Stadtrat Florian Weber soll mit Kritik an der Erstaufnahmeeinrichtung im Agnesviertel das Fairness-Abkommen gebrochen haben.
Streit um FlüchtlingsunterkunftKritiker werfen Kölner CDU Tabubruch im Wahlkampf vor

In der ehemaligen Oberfinanzdirektion an der Riehler Straße soll eine Erstunterkunft für Geflüchtete entstehen. Foto: Arton Krasniqi
Copyright: Arton Krasniqi
Nicht auf Kosten von Menschen mit Migrationshintergrund Wahlkampf machen, keine Vorurteile gegen Migranten und Flüchtlinge schüren, Migranten nicht für Entwicklungen wie die Gefährdung der inneren Sicherheit verantwortlich machen: Dazu haben sich CDU, SPD, FDP, Grüne, Die Linke und Volt für den Kommunalwahlkampf im Rahmen eines Fairness-Abkommens des Kölner Runden Tischs für Integration verpflichtet.
Durch einen Wahlkampflyer des CDU-Stadtrats Florian Weber sehen Wolfgang Uellenberg-van Dawen, Sprecher des Runden Tischs für Integration, und Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats, dieses Fairness-Abkommen nun gebrochen. „Nein zur Großunterkunft. Für ein sicheres, lebenswertes Agnesviertel“ steht als Slogan auf Webers Flyer, auf dem CDU-OB-Kandidat Markus Greitemann fordert, die Entscheidung für eine Erstaufnahmeeinrichtung in der ehemaligen Oberfinanzdirektion am Reichensperger Platz zu korrigieren. Die Lage und die Dimension sprächen gegen die Landeseinrichtung für Geflüchtete – Weber schreibt in diesem Zusammenhang von bis zu 700 Menschen, die in der Unterkunft untergebracht werden könnten.
Ich sehe durch den Flyer das Fairness-Abkommen der demokratischen Parteien in Köln grob verletzt
„Ich sehe durch den Flyer das Fairness-Abkommen der demokratischen Parteien in Köln grob verletzt“, sagt Claus-Ulrich Prölß. Er habe den Runden Tisch daher gebeten, den Flyer an die Schiedsleute Gregor Stiels vom Katholikenausschuss und Bernhard Seiger, Stadtsuperintendent, weiterzuleiten. Dort liegen die Beschwerden vor. Sie prüften den Inhalt gerade und würden „intern mit den verantwortlichen Akteuren kommunizieren“, sagt Bernhard Seiger auf Anfrage. Er werde daher „vorerst nicht in der Öffentlichkeit Stellung nehmen“.
Alles zum Thema Agnesviertel
- Unmut im Kölner Agnesviertel Knöllchen-Ärger nach geänderter Parkordnung in der Ewaldistraße
- 450 Parkplätze entfernt Stadt Köln hätte mit mehr Augenmaß vorgehen müssen
- Trotz Kritik Land hält an Plänen für Kölner Unterkunft für geflüchtete Menschen fest
- „Nacht- und Nebelaktion“ Anwohner im Agnesviertel klagen über Wegfall von Parkplätzen – Stadt soll prüfen
- Eis für Hunde 7 Eisdielen in Köln und Region, die leckeres Hundeeis anbieten
- Bar, mehrere Pools Kölner Luxusmaklerin spricht über Top-Immobilien und Wünsche von Vermögenden
- Bedenken bei Anwohnern Viele Fragen zu Flüchtlingsunterkunft im Agnesviertel

Wolfgang Uellenberg-van Dawen, Sprecher des Runden Tisches für Integration
Copyright: Arton Krasniqi
Er bitte die demokratischen Parteien darum, „die geplante Erstaufnahmeeinrichtung des Landes für Flüchtlinge in der ehemaligen Oberfinanzdirektion nicht zum Thema in ihrem Wahlkampf zu machen“, sagt Wolfgang Uellenberg-van Dawen. Der Sprecher des Kölner Runden Tisches für Integration argumentiert, dass es sich um eine rein landespolitische Entscheidung handele, auf die „die Stadt keinen Einfluss hat. Wer auch immer den Eindruck erweckt, dass Wählerstimmen die Einrichtung verhindern können, täuscht die Menschen“.

Auf einem Wahlkampfflyer kritisiert Florian Weber (CDU) die geplante Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete im Agnesviertel. Bricht er damit ein Fairnessabkommen der demokratischen Parteien im Wahlkampf?
Copyright: Uli Kreikebaum
Die Kölner Grünen unterstützen die Kritik: „Mit falschen Behauptungen und populistischen Zuspitzungen betreibt die CDU Wahlkampf auf dem Rücken von Geflüchteten – und bricht damit das von allen demokratischen Parteien im Juli unterzeichnete Fairness-Abkommen des Runden Tisches“, schreibt die Partei.
Schon weil die Stadt den Vorschlag gemacht hat, die alte Finanzdirektion als Standort zu wählen, hat sie Einfluss genommen auf die Debatte. Die Kritik ist ein Unding
„Ein Unding“ nennt Serap Güler, Vorsitzende der Kölner CDU, die Vorhaltungen. „Schon weil die Stadt den Vorschlag gemacht hat, die alte Finanzdirektion als Standort zu wählen, hat sie Einfluss genommen auf die Debatte.“ Mit vielen Menschen teile die Kölner CDU die Ansicht, „dass eine derart große Unterkunft an diesem Standort in der Nähe des Ebertplatzes nicht im Sinne der Menschen sein kann“. Die CDU wolle keine Stimmung gegen Geflüchtete machen, so Güler. „Aber an dieser Stelle halten wir eine Einrichtung dieser Größe schlicht für falsch.“
Die CDU hat nach den Beschwerden auch an die Schiedsleute geschrieben. Darin schreibt Güler, der Flyer enthalte „weder gruppenbezogene Diskriminierung noch Schuldzuweisungen an Migranten. Er fordert eine Unterbringung, die Integration tatsächlich ermöglicht und die Würde der Betroffenen schützt. Sollte die Wortwahl Missverständnisse ausgelöst haben, betonen wir ausdrücklich: Unsere Politik richtet sich gegen Strukturen, nie gegen Menschen“.
Die Kritik des Runden Tischs für Integration empfinde sie als „übergriffig“, so Güler. „Dass diese nun mitten in einem der Drogen-Hot-Spots in Köln errichtet werden soll, hat außerdem sehr wohl mit der Entscheidung der Stadt zu tun. Wir halten dies weder für durchdacht noch eine würdige Ankunftsstelle für Menschen, die gerade in den ersten Tagen Orientierung brauchen.“
Die CDU schreibt von bis zu 700 Geflüchteten in der Unterkunft, geplant sind 500
Falsch ist die Zahl, die die CDU auch in ihrer Mail an die Schiedsleute verwendet: „Bis zu 700 Menschen“, von denen auch im Flyer die Rede ist, sollen in der Unterkunft nicht untergebracht werden – die Stadt hat sich mit der Bezirksregierung längst darauf geeinigt, dass das Gebäude mit maximal 500 Menschen belegt werden soll. Fakt ist, dass die Unterkunft ein emotionales Wahlkampfthema ist – für rechte wie linke Parteien.
In Erstaufnahmeeinrichtungen registriert die Bezirksregierung Geflüchtete und untersucht sie medizinisch. Sie können dort Asylanträge stellen, bevor sie in sogenannte Zentrale Unterbringungen und später in kommunale Einrichtungen wechseln.