Mit der Deutzer Brücke und der Severinsbrücke stehen zwei weitere der vier städtischen Rheinbrücken unter Denkmalschutz. Auch sie müssen instandgesetzt werden.
Denkmalschutz als Kostentreiber?Neubau der Mülheimer Brücke wäre günstiger und länger haltbar als die Sanierung

Die Mülheimer Brücke – stadtbildprägend und deshalb schützenswert?
Copyright: Alexander Schwaiger
Ist der das Stadtbild prägende Charakter der Mülheimer Brücke eine halbe Milliarde Euro wert, wenn für diese Summe zwei neue Brücken hätten gebaut werden können? Diese Frage muss die Stadt Köln sich gefallen lassen, nachdem sie am Donnerstag eine weitere immense Kostensteigerung bei der Sanierung des Bauwerks im Kölner Norden bekannt gab. Rund 500 Millionen Euro soll die 2016 vom Rat der Stadt Köln beschlossene Instandsetzung der unter Denkmalschutz stehenden Brücke jetzt kosten – damals plante man mit 116,3 Millionen Euro, inklusive 15 Millionen Euro Puffer.
Das Ende des Desasters dürfte dabei auch mit den 500 Millionen Euro längst nicht erreicht sein, die Stadtverwaltung geht schon jetzt von einer weiteren Kostensteigerung bis zur anvisierten Verkehrsfreigabe im März 2028 aus. 2029 ist der Bau abgeschlossen.
„Für diese Summe hätte man zwei neue Brücken bauen können“, sagt Martin Mertens, Professor für Technische Mechanik, Baustatik, Holz- und Brückenbau an der Hochschule Bochum. Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen und der Bundesingenieurkammer, rechnet etwas vorsichtiger als Mertens, kommt aber auch zu dem Schluss, dass mit 500 Millionen Euro ein Neubau der Mülheimer Brücke gut finanzierbar gewesen wäre.
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Inbegriffen wäre eine deutlich längere Haltbarkeit gewesen, denn bei heute neu gebauten Brücken gehe man davon aus, dass sie 70 bis 100 Jahre halten. „Eine Sanierung macht man nicht für 100 Jahre, da ist mit 50 Jahren schon viel gewonnen“, sagt Bökamp. Es bleibe viel alte Bausubstanz erhalten, und die werde nun mal schneller wieder marode als neue Strukturen.

Blick auf die Deutzer Brücke vor dem Kölner Dom, auch sie steht unter Denkmalschutz.
Copyright: Martina Goyert
Das heißt: Wenn die Mülheimer Brücke 2029 wie aktuell geplant elf Jahre nach dem Baubeginn fertig wird und im Anschluss die anderen drei städtischen Kölner Brücken ebenfalls saniert werden, die Zoobrücke, die Deutzer Brücke und die Severinsbrücke, und wenn das dann ebenfalls jeweils elf Jahre dauert – dann kann die Stadt gleich wieder von vorn beginnen. Blickt man auf den städtischen Haushalt, dürfte es aber immer schwieriger werden, das nötige Geld aufzutreiben. Denn auch die Deutzer Brücke und die Severinsbrücke stehen unter Denkmalschutz.
Experte bezeichnet Denkmalschutz bei Brücken als „Katastrophe“
Denkmalgeschütze Brücken seien eine „Katastrophe für Brückenbauer“, sagt Martin Mertens: „Brücken haben eine Funktion zu erfüllen, es sind Verkehrsbauten und die heißen so, weil da der Verkehr drüber fließen muss.“ Es gebe nichts Schwierigeres, als im Bestand zu bauen. Zumal die Aktenlage bei den Jahrzehnte alten Brücken häufig „nicht unbedingt gut“ sei. Deshalb erlebe man viele Überraschungen, wenn man einmal anfängt. „Das ist nicht unkalkulierbar, aber zumindest sehr schlecht kalkulierbar“, sagt Mertens. Im Gegensatz zu Neubauten, die man viel besser planen könne, sowohl bei den Kosten als auch bei der Zeitschiene. Ein gewisses Verständnis für die Nöte der Stadt Köln klingt da durch.
Ähnlich sieht es Heinrich Bökamp: „Überraschungen sind beim Bauen im Bestand unvermeidbar. Die damit ausgelösten Kosten sind schwer einzuschätzen und oft exorbitant hoch.“

