes kommt von Firmenkunden, die für den Übersetzungsservice zahlen. Dafür können sie unter anderem unternehmenseigene Wörterbücher hinterlegen und die Tonalität anpassen, um die Übersetzungsqualität zu steigern. Wie viel genau sie zum Ergebnis beitragen, will Parry-Jones nicht sagen. Nur so viel: „Wir haben 200.000 Geschäftskunden, deren Anteil am Umsatz deutlich wächst.“ DeepL arbeite daran, seine Software auch auf bestimmte Branchen zu spezialisieren, die besonders akkurate Übersetzungen brauchen, etwa im Rechtsbereich oder Naturwissenschaften.

Firmenwert hat sich verdoppelt

DeepL ist nicht nur eines der wertvollsten KI-Start-ups Deutschlands, sondern auch das erste Kölner Einhorn. So nennt man Firmen, die mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertet werden. Inzwischen ist die Firma zwei Milliarden wert. Allein 2024 gab es 272 Millionen Euro frisches Kapital.

DeepL ist kein klassisches Start-up, das zeigt sich allein schon an den Geschäftszahlen. Obwohl die Firma sich hier bedeckt hält, hat Gründer Kutylowski in der Vergangenheit mehrfach berichtet, dass DeepL von Beginn an profitabel gewesen sei. Und: Den Großteil des Geldes, das die Firma seit der Gründung eingesammelt hat, hat sie noch nicht ausgegeben. „Das spricht für unsere Profitabilität und unseren Cashflow. Wenn wir Geld ausgeben, dann vor allem für Innovationen in der KI-Infrastruktur. Wir wollen so aufgestellt sein, dass wir nicht ständig Geldgeber brauchen“, sagt Parry-Jones.

Firmensitz der Firma DeepL Se im Kölner Maarweg Center.

DeepL hält sich gerne bedeckt, so auch am Firmensitz im Kölner Maarweg-Center.

Ein Teil des Geldes fließt in die Partnerschaft mit Nvidia. DeepL hat besonders leistungsstarke Technik von Nvidia integriert, um beispielsweise schneller übersetzen zu können. Die Kölner könnten, so sagen sie zumindest, dadurch das gesamte Internet in etwas über 18 Tagen übersetzen. Bislang würde das noch 194 Tage ununterbrochener Verarbeitung erfordern. 

Schritt in die USA zahlt sich aus

Dass DeepL so stark wächst, liegt auch daran, dass die Kölner weltweit aktiv sind. DeepL hat Tochtergesellschaften in Großbritannien, den Niederlanden, in Polen und den USA. Im März 2024 hatte die Firma ein Büro im texanischen Austin in Nähe zu Techgiganten wie Apple, Amazon und Google eröffnet. Im Herbst folgte der zweite Streich in New York City.

Von den insgesamt 1000 Mitarbeitern, die DeepL eigenen Angaben zufolge inzwischen zählt, ist der Großteil in Deutschland beschäftigt. 150 Mitarbeiter entfallen auf Großbritannien, 75 auf Japan und 65 auf die USA. In nur vier Jahren hat DeepL die Zahl seiner Mitarbeiter verfünffacht. Geht das in diesem Tempo weiter? „Wir wollen wachsen. Zwar nicht so schnell wie in den vergangenen Jahren, aber wir wollen vor allem im Kundenservice aufstocken“, sagt Parry-Jones.

Und so erscheint es doch eher untypisch, dass die Firma noch immer in einem Gewerbepark am Maarweg in Köln-Ehrenfeld sitzt und hier zwei Etagen gemietet hat. Allein aufgrund der Mitarbeiterzahl wäre ein eigenes Gebäude durchaus im Rahmen des Möglichen. Oder zumindest etwas mehr Werbung für die Firma als die unauffälligen Beschriftungen am und im Bürokomplex. Warum ist DeepL so versteckt in dem Gebäude? „Bescheidenheit“, sagt Parry-Jones. „Das ist die Kultur der Firma und ein Wert von Jarek.“