Die Uniklinik entließ im Vorhinein rund zwei Drittel ihrer Patienten. Etwa 7500 Anwohner und Geschäftsleute waren betroffen.
„Desaster“ für die Kölner UniklinikSo lief die Bombenentschärfung in Lindenthal

Markus Schmitz (l.) und Martin Bartels vom Kampfmittelräumdienst mit der entschärften Bombe
Copyright: Michael Bause
Es war Zufall, dass die amerikanische Fünf-Zentner-Bombe am vergangenen Freitag im Lindenhof gefunden wurde. In der Straße hatten städtische Bauarbeiten an den Leitungen eines Hauses stattgefunden. Um 14.48 Uhr an diesem Donnerstag entschärften Mitarbeiter vom Kampfmittelbeseitigungsdienst Rheinland den Blindgänger, der nur knapp 30 Zentimeter unter der Oberfläche lag. Zuvor liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Besonders betroffen: die Kölner Uniklinik.

Mit Wasser befüllte Container sollten im Ernstfall eine Detonation abdämpfen.
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„Für uns ist das ein Desaster“, sagte Dr. Felix Kolibay, ärztlicher Notfallkoordinator der Uniklinik. Ungefähr 90 Prozent der Krankenversorgung fielen in den Bereich, der geräumt werden musste. „Das ist die größte Evakuierung der letzten Jahre. Ich erinnere mich an keine größere.“
Kölner Uniklinik: Bombenfund „nahezu eine Katastrophe“
„Bis auf die Notfälle haben wir seit Samstag einen Aufnahmestopp verhängt. Alle geplanten Behandlungen und Operationen, bei denen es medizinisch vertretbar war, haben wir abgesagt und die Menschen entlassen“, erklärte Kolibay. Von rund 1500 Patienten verließen etwa zwei Drittel das Klinikum. 320, darunter Intensivpatienten, wurden intern in sichere Bereiche außerhalb des Gefahrenradius verlegt. Unterstützung von anderen Krankenhäusern benötigte die Uniklinik nicht.
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Anwohner verlassen das Evakuierungsgebiet über die Zülpicher Straße.
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Diese waren laut dem Anästhesisten ohnehin mit erheblich mehr Kranken belastet. Für die Gesundheitsversorgung in der Region sei der ungeplante Bombenfund „nahezu eine Katastrophe“ gewesen: „Jeder Tag, den wir als Uniklinik nicht normal funktionieren können, führt überall zu einem erheblichen Rückstau.“ Das betreffe nicht nur Operationen, sondern auch ambulante Behandlungen, beispielsweise von Krebs- oder Dialysepatienten.
150.000 Liter Wasser zur Dämpfung
Neben dem medizinischen Personal der Uniklinik war auch die Werksfeuerwehr im Einsatz, die dabei unterstützte, sechs im Lindenhof abgestellte Container jeweils mit 25.000 Litern Wasser zu befüllen. Diese sollten im Ernstfall eine Detonation abdämpfen. Das Wasser pumpte die Feuerwehr aus einem nahegelegenen Hydranten. Diese Vorgehensweise habe sich bewährt, sagte Sprecherin Susanne Hörle.

Die Fundstelle der Weltkriegsbombe im Lindenhof.
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Ebenso routiniert gingen rund 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Ordnungsamt vor, die ab 9 Uhr mit dem ersten Klingelrundgang begannen. Etwa 7500 Anwohner und Geschäftsleute waren von der Evakuierung betroffen. „Ich habe aufgehört zu zählen, die wievielte Entschärfung es für mich ist“, sagte Johanna Lobenstein, die 2022 ihre Ausbildung beim Ordnungsamt abschloss, lachend. Sie war für den Bereich Kerpener und Zülpicher Straße zuständig.
Freigabe hätte früher erfolgen können
Die Vorgehensweise sei immer gleich: „Ohren auf, Augen auf, und dann hoffen wir, dass alle rauskommen.“ In ihrem Bereich waren die Anwohner aber sehr kooperativ: „Alle wussten Bescheid. Jaja, wir sind gleich weg, hieß es dann meistens.“ Um kurz nach 14 Uhr gab es die Freigabe, die auch schon eine gute Stunde vorher hätte erfolgen können, wenn an anderen Orten nicht doch Menschen aus der Reihe getanzt wären: So versuchte eine Person, die Sperre an der Ägidiusstraße zu durchbrechen, wurde aber vom Ordnungsamt daran gehindert.

Familie Funda hatte sich etwas zum Lesen in die Theodor-Heuss-Realschule mitgebracht.
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Solche Einzelfälle gebe es leider immer, sagte Johannes Brauns, Sprecher der Einsatzleitung. Die weit überwiegende Mehrzahl hielt sich aber an die Vorgaben. Schon vor 9 Uhr verließen viele Anwohner, teilweise mit Rollkoffern, den Gefahrenbereich. „In den letzten Wochen hat unsere Wohnung bei anderen Bombenfunden immer schon am Rand von Evakuierungsgebieten gekratzt“, erzählte Andrea Emil, die auf der Zülpicher Straße wohnt. „Gefühlt war es nur eine Frage der Zeit, dass wir mal rausmüssen.“ Sie verbringe die Zeit bei ihrer Mutter.
Rund 80 Personen suchten die Anlaufstelle in der Theodor-Heuss-Realschule auf, wo Mitarbeiter der Malteser sie mit Kaffee oder Müsliriegeln versorgten. Außerdem transportierten die Malteser Menschen in die Euskirchener Straße, die nicht selbstständig kommen konnten. Die in der nahegelegenen Lechenicher Straße wohnende Rentnerin Dagmar Holke kam zu Fuß. Für die Sülzerin war es die zweite Bombenentschärfung: „Die andere war 2006 am Auerbachplatz“, berichtete sie. „Ich hätte auch zu Freunden gehen können, aber dann sitzt man nur im Weg. Deshalb bin ich hierher gekommen.“