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Interview

„Dank der schieren Raumgröße“
Filmstandort Köln spielte zentrale Rolle bei „Der Medicus 2“

6 min
DER MEDICUS 2, Philipp Stölz (Regie) mit Tom Payne

Digital media asset from Der Medicus 2 (Bildmaterial). Generated on 2025-12-16 23:17:37

„Der Medicus 2“-Regisseur Philipp Stölzl mit Hauptdarsteller Tom Payne während der Dreharbeiten in den Kölner MMC-Studios

Für die Fortsetzung des „Medicus“-Kinoerfolgs haben Wolf Bauer und Till Derenbach eine ungewöhnliche Partnerschaft geschmiedet.

Herr Bauer, Herr Derenbach, „Der Medicus“ war 2013 ein großer Erfolg mit 3,6 Millionen Kinobesuchern in Deutschland. Warum hat es zwölf Jahre gedauert, die Fortsetzung „Der Medicus 2“ in die Kinos zu bringen?

Wolf Bauer: Wir haben sofort nach dem Erfolg von „Der Medicus“ angefangen, mit Noah Gordon und seiner Familie über die Rechte zu verhandeln. Wir hatten dann eine Zeitlang die Rechte an einer Serie, die auf der Romangeschichte basiert hätte, mit 26 Episoden. Das hätte aber über 100 Millionen Euro gekostet und erwies sich in Europa als nicht finanzierbar. Wir haben uns mit der Familie Gordon schließlich geeinigt, die Geschichte von Rob Cole in einem zweiten Kinofilm weitererzählen zu dürfen. 2019 war das Projekt finanziert, Universal war bereit, die gesamten Kosten zu übernehmen. Wir waren drehfertig, mussten nur noch auf Hauptdarsteller Tom Payne warten, der gerade in den USA eine Serie gedreht hat.

Und dann kam die Covid-Pandemie?

Wolf Bauer: Innerhalb von zwei Wochen flog uns alles auseinander. Universal hat sich zurückgezogen. Niemand wusste damals, ob die Menschen jemals wieder ins Kino gehen würden.

Tom Payne in DER MEDICUS 2

@ Copyright: Constantin Film Distribution GmbH/Zeitsprung Pictures GmbH/Gordon Mühle

Der Medicus Rob Cole (Tom Payne) befasst sich im zweiten Teil mit seelischen Leiden.

Und doch kommt „Der Medicus 2“ jetzt ins Kino. Ich habe gehört, das gleiche einem Wunder. Was ist damit gemeint?

Wolf Bauer: Das klingt sehr poetisch, aber es spiegelt die Realität. Ein Film dieser Größenordnung, mit diesem Anspruch, großes Erzählkino für die große Leinwand zu bieten, verbunden mit einem so großen Budget – so etwas kommt heute nur noch selten zustande. Um ein so großes Kino-Event zu kreieren, müssen Sie inzwischen schon viele Partner für die Finanzierung dazu holen, die sich alle leidenschaftlich einsetzen wollen.

Till Derenbach: Kein Sender, Streamer oder Verleiher möchte heute noch zehn Millionen Euro für eine Kinoproduktion geben. Das war 2013 anders. Es waren drei Partner, nämlich Universal, Beta Cinema und die ARD, die die Finanzierung damals mehr oder weniger allein gestemmt haben. Für „Der Medicus 2“ brauchte es sechs Finanzierungspartner, um das Projekt zu realisieren.

15.12.2025, Köln: Till Derenbach (links) und Wolf Bauer haben „Der Medicus 2“ produziert. Foto: Arton Krasniqi

Till Derenbach (links) und Wolf Bauer haben „Der Medicus 2“ produziert.

Das sind Sie, Herr Bauer, für die Ufa, und Sie, Herr Derenbach, mit Zeitsprung Pictures sowie das ZDF, Constantin Film, Beta Cinema und Amazon Prime Video. Was steckt hinter dieser ungewöhnlichen Partnerkonstellation?

