Insekten sollen Feinde ausspionieren oder Verschüttete finden. Kölner Investoren sind begeistert, und es gibt weitere prominente Unterstützer.
Mit Kölner InvestorenDeutsches Start-up plant, Kakerlaken im Kriegsgebiet einzusetzen

Szene aus dem animierten Film, der den künftigen Einsatz von Kakerlaken bei Swarm Biotactics zeigt.
Copyright: Swarm Biotactics/Unlimited Visions
Die Handlung des einminütigen Actionfilms klingt wie ausgedacht, nach Hollywood: Soldaten werfen einen Koffer voller Kakerlaken in ein umkämpftes Gebäude. Die Tiere, ausgestattet mit einem winzigen Rucksack-Computer und ferngesteuert von den Soldaten, schwärmen aus und kundschaften die Umgebung aus, liefern Informationen zum Inneren des Gebäudes, zur Zahl der Feinde, zum Aufenthaltsort von Geiseln, schicken Fotos und Videos ihrer Umgebung. Mit Unterstützung der Insekten gelingt es den Soldaten, die Geiseln zu retten. „Mission erfüllt!“, sagt eine Sprecherstimme.
Doch der vollständig mithilfe Künstlicher Intelligenz produzierte Film des Hamburger Unternehmens Unlimited Visions ist keine Spielerei, soll nicht unterhalten. Nein, er soll Investoren zeigen, was das Kasseler Start-up Swarm Biotactics plant: den Aufbau einer Kakerlaken-Armee. So soll es möglich sein, die Insekten über elektronische Impulse fernzusteuern wie ein Spielzeugauto. Das „Manager Magazin“ berichtete in dieser Woche zuerst über das junge Unternehmen, dessen Idee wahnwitzig klingt.
Pentagon: Forschung an ferngesteuerten Insekten schon seit Jahrzehnten
Dass die Idee jedoch weder wahnwitzig noch eine Spinnerei ist, ist bereits belegt. Das zeigen zwei von mehreren Beispielen. Schon seit zwei Jahrzehnten forscht das US-Verteidigungsministerium an ferngesteuerten Insekten. Bereits 2008 implementierten sie winzige elektromechanische Systeme zum Empfang von Impulsen in Insekten. Das Ziel: der Einsatz bei Überwachungsmissionen. Und vor einem Jahr gelang es Forschern aus Singapur erstmals, eine Gruppe von 20 Kakerlaken mithilfe winziger, auf den Rücken geschnallter Computer fernzusteuern und sie so gemeinsam durch unwegsames Terrain zu manövrieren.
Swarm Biotactics betreibt in Kassel laut „Manager Magazin“ bereits ein Labor, in dem sich potenzielle Investoren Tests mit Kakerlaken anschauen können. Für Erfolgsmeldungen ist es noch zu früh, erst seit Herbst 2024 tüfteln die Gründer an Swarm Biotactics. Doch Investoren sollen bereits Schlange stehen. Das liegt auch daran, dass die Gründer in der Vergangenheit bewiesen haben, dass sie große Unternehmen aufbauen können.
Drohnen von Investor Jörg Lambrecht im Ukraine-Krieg im Einsatz
Jörg Lamprecht ist einer von ihnen, und er ist in der Rüstungsindustrie angesichts seiner Vergangenheit bestens vernetzt. Er gründete 2014 Dedrone – und verkaufte seine Firma im vergangenen Sommer für 500 Millionen US-Dollar an einen amerikanischen Hersteller von Elektroschockwaffen und Kamerasystemen für die Polizei. Mit Dedrone hatte Lamprecht sich auf die Abwehr von Drohnen spezialisiert. Angaben von Dedrone zufolge nutzt die Ukraine entlang der Frontlinie mit Russland fast 300 Dedrone-Geräte, um Drohnen des Feindes zu identifizieren. Laut dem Unternehmen nutzen die ukrainischen Streitkräfte auch dessen Technik, um russische Drohnen zu stören und abzuwehren.
Olaf Jacobi will lieber nicht von Rüstungsindustrie sprechen, er bevorzugt den Begriff Defense-Tech – Verteidigungstechnologie. Er ist einer der ersten Investoren bei Swarm Biotactics und geschäftsführender Gesellschafter des Kölner Risikokapital-Investors Capnamic Ventures. Die Investoren von Capnamic stecken Geld in Unternehmen, bei denen sie überzeugt sind, dass sie stark wachsen werden. „Für uns ist der Fokus auf Verteidigung wichtig“, sagt Jacobi über das Investment in Swarm Biotactics. Er betont, wie wertvoll die Insekten für die Rettung von Menschenleben sein können: „Die Suche nach Verschütteten in verseuchten und verstrahlten Gebieten kann mit ferngesteuerten Cyborg-Kakerlaken sehr gut durchgeführt werden.“
„Neue Ära der lebenden Maschinen“
Er und Lamprecht kennen sich gut. Jacobi investierte bereits in Dedrone und gründete vor 20 Jahren laut eigener Aussage mit Lamprecht sein erstes Unternehmen. Er ist davon überzeugt, dass die Vision der ferngesteuerten Kakerlaken erfolgreich in die Realität umgesetzt wird. „Was die Gründer da aufbauen, ist außergewöhnlich“, sagt Jacobi. Lamprecht wiederum machte zuletzt prominent Werbung für sein Vorhaben und hielt auf der Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar einen gut besuchten Vortrag darüber. Auf Linkedin spricht er von einer „neuen Ära der lebenden Maschinen“.
Swarm Biotactics sieht Jacobi früh auf dem richtigen Weg zum Erfolg. So sei die Neurotechnologie schon so weit, ein Insekt so zu reizen, dass es sich in die Richtung bewegt, die man will. Hinzu komme die Elektronik, der Rucksack mit Sensoren, und die Software, mit der am Ende die Kakerlaken gesteuert werden müssen: „Einen Schwarm Insekten zu steuern, ist komplexer als einen Drohnenschwarm zu steuern.“
Wie viel Geld bislang in Swarm Biotactics geflossen ist, ist unklar, das „Manager Magazin“ spricht von einer Millionenrunde. Weitere prominente Investorinnen und Investoren sollen Capnamic und Jacobi demnach gefolgt sein – darunter Susanne Wiegand, ehemalige Vorstandschefin des Rüstungskonzerns Renk, und der Gründer des Online-Möbelhändlers Home24, Philipp Kreibohm, der kürzlich bereits Geld in ein deutsches Start-up für Kampfdrohnen steckte.