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Netzchefin Susanne Fabry„Wir haben bei der Rhein-Energie täglich Cyberangriffe“

Lesezeit 8 Minuten
16.06.2025, Köln: Interview mit Netzvorständin Susanne Fabry vom Unternehmen Rheinenergie AG. Foto: Arton Krasniqi

Susanne Fabry ist bei der Kölner Rhein-Energie für das Netz verantwortlich.

Rhein-Energie-Netz-Vorständin Susanne Fabry spricht über Investitionen in Milliardenhöhe, Bombenfunde und Angriffe auf das Unternehmen.

Frau Fabry, die Rhein-Energie will fast vier Milliarden Euro in den kommenden Jahren in die Energiewende investieren. Wohin fließt das Geld konkret?

Susanne Fabry: In den Umbau unserer Energieinfrastruktur. Ungefähr 1,9 Milliarden Euro wollen wir bis zum Jahr 2035 ins Netz investieren. Der Rest geht in die Erzeugung, Europas größte Flusswasserwärmepumpe am Rhein ist ein Riesenthema für uns. In den drei Fernwärmenetzen investieren wir in eine grünere Erzeugung. In Rondorf-Süd bauen wir eine kalte Nahwärmeerzeugung.

Was heißt kalte Nahwärme?

Wir verlegen ein komplettes Nahwärmenetz in dem neuen Quartier, allerdings ist die Wärme nicht so warm wie bei unseren konventionellen Fernwärmenetzen mit bis zu 120 Grad. Kalte Nahwärme ist Grundwasser, das wir aus einem eigenen Netz in die Häuser pumpen, so dass diese ihre eigene Grundwasserwärmepumpe anschließen können. Das Wasser hat eine konstante Temperatur von zwölf Grad. Die Wärmepumpe entnimmt vier Grad Temperatur aus den zwölf Grad. Mit dieser Energie werden die Häuser beheizt. Das Wasser kehrt dann sauber und etwas abgekühlt über so genannte Schluckbrunnen zurück ins Erdreich, also ins Grundwasser. Die Kunden haben keine Verbrauchskosten mehr, sondern zahlen einen Fixpreis. Für uns ist das auch besser, weil ja nicht jeder Bauherr einzeln das Grundwasser anbohren muss. Wenn mehrere Tausend Wasser-Wärmepumpen alle einzeln Grundwasser entnehmen und wieder zurück führen, wird das sehr aufwendig und teuer und verbessert auch nicht die Qualität.

In welchem Zustand sind das Netz und die übrige Infrastruktur?

Wir profitieren davon, dass immer gut ins Netz investiert worden ist und wir in Köln eine vergleichsweise gute Infrastruktur haben. Aber viele Netz-Teile, die aus den 1960er und 1970ern stammen, bei Strom und Wasser, stehen zur Erneuerung an. Wir befinden uns in einem langfristigen Umbau des Hochspannungsnetzes, um mehr Leistung in die Stadt zu bekommen. In Siedlungen müssen wir Leitungen kleinteilig erneuern und gleichzeitig verstärken. Ich möchte nicht, dass wir in einen gewaltigen Rückstau geraten. Wir müssen jetzt dranbleiben. Die Wasserleitung „Weißer Bogen“ ist zum Beispiel ist aus den 1960er Jahren, es ist eine wichtige Transportleitung zum Wasserwerk und wird jetzt komplett erneuert.

Fernwärmeleitung bei Merkenich

Fernwärmeleitung bei Merkenich

Heißt das: aufbuddeln, neues Rohr legen?

Beim Weißen Bogen bauen wir neben der bestehenden Leitung eine neue Leitung, weil wir auf die bestehende nicht verzichten können. Die Leitung verläuft 8,5 Kilometer durch Rodenkirchen. Das ist aktuell eine der größten Einzelinvestitionen ins Rohrnetz. Wir fangen in diesem Monat an und wollen in zwei Jahren fertig sein. Es ist komplex, mit Walddurchquerung sowie der Querung zahlreicher Straßen bis hin zur Autobahn.

