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„Es tropft von der Decke“Henriette Reker bei Erstwählern – Schüler zeigen der OB Missstände auf

7 min
Die amtierende Oberbürgermeisterin Henriette Reker spricht mit Schülerinnen und Schülern der Oberstufe der Heinrich-Böll-Gesamtschule. Auf dem Podium: Schulleiter Rolf Grisard (v.l.), OB Henriette Reker und die Schülerinnen Luci Voisin und Leyla Celikaslan.

Die amtierende Oberbürgermeisterin Henriette Reker spricht mit Schülerinnen und Schülern der Oberstufe der Heinrich-Böll-Gesamtschule. Auf dem Podium: Schulleiter Rolf Grisard (v.l.), OB Henriette Reker und die Schülerinnen Luci Voisin und Leyla Celikaslan.

Schüler kritisieren im Gespräch mit Henriette Reker Missstände – Oberbürgermeisterin ermutigt 43.627 Erstwähler zur Mitgestaltung

43.627 Kölnerinnen und Kölner dürfen am Sonntag das erste Mal wählen. Der scheidenden Oberbürgermeisterin Henriette Reker war es ein Anliegen, kurz vor der Kommunalwahl mit einigen der Erstwähler ins Gespräch zu kommen – drei Schulen besuchte sie in den vorigen Tagen und sagte den jungen Kölnerinnen und Kölnern dort: „Wenn Sie mitbestimmen wollen: Gehen Sie wählen. Informieren Sie sich und wählen Sie die Partei, wo Sie sich am meisten wiederfinden.“

In der Heinrich-Böll-Gesamtschule in Chorweiler versammelt sich Mittwochmittag die Oberstufe im „Pädagogischen Zentrum“ der Schule, der Aula. Mehr als 200 Jugendliche empfangen Reker für ein Podiumsgespräch zu Demokratie und Kommunalpolitik, von ihnen selbst vorbereitet. Reker fragt, was Kommunalpolitik sei.

Zögern. Dann sagt einer: „Stadtgestaltung.“ Reker fragt, wie sich die Schülerinnen und Schüler das zukünftige Köln vorstellen. Im Publikum geht eine Hand hoch, diesmal sehr schnell: „Mit besserer KVB“ sagt ein Oberstufenschüler. Er erntet lauten Beifall. „Die Bahn kommt selten pünktlich, ich komme oft zu spät zur Schule“, sagt er.

Alles zum Thema Henriette Reker

Reker stimmt dem Problem zu, weist aber ab: „Die KVB ist zwar eine städtische Organisation, aber ein eigener Betrieb“, sagt sie. Es sei zu lange zu wenig passiert. Später geht sie auf die neun Fachbereiche ein, die Dezernate, die die Verantwortung für Umsetzungen tragen würden. Und Reker gucke dann, ob die Ziele erreicht werden. „Ich bin sehr darauf angewiesen, dass die anderen mitmachen.“ Gemeint sind Rat und Dezernenten.

Kölner Schülerinnen und Schüler ist KVB wichtig

Viele Kandidatinnen und Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters erklären die Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs, der auch den jungen Kölnerinnen und Kölnern besonders wichtig ist, zu einem ihr Top-Themen. Auch persönlich wolle man sich für eine besser funktionierende KVB einsetzen, sagten einige.

Eine andere Schülerin fragt: „Viele Schulen sind marode, im Technikraum tropfte es schon von der Decke, als ich da saß, und wir konnten unsere Turnhalle nicht nutzen. Warum ist das nicht früher angegangen worden?“ Reker stimmt wieder zu: Man habe nicht darüber nachgedacht, dass man Schulen und Brücken sanieren muss. „Als ich ins Amt kam, war mir klar, dass da viel auf uns zukommt.“ Heute investiere Köln mehr in Schulbau als alle anderen deutschen Städte.

Am Rande der Veranstaltung sagt Reker, zweimal im Jahr habe sie sich in ihrer Amtszeit, die 2015 begann, mit dem Kölner Jugendring getroffen. „Ich habe immer gefragt, was Jugendliche in Köln interessiert. Das ist eine Perspektive, die ich sonst nicht habe.“

Auch der Ausbau des Geißbockheims interessiert das Publikum, nicht nur als Fans. Für das Catering im und rund ums Stadion zu arbeiten, ist ein beliebter Nebenjob für Oberstufenschülerinnen und Schülern. Sie fragen auch: „Wie bringt man mehr Jugendliche in Sportvereine?“ - „Wieso gibt es nicht mehr Sportplätze?“ 

Eine weitere Schülerin sagt: In der Wahlwerbung werde viel versprochen, zum Beispiel günstigeren Wohnraum zu bieten. „Das wird doch seit Jahren gesagt, ist das ehrlich gemeint?“

Auf die Frage der jungen Moderation von Leyla Celikaslan, Luis Pusch und Lucie Voisin, was für Reker eine gelungene Demokratie im Kommunalen ausmache, sagte sie: „Dass Bürgerinnen und Bürger mitbestimmen und die Urform davon ist zur Wahl zu gehen: Sie entscheiden, wer meine Nachfolgerin oder mein Nachfolger wird.“

OB Henriette Reker betont Gewicht der Interessen Jugendlicher

Er oder sie werde all die Anliegen der jungen und älteren Kölner priorisieren müssen, was in der schwierigen Haushaltslage noch machbar sei und nicht und welche der wenigen verfügbaren Flächen wofür verwendet werden: Schulen, Sportplätze, Verkehr, als Park oder Wohnraum. Eins wünscht sich die scheidende Oberbürgermeisterin für die Jugendlichen: Dass „in Köpfe“ investiert werde: „Man muss gut ausgebildet sein und kann sich dann für seine Stadt zu engagieren.“

Die Oberstufe der Heinrich-Böll-Gesamtschule nimmt Rekers Besuch ernst, ein Foto mit der OB wollen am Ende viele haben.