Wolf Bauer: Es gab in Deutschland noch nie eine Kino-Kooperation zwischen einem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender und einem Streaming-Unternehmen wie Amazon Prime Video. Das ist wirklich eine Innovation, auf die wir stolz sind. Es ist ein Wunder, dass wir das geschafft haben. Das sind ja Wettbewerber, die um Zuschauerinnen und Zuschauer streiten. Aber aus Konkurrenten sind Partner für ein herausragendes Projekt geworden. Anders sind solche großen Projekte heutzutage nicht mehr zu finanzieren. Und es wurde auch heftig gestritten.

Worüber wurde gestritten?

Wolf Bauer: Vor allem über die Frage, welcher Partner welche Rechte zu welchem Zeitpunkt bekommt. Nach anderthalb Jahren Verhandlungen gab es eine Einigung.

Till Derenbach: Jeder will in einer solchen Konstellation möglichst exklusive Auswertungsfenster haben. Wenn sich das ZDF an so einem Film beteiligt, möchte es den Film zwölf Monate nach dem Kinostart ausstrahlen. Nun ist aber Prime Video auch substantieller Finanzierungspartner und hat bestimmte Ansprüche an die Exklusivität auf seinem Streaming-Dienst.

Mittelalterlich-ritterlich gekleidete Schauspieler sitzen auf Pferden. In der Mitte eine Frau, die die Königin spielt

Emily Cox spielt Königin Mercia – die Antagonistin.

Wie teuer war der Film?

Till Derenbach: Wir liegen bei einem Budget von über 20 Millionen Euro.

Sie sollen persönlich ins finanzielle Risiko gegangen sein, Herr Bauer…

Wolf Bauer: Am 30. Juni 2023 lief die Option auf die Verfilmungsrechte der „Medicus“-Fortsetzung aus. Wir hatten Constantin Film schon als möglichen Verleih, aber alles andere war noch unsicher. Die Ufa war damals nicht in der Lage, eine hohe sechsstellige Investitionssumme zuzusagen. Also musste ich mich entscheiden: Entweder lasse ich das Projekt sausen und die Rechte gehen wieder zurück an die Familie Gordon – oder ich muss die Kosten auf mich nehmen. Ich hatte schon so viel Zeit und Herzblut investiert, also habe ich die Verfilmungsrechte auf eigenes Risiko gesichert. Ich habe dann mit Jan Mojto von Beta Cinema einen Partner gefunden und damit kamen Till und Zeitsprung Pictures mit dazu.

Till Derenbach: Das Herstellungsrisiko haben am Ende wir von Zeitsprung Pictures getragen als kleines Kölner Familienunternehmen.

Wolf Bauer: Viele andere Produktionsfirmen hätten Nein gesagt, ganz sicher.

Trauern Sie der guten alten Zeit nach, in der ein solcher Film schnell finanziert, die Kinos voll und Ihr Job einfacher war?

Till Derenbach: Natürlich trauern wir der guten alten Zeit nach. Heute braucht es schon viel, um Zuschauerinnen und Zuschauern zu erreichen und sie irgendwie vom Sofa ins Kino zu bekommen. Leider läuft dort inzwischen in Deutschland eine bestimmte Art von filmischer Monokultur. Die immergleichen deutschen Schenkelklopfer-Komödien haben in den letzten 20, 30 Jahren funktioniert, aber das ist nichts Episches, nichts Magisches, kein großes Erzählkino. Diese Strategie hat das Kino klein gehalten.

Wolf Bauer: Wir müssen attraktive Angebote fürs Kino schaffen, der großen Leinwand gerecht werden. Kleinere Filme, die sich die große Leinwand nicht verdienen, kann man doch auf anderen Plattformen spielen. Nur große Erzählungen, bildgewaltige epische Filme können das Kino retten.

Welche Rolle hat der Filmstandort Köln bei den Dreharbeiten gespielt?