Und wir arbeiten aktiv an verbesserten Informationsplattformen. So planen wir ein Baustellenportal, auf dem Verbraucher alle Baustellen sehen können, Ende 2026 soll es ans Netz gehen. Allerdings betreiben wir ‚kritische Infrastruktur‘ und prüfen genau, welche Informationen wir nach außen geben. Uns nicht wohl gesonnene Menschen können die Informationen sonst nutzen, um uns Schaden zuzufügen. Wir denken immer auch an den Schutz der Infrastruktur.

Hat es schon mal einen Angriff auf die Rhein-Energie-Infrastruktur gegeben?

Wir haben täglich Cyberangriffe. Das ist leider ganz normal in der Energie und der heutigen Zeit. Wir haben dafür eine sehr gut aufgestellte IT-Abteilung. Voriges Jahr hatten wir eine Reihe von Einbrüchen in Umspannwerke, aber man konnte nichts Zusammenhängendes daran entdecken. Möglicherweise war es nur ein Diebstahl von Materialien, was aber auch gefährlich sein kann.

Wie viele laufende Baustellen haben Sie?

Wir haben circa 500 Baustellen im Moment, alle parallel. Von der kleinen Netzvorstreckung oder Dutzenden von Hausanschlüssen über mehrere Straßenzüge bis hin zu Großprojekten wie eben Weißer Bogen. Wir haben 20 bis 30 Großprojekte, etwa den Anschluss des Flughafens an eine verstärkte Stromversorgung. Im Kölner Süden bauen wir den 110.000-Volt-Ring neu, als Rückgrat der Versorgung. Wir schließen das KVB-Busdepot Kaiserstraße in Porz an. 200 bis 300 mittelgroße Maßnahmen haben wir noch dazu, teilweise über ein oder mehrere Jahre hinweg. Und dann die vielen kleineren Projekte, dabei sprechen wir von unter 100.000 Euro je Maßnahme.

Wie viele Bombenentschärfungen gibt es im Jahr, wie oft ist es falscher Alarm?

Wir haben im Jahr 2024 rund 1200 Anfragen für Baustellen an die Stadt gestellt. Anfragen für Aufbruchgenehmigungen, also vor dem Baggern. Immer wenn der Bagger in Köln kommt, stellen wir vorher eine Anfrage. In circa 50 Prozent der Fläche in Köln handelt es sich um potentielle Verdachtsflächen und die Behörde ordnet eine Kampfmitteluntersuchung an. Dann gibt es eine Sonderuntersuchung durch den Kampfmittelbeseitigungsdienst (KBD), der dann die konkrete Gefahr ermittelt, das heißt es wird eine Sondierung der Verdachtsfläche durchgeführt. Ungefähr fünf Prozent führen dann zu einem Bombenfund. De facto gibt pro Jahr in Köln gut 30 Bombenentschärfungen. Aber in doppelt so vielen Fällen sind die Verdachtsfälle so bedeutend, dass der KBD mit vollem Programm anrücken muss. Manchmal ist es natürlich auch falscher Alarm, wie kürzlich, als sich eine vermeintliche Bombe als alte Stahlträger entpuppte.

Wie stark steigen die Kosten für Bauen durch diese Entschärfungsmaßnahmen, oder trägt die jemand anders?

Wenn wir eine Baustelle haben, müssen wir das tragen. Letztlich trägt es die Allgemeinheit über die Netzentgelte.

Wie soll das Fernwärmenetz ausgebaut werden? Wo und im welchem Maße? Es ist ja freiwillig, wie gut wird Fernwärme angenommen, wo es sie gibt?

