Bei einer Veranstaltung in der Kölner Synagoge kritisierten Redner den wachsenden Antisemitismus und forderten echte Freiheit und Demokratie.
Biggi Wanninger und Jürgen Becker dabeiAuch ernste Töne bei Kabarettabend in Kölner Synagoge

Die Synagoge in der Roonstraße: Das Plakat erinnert an den Überfall der Terrororganisation Hamas auf das Land Israel am 7. Oktober 2023. Seitdem sind zahlreiche Israelis als Geiseln gefangen. (Archivbild)
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Polizei vor der Tür, Security im Saal und an der Wand Bilder von Menschen, die entweder tot sind oder unter schlimmsten Bedingungen gefangen gehalten werden – vor einer solchen Kulisse kann Kabarett zum Kraftakt für die Künstler werden. Im Saal der Kölner Synagoge an der Roonstraße stellten sich Gerd Buurmann, Biggi Wanninger, Stefan Reusch und Christoph Sieber dieser Herausforderung.
Es gibt in Gaza zwei Arten von Geiseln. Die unter der Erde und die über der Erde.
Nach einem Prolog mit Buurmanns feiner Heine-Rezitation musste Moderator Jürgen Becker rasch erfahren, dass es nicht leicht werden würde, das Publikum gut zu unterhalten. Michael Rado vom Vorstand der Synagogengemeinde Köln sprach das schwierige Thema Nahostkonflikt denn auch ohne lange Umschweife an. Unsicherheit habe die jüdische Gemeinde erfasst. Vor allem, weil seit dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 und der Reaktion der israelischen Regierung kein Verlass mehr darauf sei, Israel als Zufluchtsort zu haben. Rado ging ausdrücklich auf Distanz zu Benjamin Netanjahu. Er kritisierte aber, dass es ausschließlich Ratschläge und Forderungen an Israel gebe, nicht jedoch an die Hamas. „Es gibt in Gaza zwei Arten von Geiseln. Die unter der Erde und die über der Erde.“
Wachsender Antisemitismus auch in Köln
Jürgen Becker sprach den wachsenden Antisemitismus an, der auch in Köln zu spüren sei. Jüdische Menschen würden hierzulande zu Unrecht pauschal für das Handeln der israelischen Regierung verurteilt. „Ich mache meinen iranischen Freund doch auch nicht für das Mullah-Regime verantwortlich. Im Gegenzug schiebt er mir doch auch nicht die Schuld dafür zu, dass in Köln nichts funktioniert“, so Becker.
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Nach einer Pause voll angeregter Diskussionen unter den etwa 200 Besuchern brachte Biggi Wanninger mit Klassikern aus der Stunksitzung den eigentlichen Kabarettabend in Schwung.
Stefan Reusch, vor allem dem Radio-Publikum bekannt, machte sich Gedanken über das Auto als „liebstes Kind der Deutschen“. Wer vier Autos habe, gelte als reich. Bei vier Kindern sehe das aber ganz anders aus. Eine Idee zum Kaufanreiz eines neuen Autos lieferte Reusch auch: „Warum nicht beim Kauf von zwei Autos ein drittes dazu?“
Christoph Sieber, Moderator der Sendung „Mitternachtsspitzen“, setzte mit einem furiosen Solo den Schlusspunkt. Im Schnelldurchlauf bekam die aktuelle Politik ihr Fett weg. Zugleich aber zeigte er sich besorgt über die „Erosion der Demokratie“. „Das macht mich manchmal sprach- und humorlos“, bekannte er. Demokratie bedeute aber Freiheit. Für sie müsse man immer noch kämpfen, denn echte Freiheit gebe es erst, wenn keine Polizeiwagen mehr vor einer Synagoge stehen müssen.