Till Derenbach: Wir haben in Köln das größte europäische Filmstudio, das Studio 53 in den MMC-Studios. Zehn Drehtage haben wir dort gedreht. Dank der schieren Raumgröße konnten wir zentrale Innenmotive aus dem Mittelalter hier aufbauen: den großen Thronsaal, die Schlafgemächer des Königs und der Königin, das Kloster, in dem die Prinzessin festgehalten wird. Wenn Sie diese Orte im Film sehen, an denen sich Shakespeare-hafte Dramen abspielen, sind wir in Köln.

Werden wieder 3,6 Millionen Menschen für den „Medicus“ ins Kino gehen wie 2013?

Wolf Bauer: Wir glauben, dass das Projekt auch zwölf Jahre später immer noch die Magie, Anziehungskraft und Faszinationskraft hat wie der erste Teil. Und wir merken das auch. Die Abrufe des Trailers bei Youtube liegen jetzt bei 4,6 Millionen. Aber die Zahlen von damals sind heute nur schwer zu erreichen. Die Bully-Fortsetzung „Das Kanu des Manitu“ hat die Hälfte der elf Millionen des ersten Teils ins Kino geholt. Wenn wir bei über zwei Millionen Kinobesuchern landen, wäre ich deshalb schon überglücklich.

Till Derenbach: Im Medicus steckt eine große Kraft, eine große Geschichte, die Menschen zusammenbringt. Das gibt mir Hoffnung und lässt mich träumen.

Wolf Bauer: Wenn das letzte Weihnachtslied verklungen und das letzte Päckchen ausgepackt ist, können Familien am 25. Dezember gemeinsam ins Kino gehen. Drei Generationen von zwölf bis 80 können sich von diesem Film beseelen und beflügeln lassen.

Das Filmende lässt die Möglichkeit eines dritten „Medicus“ zu. Wird es einen geben?

Wolf Bauer: Die Familie Gordon müsste uns erneut das Recht geben, eine weitere Medicus-Erzählung zu machen. Das ist heute nicht mehr wahrscheinlich. Aber wissen Sie, wenn der Film jetzt überzeugt und in der Welt Erfolg hat, werden wir nachhaken.

RTL Deutschland baut etliche Stellen ab, Prosieben-Sat1 ebenfalls. Wie wird Köln als Standort vieler Produktionsfirmen davon getroffen?

Till Derenbach: In unserer Branche haben wir in den letzten ein, zwei Jahren eine hohe strukturelle Arbeitslosigkeit, die nur selten so deutlich benannt wird. Viele Filmschaffende hatten zu wenig Beschäftigung, um ihr Überleben zu sichern. In Köln haben wir etwa 40.000 Beschäftigte in diesem Wirtschaftszweig, und sicher die Hälfte davon muss sich überlegen, ob sie die Branche wechseln. Die Krise, die im ganzen Land stattfindet, kennen wir seit zwei Jahren. Die Situation ist ernst und wird anhalten.

Wie blicken Sie auf den Übernahmekampf zwischen Netflix und Paramount um Warner Brothers?

Wolf Bauer: Für uns Produzenten fallen Adressen weg, zu denen wir gehen können, um unsere Ideen und Visionen zu präsentieren. Wenn Netflix sich Warner mit HBO einverleibt, haben wir nur noch einen Ansprechpartner statt dreien. Die Konsolidierung bei den Produktionsfirmen kann für unsere Arbeit nicht gut sein. Aber auch ein Zuschlag an Paramount wäre schwierig, weil sich die Marktmacht weiter konzentriert und der Wettbewerb um kreative Vielfalt dadurch eher kleiner als größer würde. Ich mache mir da keine Illusionen.


Zu den Personen

Wolf Bauer war ab 1991 für 27 Jahre Produzent und Chef der Ufa Film- und Fernsehproduktion. Neben dem ersten „Medicus“ produzierte er fast 90 Fernseh- und Spielfilme und 20 Serien.

Till Derenbach ist Produzent und Geschäftsführer der Produktionsfirma Zeitsprung Pictures. Zuletzt produzierten die Kölner „Nürnberg '45 – Im Angesicht des Bösen“