Es gibt verschiedene Cluster. Im Innenstadtbereich haben wir ja schon viel Fernwärme liegen, da versuchen wir, weiter zu verdichten und neue Kunden dazu zu bekommen. Zum Innenstadtnetz gehören auch Mülheim und Deutz. Wir haben einen Düker gelegt an der Mülheimer Brücke, mit dem wir Entwicklungszonen wie das Lindgens-Areal oder Euroforum abdecken. Das Innenstadt-Netz ist bei weitem das größte. Die zwei anderen Netze sind der Kölner Norden und der Kölner Osten, also Chorweiler und Merheim. Diese drei Netze sind nicht miteinander verbunden. Wir gehen zweigleisig vor:  die Erzeugungs-Kapazität ausbauen, ohne das können wir die Netz-Kapazität ja nicht vergrößern. Ein wirklicher Netzausbau ist also der zweite Schritt. 500 Millionen Euro in unserem Investitionsplan bis 2035 sind allein für das Fernwärmenetz bestimmt, von den eingangs erwähnten 3,8 Milliarden.

Wie ist es mit dem Fernwärme-Monopol umzugehen?

Die Fernwärme steht im Wettbewerb. Sie muss am Ende für den Kunden so attraktiv sein, dass er sich anschließt, und nicht sagt, Wärmepumpe oder Gas ist billiger. Bei einer kurzfristigen Rechnung ist eine Gasheizung im Moment deutlich günstiger als ein Fernwärmeanschluss. Das lässt die Zukunftskosten über steigende CO2-Preise und oft auch den Investitionsanteil außer Betracht. Momentan beantragen Vermieter keine Fernwärme für die Häuser, wenn diese im rückwirkenden Kostenvergleich teurer wäre – sie tragen dann selbst den Unterschiedsbetrag. So schreibt es eine veraltete Regelung vor, die leider die Kostenentwicklungen für die Zukunft nicht einbezieht. Da schneidet Fernwärme oft viel besser ab, wegen der Umweltvorteile. Und nur Fernwärme anzubieten, ohne zu dämmen, wird für einen weiteren Ausbau nicht ausreichend sein, dazu reichen unsere Kapazitäten nicht aus in Köln. Für große Sprung-Investitionen wie Transportleitungen benötigen wir eine Förderung. Das können wir auf Dauer nicht aus eigenen Mitteln stemmen und auch die Umlage auf alle Kunden würde zu massiv steigenden Preisen führen. Allein eine Vorstudie zu einer neuen Trasse aus Niehl kostet zweieinhalb Millionen Euro. Die eigentliche Leitung dann möglicherweise an die 90 Millionen Euro, die wir erst einmal nicht refinanziert bekommen durch Fernwärmeverkauf.

Macht es angesichts der heutigen Gaspreise überhaupt Sinn, diesen Fernwärmeausbau voranzutreiben?

Wir wissen ja, dass es mit der Erdgasversorgung, wie wir sie heute kennen, irgendwann einmal vorbei sein wird. Wir wollen ja dekarbonisieren. Und was wir uns jetzt anschauen, hat ja Auswirkungen auf die nächsten 25 bis 30 Jahre. Wir sehen diesen Ausbau strategisch. Bei großen Infrastrukturmaßnahmen bedarf es unbedingt großer Weitsicht. Da braucht man nur in die Kölner Geschichte zu blicken. Von großen Projekten, die schon Konrad Adenauer zu seiner Zeit als Oberbürgermeister angelegt hat, profitieren wir noch heute. Wir fordern auf jeden Fall nicht wie Mannheim oder Hannover einen Anschluss- und Benutzungszwang bei der Fernwärme. Wir werden auch nicht jeden anschließen können, wenn wir das kostendeckend angehen wollen. 

16.06.2025, Köln: Interview mit Netzvorständin Susanne Fabry vom Unternehmen Rheinenergie AG.

Netzvorständin Susanne Fabry der Rhein-Energie

Wie viele Kölner könnten Fernwärme nutzen?

