Die Betrugsmasche ist nicht neu. Die Täter erbeuten dennoch in vielen Fällen hohe Geldbeträge. Worauf gerade Senioren achten können.
Notlage vorgespieltAktionswoche gegen Schockanrufe - wie die Täter vorgehen

Betrüger rufen gezielt ältere Menschen an und gaukeln Notlagen von ihnen nahestehenden Menschen vor, um an ihr Geld zu kommen. (Symbolbild)
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Tausende ältere Menschen werden von skrupellosen und zumeist in Banden organisierten Tätern angerufen: Auf die perfide Betrugsmasche mit Schockanrufen wollen die Polizeien der Länder und des Bundes in der neuen Woche mit Aktionen aufmerksam machen. Dazu gehören Plakate, Telefonsprechstunden, Informationsveranstaltungen sowie das Auslegen von Info-Material unter anderem in Seniorenheimen. Die Behörden wollen aber auch Opfer dazu ermutigen, sich an die Polizei zu wenden. Die Fachleute gehen von vielen nicht gemeldeten Fällen aus.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) rät Betroffenen, sich an die Polizei zu wenden. (Archivbild)
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„Mit perfiden Maschen nutzen diese Täter die Gutmütigkeit älterer Leute schamlos aus. Damit verursachen sie jedes Jahr Schäden in Millionenhöhe“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) der dpa. Aber nicht nur das Geld, das weg ist, mache die Opfer betroffen. „Viele schämen sich, weil sie auf die Masche reingefallen sind und den Fremden vertraut haben. Aus Scham und Unsicherheit erstatten sie keine Anzeige“, verdeutlicht Reul. Wichtig sei, Fälle zu melden, für sich und für andere, damit die Polizei etwas unternehmen könne. „Das wollen wir mit der Aktionswoche erreichen.“
Wie gehen die Täter vor?
„Die Betrüger geben sich am Telefon als Enkel, Neffen beziehungsweise Nichten oder sogar Kinder der Senioren aus. Sie täuschen eine Notlage vor und bitten ihre Opfer um hohe Geldbeträge“, erklärt eine Sprecherin des Landeskriminalamtes (LKA) NRW die häufige Masche der Betrüger. Deshalb wird in diesem Zusammenhang auch vom sogenannten Enkeltrick gesprochen.
Die Senioren sollen dazu bewegt werden, zu ihrer Bank zu fahren, um das geforderte Geld abzuheben. Danach sollen sie es einem Boten, der vom vermeintlichen Verwandten geschickt werde, übergeben. Dabei würden die Opfer unwiederbringlich ihre Ersparnisse verlieren, warnt das LKA NRW.
Wen suchen die Täter als Opfer aus?
Gezielt werden ältere Menschen angerufen. Dabei könnte der Vorname im Telefonbuch ein Anhaltspunkt sein. Die betreffende Person werde so zufällig ausgewählt. „Besonders betroffen sind alleinlebende, ältere Menschen – sie können sich meist nicht mit jemandem aus ihrem näheren Lebenskreis beraten“, erklärt die LKA-Sprecherin. Auch Vereinsamung, Zerstreutheit und Demenz nutzten die Täter aus. Ältere Menschen seien oftmals zu Hause anzutreffen und somit auch gut über das Festnetz telefonisch erreichbar.
Inzwischen nutzten die Täter auch Messenger-Dienste wie WhatsApp, um ihren Opfern eine falsche Identität als Tochter, Sohn oder Enkel vorzuspielen und sie zu Überweisungen zu bewegen. Dabei eröffneten Betrüger häufig mit Nachrichten wie „Hallo Mama, hallo Papa, mein Handy ist kaputt, das ist meine neue Handynummer…“ einen Chat. Diese Betrugsversuche könnten jeden treffen. Die Täter nutzten das Vertrauensverhältnis aus, das zu Verwandten und Bekannten bestehe. Ziel sei auch hier, an Geld zu kommen.
Wer sind die Täter?
„Seniorinnen und Senioren zu betrügen, ist kein Kavaliersdelikt“, betont der NRW-Innenminister. Dahinter steckten oft skrupellose, hochprofessionelle Banden aus dem Ausland. „Sie haben es gezielt auf Menschen abgesehen, die helfen möchten und anderen Menschen vertrauen“, verdeutlicht Reul.
Auch Daten des LKA NRW für das bevölkerungsreichste Bundesland zeigen, dass die straff organisierten Tätergruppen meist aus dem Ausland heraus agieren. Das LKA geht davon aus, dass viele Fälle nicht angezeigt werden und die Zahlen so nicht das gesamte Ausmaß abdecken.
In NRW sind im vergangenen Jahr 3.068 Fälle von Schockanrufen und „Enkeltricks“ von Tätern bekanntgeworden, die aus dem Ausland agieren. Bei diesen Fällen waren zwar nur 65 laut LKA aus Sicht der Täter erfolgreich. Die Schadenssumme beläuft sich allerdings auf über 1,2 Millionen Euro. Von Fällen mit Bezug zum Ausland im Jahr 2024 konnten 19 aufgeklärt werden.
Außerdem wurden der Polizei NRW im Jahr 2024 mit Bezug auf Täter, die aus dem Bundesgebiet agierten, 514 Fälle angezeigt. Dabei waren sie in 279 Fällen erfolgreich. Die Schadenssumme beträgt gut 9,4 Millionen Euro. Mit Bezug zu diesen Tätern wurden 77 Fälle aufgeklärt.

