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IHK NRW warnt vor KollapsImmer mehr Güterzüge rollen aufs Rheinland zu

Lesezeit 4 Minuten
Ein Güterzug passiert eine Baustelle mit einem Schotterbett für neue Gleise. Die Strecke Emmerich-Oberhausen ist eine wichtige Verbindung für den Güterverkehr vom großen Überseehafen Rotterdam bis nach Genua. Sie wird für den europäischen Güterverkehr ausgebaut.

Die Betuwe-Linie von Rotterdam bis zu deutschen-niederländischen Grenze ist eine der modernsten Güterverkehrsstrecken der Welt. Der Abschnitt Emmerich-Oberhausen wird gerade ausgebaut.

Wird das Rheinland beim Streckenausbau benachteiligt? Die IHKs halten die Verkehrsprognosen des Bundes für eine Fehleinschätzung.

Die Industrie- und Handelskammern im Rheinland schlagen Alarm: Da rollt etwas auf uns zu. Gemeint sind die Gütermengen, die aus den Seehäfen Antwerpen/Brügge und Rotterdam per Bahn durchs Rheinland transportiert werden müssen. Der Wirtschaft im Rheinland drohen laut der IHK NRW gravierende Nachteile, wenn der Ausbau des Schienennetzes im Dreieck Köln-Aachen-Emmerich nicht deutlich beschleunigt wird.

Der Bund geht in seiner Prognose, auf der die Ausbaupläne für den Bundesverkehrswegeplan 2040 basieren, von einem moderaten Wachstum der Seeverkehre aus. „Unsere Studie zeigt, dass das Aufkommen aus den Seehäfen deutlich höher ausfallen wird“, sagt Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf. „Allein für Antwerpen und Rotterdam kommt sie zu dem Ergebnis, dass es zwei Drittel mehr sein werden als die Bundesregierung für alle ausländischen Seehäfen annimmt.“ Der Bund bevorzuge den Ausbau der Seehäfen in Norddeutschland und benachteilige das Rheinland.

Woher kommt diese Diskrepanz? Der Gutachter wirft dem Bund vor, das Güterverkehrsaufkommen für das Rheinland „systematisch“ zu unterschätzen. Vor neun Jahren habe die IHK NRW schon einmal gewarnt, dass die Prognose für 2030 falsch sei, und habe damit recht behalten. „Die Mengen, die der Bund damals für 2030 angenommen hatte, wurden bereits 2019 erreicht“, sagt Berghausen. Die unzureichende Berücksichtigung des steigenden Güterverkehrs aus den sogenannten ARA-Häfen (Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam) verschärfe bestehende Kapazitätsengpässe. 

Vier Korridore sind stark belastet

„Bereits heute ist die Schieneninfrastruktur in der Region an vielen Stellen überlastet, was sowohl den Güter- als auch den Personenverkehr massiv beeinträchtigt“, bestätigt Norbert Reinkober, Geschäftsführer des Zweckverbands go.Rheinland. Selbst wenn alle Projekte aus dem Bundesverkehrswegeplan 2030 umgesetzt seien, gebe es noch Engpässe. Aber nicht einmal das sei der Fall. „Das zeigt, wie sehr er der Realität hinterherläuft“, sagt Reinkober. „Wir fordern daher nachdrücklich ein, dass der Bund seine Prognosen nachbessert und die Maßnahmen anpasst. Sonst bleibt es beim Stau auf der Schiene und es wird für Güter- und Personenverkehr gleichermaßen bitter – mit negativen Auswirkungen auf Deutschland und die europäischen Nachbarn.“

Dabei geht es vor allem um die Verkehrskorridore Aachen-Mönchengladbach-Neuss-Düsseldorf, Aachen-Köln-Bonn-Rhein-Sieg-Kreis, Venlo-Viersen-Krefeld-Duisburg und Emmerich-Duisburg.

„Diese Überlastung gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Region. Eine leistungsfähige Schieneninfrastruktur ist essenziell, um den reibungslosen Waren- und Pendlerverkehr zu gewährleisten“, sagt Sascha Odermatt, Geschäftsführer der Neuss-Düsseldorfer Häfen. „Ohne zusätzliche Investitionen drohen weitere Verzögerungen, höhere Transportkosten und eine verstärkte Verlagerung des Güter- und Personenverkehrs auf die ohnehin überlasteten Straßen.“ Das gelte für die Strecken, aber auch für die nötigen Knotenpunkte und Drehscheiben der Logistik wie den Häfen.

Weniger Personenzüge oder noch mehr Lkw auf den Autobahnen

Die Fehleinschätzung der Prognose mit Blick auf das Güterverkehrsaufkommen auf der Schiene hat aus Sicht des Gutachters mehrere Ursachen: Der Bund habe die Zahl der sogenannten intermodalen Züge, auf denen Lastwagen mit ihrer Ladung durch Europa fahren, unterschätzt. Das gelte „bis vor kurzem“ auch für Züge ausländischer Eisenbahnunternehmen und das Trailer-Geschäft, bei dem zum Beispiel im gerade erweiterten Container-Bahnhof Köln-Eifeltor Auflieger von Sattelzügen von der Straße auf die Schiene und umgekehrt wechseln.

Container stehen im Umschlagbahnhof Köln Eifeltor auf Lkw und Güterzügen.

Von der Straße auf die Schiene: Trailer und Container stehen im Umschlagbahnhof Köln-Eifeltor auf Lkw und Güterzügen.

Deshalb müssten die Engpässe so schnell wie möglich beseitigt werden, sonst werde es unweigerlich zu Konflikten zwischen dem Personen- und dem Güterverkehr kommen. „In Folge zu geringer Kapazitäten auf den Schienenstrecken würde die Zahl der Personenzüge zurückgehen oder es würden mehr Lkw auf der Straße fahren, was sich beides negativ auf die Wirtschaft der Region und die Klimabilanz auswirken und das Ziel der Verkehrswende konterkarieren würde. Das Niveau der Überlastung des Schienennetzes wird ohne ein zeitnahes Gegensteuern 2040 schlechter sein als 2030“, heißt es in dem Papier.

Bis 2040 soll nach einer Prognose des Rotterdamer Hafens der Anteil der Schiene am Weitertransport auf 25 Prozent steigen. In Antwerpen rechnet man mit 15 Prozent. Träte dieser Fall ein, „würden die Engpässe noch dramatischer ausfallen“.

Der Bund hat sich schon einmal verschätzt

Mit Blick auf die im Herbst 2024 vom Bund vorgestellten Verkehrsprognosen für 2040 kommt der Gutachter zur Einschätzung, dass sich aufgrund der vorgelegten Untersuchung deutlich höhere Werte zeigen. Konkret schätzt er ein Gesamtvolumen von etwa 135 bis 185 Millionen Tonnen allein für Rotterdam und etwa 150 Millionen Tonnen für Antwerpen, jeweils für Verkehre von, nach und durch Deutschland. Der Bund hingegen rechnet in der Summe mit nur 170 Millionen Tonnen insgesamt und weist sogar einen Rückgang der Mengen um rund zwölf Prozent gegenüber dem Jahr 2019 aus.

Die IHKs im Rheinland fordern von der Bundesregierung eine Korrektur der Verkehrsprognosen sowie eine Neuausrichtung der Planung. Die Kapazitäten auf den betroffenen Schienenkorridoren im Rheinland müssen dringend erweitert werden.