Stadtweit gesehen, sind heute rund 18 Prozent der Kölner an die Fernwärme angeschlossen. Es gibt Innenstadtbezirke, da haben wir eine Fernwärme-Quote von fast 80 Prozent. Gesamtstädtisch lässt sich das maximal auf 30 Prozent steigern, wenn es noch wirtschaftlich sein soll, und selbst dafür werden wir schon gewaltig investieren. Wir sind auch nicht vergleichbar mit Mannheim, wo man nach dem Krieg am Reißbrett eine neue Stadt konstruiert und von Anfang an Fernwärme gelegt hat. Köln kam da erst viel später, um 1960.

Wie sieht es mit der Kölner Trinkwassergewinnung aus, wo kommt unser Wasser her, aus dem Rhein?

Wir können in Köln relativ gut Wasser gewinnen, und das in sehr hoher Qualität. Unser Trinkwasser kommt aus dem Grundwasser der Kölner Bucht. Geographisch sieht die aus wie eine riesige Schüssel, und in deren Untergrund sammelt sich das Wasser, bis zu 30 Meter mächtig. Oberflächenwasser braucht bis zu sechs Monaten, um zu unseren Grundwasser-Brunnen zu kommen. Wir haben eine so gute Wasserqualität, dass wir keinerlei Desinfektion brauchen.

Aber den Kalk kriegt man nicht raus aus dem Wasser?

Das hätte keinen Sinn. Trinkwasser ist ein Naturprodukt, der Kalkgehalt gehört dazu. Nehmen wir ihn raus, so wäre es ein chemischer Prozess, der nicht sinnvoll wäre. Man hätte quasi destilliertes Wasser, das wieder künstlich angereichert werden müsste. Das wäre energetisch wahnsinnig aufwendig und teuer. Das Kölner Wasser ist halt mineralisch, und auch ich entkalke meinen Wasserkocher regelmäßig mit Essigessenz oder Zitronensäure. Angesichts des guten Produktes gehört das dazu. Für Mineralwasser zahlt man viel mehr. Unser Trinkwasser enthält die Mineralien frei Haus.

Sie haben fünf Prozent mehr Personal, warum?

Wir haben viel neu eingestellt, insbesondere im Netz. Da waren wir nicht so gut aufgestellt. Wir sind noch auf dem Weg, und gerade mit dem Netzbereich müssen wir mehr Strecke schaffen, und mehr Dienstleistung.

Was hat es mit dem 110 KV-Netz auf sich?

Wir haben knapp 400 Kilometer Hochspannungsnetz in Köln, das meiste davon unter der Erde. Das sind die Stadtautobahnen der Elektrizität. Nach und nach erneuern wir dieses Netz, weil wir mehr Leistung benötigen, etwa für E-Mobilität, Wärmepumpen und auch für Gewerbeanwendungen. Außerdem wollen viele Kunden ja auch ihren Solarstrom bei uns einspeisen. Die Kunden beantragen größere Anschlüsse. Wir sind dabei, binnen 30 Jahren das Netz unter Köln komplett zu erneuern, um langfristig den Bedarf abdecken zu können.

Die Rhein-Energie hat eine eigene Tiefbaufirma, Elmo, wozu braucht es die?

Wir hatten Engpässe beim Bau. Wir werden sehr viel mehr Tiefbau-Maßnahmen benötigen und können so mehr Einfluss nehmen. Die Elmo hat 120 Mitarbeiter, der Inhaber suchte einen Nachfolger. Die haben auch bisher schon zu 80 Prozent für uns gearbeitet. So sichern wir die Arbeitsplätze und schaffen Nutzen.

In Köln klingt es irgendwie immer nach Klüngel, wenn eine städtische Tochter eine eigene Baufirma hat…

Fast alle Baumaßnahmen werden EU-weit ausgeschrieben, da muss sich die Elmo ganz normal dem Wettbewerb stellen, um von uns beauftragt werden zu können. Da herrscht weiter Wettbewerb, mit mehr Chancen auch für andere Unternehmen.