Ältere Menschen sind oftmals zu Hause und gut über das Festnetz telefonisch erreichbar. Das wollen Betrüger mit Schockanrufen für sich nutzen. (Symbolbild)
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Warum funktioniert die Masche?
Die Täter nutzten bei ihren Schockanrufen insbesondere die Angst und Sorge um die Angehörigen aus, um ihre Opfer zu manipulieren. Dies könne den nüchternen Blick auf die Realität verstellen. „Daher kann auch jede und jeder Opfer werden“, erklärt die LKA-Sprecherin. Es werde von einem enormen „Dunkelfeld“ nicht angezeigter Taten und Versuche ausgegangen.
„Ein Großteil der Opfer empfindet Scham. Dabei trifft die Opfer dieser Betrugsmasche keine Schuld. Schuld sind immer die Täterinnen und Täter. Opfer haben auch keine Mitschuld“, unterstreicht die Sprecherin.
Wie können sich Senioren schützen?
„Folgen Sie nicht den Aufforderungen der Anrufer. Lassen Sie sich nicht in ein Gespräch verwickeln oder unter Druck setzen. Legen Sie einfach auf“, raten die Behörden. Es sollten keine Details zu persönlichen und finanziellen Verhältnissen preisgegeben werden. „Rufen Sie Ihre tatsächlichen Angehörigen unter der Ihnen bekannten Nummer an. Denken Sie daran: Die Polizei oder vergleichbare Amtspersonen werden Sie niemals telefonisch um die Aushändigung von Bargeldbeträgen oder Wertsachen bitten“, heißt es.

Die Täter hinter den Schockanrufen sind zumeist in Banden organisiert. (Symbolbild)
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Die Polizei rät, grundsätzlich keine Unbekannten in die Wohnung oder das Haus zu lassen. Wer einen Schockanruf erhalten habe, soll sich umgehend an die nächstgelegene Polizeidienststelle wenden und Anzeige erstatten.
Der Direktor des Landeskriminalamtes NRW, Ingo Wünsch, hat einen ganz persönlichen Tipp: „Die Betrüger setzen perfide Tricks ein, um ihr Gegenüber zu schockieren. Bereiten Sie sich, Familie und Freunde auf den möglichen Fall vor. Wir haben es getan und ein Codewort vereinbart, das uns hilft, den anderen eindeutig zu erkennen. Suchen Sie sich auch eins. Unseres bleibt mein Geheimnis“, sagte der LKA-Chef der dpa. (dpa)
