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Kölner InstitutJeder dritte Verbraucher lehnt den Kauf von US-Produkten komplett ab

Lesezeit 4 Minuten
Mit ChatGPT erstellt: Bild zum Artikel über Boykott von US-Produkten wegen US-Zöllen

Von der US-Politik und Donald Trumps Zöllen fühlen sich viele Menschen abgestoßen.

Wer US-Produkte boykottiert, könnte damit die Falschen treffen, warnt eine Kölner Expertin.

Die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump zeigt Wirkung – aber nicht immer die beabsichtigte. Ein Drittel der Verbraucher in Deutschland lehnt den Kauf von US-Produkten mittlerweile komplett ab. Sie sind also bereits fest entschlossen, in den Vereinigten Staaten hergestellte Waren zu boykottieren. Und rund 40 Prozent sagen, sie wollen vermehrt auf Alternativen zu amerikanischen Produkten zurückgreifen. Das ist eines der Ergebnisse einer Befragung von Kundinnen und Kunden durch das Kölner Institut für Handelsforschung (IFH), die am Donnerstag veröffentlicht wird.

„Die Menschen sind durch die Vorgänge rund um Trump und die US-Zölle mindestens beunruhigt und nervös. Sie fühlen sich teilweise abgestoßen davon“, sagt Ralf Deckers, der beim IFH den Bereich Kundenbefragungen leitet. Der Kölner Marktforscher hat dafür auch einen Namen: „Wir nennen das den Trump-Faktor.“

Vor Trumps Zoll-Ankündigung befragt

Würden Verbraucherinnen und Verbraucher in dieser Woche befragt, fiele das Stimmungsbild womöglich noch deutlicher aus. Denn die Befragung wurde kurz vor der Pressekonferenz durchgeführt, in der Trump mithilfe überdimensionierter Schaukarten ankündigte, über 180 Länder und Territorien mit exorbitanten Einfuhrzöllen zu bestrafen. Es war schon bekannt, dass Trump neue Zölle erheben würde, wie umfangreich sie ausfallen würden noch nicht.

„Das ist eine Anti-Haltung, die sich vielleicht in Käufen niederschlagen wird“, sagt Handelsexperte Ralf Deckers über die Befragung – und ist vorsichtig in der Bewertung der Folgen für Märkte und Unternehmen: „Aber es gibt Unterschiede zwischen dem, was Leute erklären, was sie tun wollen, und dem, was sie tatsächlich tun.“

Besucht man die Foren-Plattform Reddit, lässt sich der Eindruck gewinnen, es gäbe tatsächlich eine Boykott-Bewegung. Dort ist die Gruppe „Buy from EU“ inzwischen auf fast 215.000 Mitglieder angewachsen. Sie propagieren die Abkehr von Produkten amerikanischer Hersteller – und wollen die Verkäufe von Firmen aus der Europäischen Union ankurbeln. Sie teilen Bilder ihres Boykotts, zeigen, wie sie ihr Streaming-Abo von Disney Plus kündigen, Fritz-Kola statt Coca-Cola kaufen, Nike-Schuhe aus- und Adidas-Schuhe anziehen.

Sie suchen nach Alternativen zu den Reis-Fertiggerichten von Uncle Ben's und veröffentlichen Listen mit europäischen Konkurrenz-Produkten von US-Software. Manche zeigen stolz Fotos von auf den Kopf gestellten Lebensmitteln amerikanischer Firmen in Supermarkt-Regalen – ein Ausdruck der Ablehnung. Einer hat sich die Mühe gemacht, alle Cerealien-Packungen von Kellog's aus- und verkehrt herum wieder einzuräumen. Manche zeigen auch, wie sie verschiedene Aufkleber bestellen. „Buy from EU“, „Made in EU“ oder „Boycott U.S. Products“ steht darauf.

Rewe gegen Boykotte

Die Kölner Handelskette Rewe teilt auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“, es gebe kein erhöhtes Aufkommen an Kundenanfragen zu dem Thema. „Boykotte oder Sonderkennzeichnungen lehnen wir ab“, sagt eine Sprecherin, „da sie ungewollt unbeteiligte Erzeuger und Betriebe treffen.“

Samina Sultan, Expertin für Wirtschaftspolitik und Außenhandel am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, teilt diese Einschätzung. „Verbraucher haben eine Marktmacht, die nicht unterschätzt werden sollte“, sagt die Volkswirtin. „Ich bin mir aber nicht sicher, ob Verbraucherinnen und Verbraucher das erzielen können, was sie intendieren. Wenn ich ein US-Produkt boykottiere, treffe ich im Zweifel auch Länder, die ich gar nicht treffen will – weil Vorprodukte und Rohstoffe aus diesen Ländern kommen.“ Wer den Fernseher aus den USA nicht kaufe, verzichte womöglich auch auf Vorprodukte aus Mexiko, China und Vietnam.

Sultan macht die möglicherweise fehlgeleitete Wirkung eines Boykotts an einem weiteren Beispiel fest, das wie kaum für den „American way of life“ stehe: „Wer McDonald’s boykottiert, trifft damit auch den deutschen Franchise-Unternehmer.“

Diese Logik lässt sich weiterspinnen: Wer auf den Kauf eines in Köln gebauten Ford Explorer oder Capri verzichtet, um dem US-Autobauer zu schaden, wird die etwa 11.500 Arbeitsplätze der Kölner Ford-Werke stärker treffen als Donald Trumps Politik. Hier ist das Gegenteil der Fall: Der Umsatz aller Ford-Verkäufe in Europa wird über Ford Deutschland in Köln bilanziert, jeder Verkauf eines Explorer oder Capri kommt dem Werk zugute, nichts davon fließt derzeit in die USA.

„Jedem Verbraucher steht es frei, die Produkte zu wählen, die er kaufen will“, sagt IW-Expertin Samina Sultan. „Aber die Antwort auf die Zollpolitik Donald Trumps, auf diesen Frontalangriff auf den Welthandel, muss auf staatlicher Ebene, auf Ebene der EU gefunden werden. Sie kann nicht von individuellen Entscheidungen abhängen.“