Blick auf die Severinsbrücke vor Köln-Kulisse, die dritte der städtischen Rheinbrücken, die unter Denkmalschutz stehen.
Copyright: Michael Bause
Muss der Denkmalschutz also sein? „Da streiten sich die Gelehrten“, sagt Bökamp. Die einen wollen bewahren, was einst so schön aufgebaut wurde und seit Jahrzehnten das Stadtbild prägt. Umweltschützer pochen ohnehin auf Erhalt statt des neuen Verbrauchs von Ressourcen. „Aber wenn man es aus wirtschaftlicher Sicht betrachtet, landet man schnell beim Neubau“, sagt Bökamp: „Brücken sollen in erster Linie der Allgemeinheit dienen und da die Gelder immer knapper werden, sollte man sich gut überlegen, wo man sich Denkmalschutz leisten kann.“ Denn repariert werden müssten viele der deutschen Brücken. Und das jetzt.
„Man läuft dem Problem hinterher, weil man zu spät angefangen hat. Es braucht Mittel und Menschen, beides ist knapp, deshalb werden wir uns noch die nächsten Jahrzehnte mit maroden Brücken beschäftigen“, prophezeit Bökamp: „Ein gewisses Risiko wird man tragen müssen. Es wird ja schon jetzt jede Woche irgendwo eine Brücke gesperrt, und das wird exponentiell zunehmen. Wird eine Brücke gesperrt, nimmt der Verkehr auf der nächsten zu, und dann geht auch die in die Knie. Das ist ein Teufelskreis.“
Die Kölner Stadtverwaltung verteidigt die Sanierung der Mülheimer Brücke. Zum einen unterstreiche der Denkmalschutz der Brücke „die städtebauliche Bedeutung dieses Ingenieurbauwerks“, teilt ein Sprecher am Freitag auf Anfrage mit. Zum anderen hätten die Gesamtkosten der Sanierung nichts mit dem Denkmalschutz des Bauwerks zu tun, sondern mit der festgestellten maroden Bestandssituation.
Stadt Köln: Neubau der Mülheimer Brücke hätte eine vollständige Unterbrechung des Verkehrs für mehrere Jahre bedeutet
Bei den Planungen eines solchen Projektes gebe es immer eine „Variantenbetrachtung“, dabei werde geprüft, ob ein Ersatzneubau möglicherweise wirtschaftlicher ist als eine Sanierung. Für die Mülheimer Brücke gelte, so der Stadtsprecher: „Ein Neubau hätte eine vollständige Unterbrechung des Verkehrs für mehrere Jahre bedeutet, weil eine parallele Brücke aufgrund der dicht anstehenden Bestandsbebauung verworfen wurde.“ Deshalb werde nun die Gesamtinstandsetzung durchgeführt, die auch den Abriss und Neubau zweier Teilbauwerke (linksrheinische Deichbrücke und rechtsrheinische Rampe) beinhalte.
Wann und zu welchen Kosten die 1959 fertig gestellte Severinsbrücke und die Deutzer Brücke (1948) saniert werden sollen, kann die Stadt noch nicht sagen. Der Zustand beider Bauwerke werde geprüft, um zu entscheiden, welche zuerst dran kommt. „Der denkmalpflegerische Wert der Kölner Brücken der 1950er und 1960er Jahre liegt darin, dass sie die Stadtsilhouette und das Kölner Rheinpanorama – neben den historischen Gebäuden – entscheidend prägen“, betont der Stadtsprecher. Deshalb sei es der Stadt ein Anliegen, bedeutende Bauwerke zu erhalten.
Die Entscheidung „Neubau oder Sanierung“ der Severinsbrücke und der Deutzer Brücke werde unabhängig vom bestehenden Denkmalschutz „aufgrund von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen und aufgrund einer umfassend erkundeten Zustandsfeststellung der Bauwerke im Zuge der noch anstehenden Planung“ getroffen werden. Ob die Budget-Berechnungen dann näher an der Realität liegen werden als bei der Mülheimer Brücke, kann heute wohl niemand sagen. Ein Ersatzneubau neben den bestehenden Brücken ist auch an diesen beiden Standorten schwer vorstellbar. Nur so könnte aber während der Bauzeit der Verkehr weiterlaufen.
Hamburg hat sich wenig sentimental für den Abriss der Köhlbrandbrücke entschieden
Dass eine Stadt auch deutlich weniger sentimental auf ihre Bauwerke blicken kann, zeigt das Beispiel der Köhlbrandbrücke in Hamburg. Obwohl sie in der Liste der Hamburger Kulturdenkmäler erfasst ist und einst auf einer Sonderbriefmarke abgebildet wurde, hat der Senat den Abriss und Neubau der Brücke beschlossen. Die Kosten werden die Millionen für die Mülheimer Brücke allerdings deutlich überschreiten, sie sollen sich auf 4,4 bis 5,3 Milliarden Euro belaufen – was immerhin rund ein Viertel günstiger ist als ein Tunnel, der ursprünglich geplant war.
In Köln wird erst nach der Deutzer Brücke und der Severinsbrücke die nicht unter Denkmalschutz stehende Zoobrücke (1966) an der Reihe sein. Die Hohenzollernbrücke und die Südbrücke gehören der Deutschen Bahn, für die Rodenkirchener Autobahn-Brücke ist der Bund zuständig. Die Anzahl der Autobahnbrücken, die deutschlandweit instand gesetzt oder modernisiert werden müssen, beziffert das Bundes-Verkehrsministerium auf 8000. 4000 sollen bis 2032 prioritär modernisiert werden.
Allerdings warf der Bundesrechnungshof dem Verkehrsministerium zuletzt vor, viel zu langsam zu agieren. Ohne weitere Maßnahmen werde der Verfall nicht aufzuhalten sein und die Gefahr von weiteren Brückensperrungen werde sich erhöhen.