Reker sagte nach der Veranstaltung: „Ich nehme die Bestätigung mit, dass man den Schülerinnen und Schülern viel mehr zutrauen kann, als viele es tun. Das Wichtigste ist, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen, selbstständig Fragen zu stellen.“

Was die Erstwählerinnen und Erstwähler beschäftige, so Reker, sei besonders relevant: „Das kommt bei vielen Parteien zu kurz, die Wahlprogramme entsprechen nicht einer jungen Zielgruppe.“


Was Erstwähler sich für Köln wünschen

„Die KVB soll zuverlässiger werden“

Oskar Maul

Oskar Maul

Oskar Maul, 18 Jahre, 11. Klasse, Huboldt-Gymnasium Politisch informiere ich mich über die Tagesschau und wenn ich in sozialen Medien ein bestimmtes Thema vorgeschlagen bekomme, was mich interessiert, recherchiere ich danach nochmal genauer dazu. Ich erhoffe mir zum einen, dass die KVB zuverlässiger wird und die Bahnen regelmäßiger kommen. Außerdem würde ich mir wünschen, dass sich das Bildungssystem so verändert, dass Kinder und Jugendliche, die beispielsweise introvertiert sind oder denen es schwerer fällt zu lernen, nicht mehr benachteiligt werden und dieselben Chancen haben. Mit meiner Stimme am 14. September möchte ich auch ein Zeichen gegen rechts setzen.

„Chancengleichheit ist wichtig“

Tárá Kurt

Tárá Kurt

Tárá Kurt, 18 Jahre, 13. Klasse, Trude-Herr-Gesamtschule Mülheim Für mich ist es die erste Kommunalwahl und ich bin sehr froh, die Chance zu haben, mit meiner Stimme mitzuwirken. Gleichzeitig wünschte ich mir sehr, dass mehr Jugendliche wählen gehen. Von der Schule aus hatten wir vor den Ferien einen ganzen Tag, an dem wir uns nur mit den Kommunalwahlen beschäftigt haben. An meiner Schule gibt es vergleichsweise viele Schülerinnen und Schüler, die in Umfragen angegeben haben, dass sie nicht wählen gehen wollen und unter anderem deshalb haben unsere Lehrer diesen Tag organisiert. Generell informiere ich mich auch über Nachrichten und viele Themen diskutieren wir in der Bezirksschülervertretung, in der ich auch Mitglied bin. Chancengleichheit ist meiner Meinung nach ein wichtiges Thema und das fängt schon in der Grundschule an: Warum ist die eine Schule unglaublich renommiert, hat digitale Endgeräte und kann sich alles leisten und andere Schulen können das nicht? Wo ich auch Veränderungsbedarf sehe, ist in der Anbindung. Leute, die beispielsweise am Kölnberg wohnen, brauchen extrem lange zur Schule und in die Innenstadt. Ich würde mir wünschen, dass auf die Kölnerinnen und Kölner dort mehr Rücksicht genommen wird.

„Der Rechtsruck macht mir Angst“

Marie Hacker

Marie Hacker

Marie Hacker, 16 J., 11. Klasse, Deutzer Gymnasium Schaurtestraße Am 14. September darf ich bei der Kommunalwahl das erste Mal wählen – was für mich ein tolles Gefühl ist. Ich habe schon sehr früh angefangen, mich für Politik zu interessieren und bin seit vier Jahren Mitglied bei Fridays for Future und in der Bezirksschülervertretung Köln. Dieses Engagement hilft mir, mit meinem Weltschmerz umzugehen, der durch die vielen schlimmen Nachrichten ausgelöst wurde. Mich mit Politik zu beschäftigen und mich für Anliegen einzusetzen, gibt mir viel Halt. Themen, die mir besonders am Herzen liegen, sind zum einen der Klimawandel. Gerade die letzten Wochen habe ich mir bei Spaziergängen durch die Stadt gedacht: Wie ist es, wenn ich in 50 Jahren hier bin? Wachsende soziale Ungleichheit und der Rechtsruck sind auch Themen, die mir Angst machen. Ich freue mich aber, mit meiner Stimme bei der Wahl ein Zeichen zu setzen.

„Ich wünsche mir mehr Sportplätze“

Veit Brungs

Veit Brungs

Veit Brungs, 16 Jahre, 11. Klasse, Leonardo-da-Vinci-Gymnasium Nippes In meinem Freundeskreis reden wir häufig über politische Themen – wir tauschen unsere Meinungen aus und lassen so ein Gesamtbild entstehen. Tiktok, Instagram und weitere soziale Medien nutze ich bewusst nicht für Informationsbeschaffung. Ich finde, es ist ein Privileg in einer vergleichsweise so toleranten Stadt wie Köln zu leben und ich freue mich, mit meiner Stimme am 14. September meinen kleinen Beitrag dazu zu leisten, dass das so bleibt. Es gibt viele Themen, bei denen ich mir Verbesserungsbedarf wünsche und hoffe, dass man nach der Wahl langsam Fortschritte sieht. Ein großes Thema ist für mich die Bildung. Da würde ich mir wünschen, dass, vielleicht durch Workshops oder Aktionstage mehr Medienkompetenz vermittelt wird. Was ich mir auch wünsche, sind mehr Sportplätze und das vorhandene Sportplätze auch als nutzbar sind.

Protokolle aufgezeichnet von Antonia Malachewitz.