Was erzählen Menschen, wenn man sie auf der Straße anspricht? Darum geht es Susanne Hengesbach in ihrer Rubrik „Zwei Kaffee, bitte!“.
Zwei Kaffee, bitte!Warum David Fleschen sich für Wuppertal statt für Köln entschieden hat

David Fleschens Leben ist geprägt von Sport und Bewegung.
Copyright: Susanne Hengesbach
Heute bin ich seit langem erstmals wieder auf dem wuseligen Bahnhofsvorplatz auf der Suche nach einer gesprächsfreudigen Person. Fündig werde ich bei diesem Mann, der mir im Café Galestro erzählt, dass er gerade mit dem Zug von Wuppertal nach Köln gekommen sei; eine Routine-Strecke in seinem Leben, wie ich im Laufe des Gesprächs erfahre. Allerdings hätte David Fleschen auch ein anderes Verkehrsmittel wählen können; nämlich das Fahrrad. Jemanden, der kürzlich erst mit dem Bike von Wuppertal nach Berlin gefahren ist – und das innerhalb von zwei Tagen – muss die Strecke nach Köln doch wie ein Klacks erscheinen. Damit sind wir bei einem Thema, das im Leben des 43-Jährigen augenscheinlich eine ganz wichtige Rolle spielt: Sport und Bewegung.
Im Fall von Fleschen könnte man allerdings sagen: Er hatte kaum eine andere Wahl. Wenn „fünf direkte Verwandte die Kölner SpoHo“ absolviert haben, kann das nicht folgenlos bleiben. „Wir sind eine sehr sportliche Familie“, sagt mein Gegenüber und lächelt. Und keine fünf Minuten später wünsche ich mir, wir könnten sie mal eben zu uns an den Cafétisch winken, die ganze Familie.
Sportpioniere in der Familie
Seine Tante Birgit (Mädchenname Bormann), erfahre ich, war eine Pionierin im deutschen Frauenfußball und gehörte der Start-Elf der Deutschen Nationalmannschaft an. Sein Cousin Jonathan war der schnellste Deutsche beim diesjährigen Köln-Marathon. Seine Eltern waren ebenfalls sportlich ambitioniert. Fleschen selber war „schon als Kleinkind jedes Wochenende auf dem Sportplatz“ und ist heute überwiegend fahrradfahrend unterwegs. Auch schon mal auf der Strecke von Paris nach London. All das erzählt mein Gegenüber allerdings eher in leisen Nebensätzen, damit das auf gar keinen Fall prahlerisch rüberkommt.
Ich schaue ihn trotzdem immer wieder staunend an und lasse das ein oder andere „Boah!“ fallen; erst recht, als ich erfahre, dass er für sein in Maastricht, in St. Petersburg und im spanischen Salamanca bestrittenes Studium auch mal eben die jeweilige Landessprache gelernt hat. „Boah!“
Trotzdem möchte ich noch einmal zurück nach Wuppertal. „Weshalb“, frage ich, „sind Sie nach Ihrem Weggang aus Berlin für Ihren neuen Job in Köln nicht auch hierhergezogen?“
Hohe Mieten in Köln treiben Fleschen nach Wuppertal
Der gebürtige Leverkusener macht eine Miene wie ein Arzt, der eine schlimme Diagnose kundtun muss. Tatsächlich habe er damals zunächst in Köln nach einer bezahlbaren Wohnung gesucht. „Aber keine gefunden“, mutmaße ich. Er nickt. In Berlin-Mitte habe er für eine bescheidene Wohnung im Plattenbau 180 Euro Kaltmiete bezahlt. „Verstehe“, sage ich. „Das wollten Sie nicht verzehnfachen.“ Fleschen lächelt wieder und erzählt, dass er sich als Nächstes im 50-Kilometer-rund-um-Köln-Radius auf die Suche begeben hätte. Und da war sie dann, die günstige Altbau-Wohnung in der Wuppertaler Innenstadt. „Ich will den Preis gar nicht wissen!“ Wir lachen beide.
Inzwischen pendelt Fleschen auch nicht mehr, sondern macht Öffentlichkeitsarbeit für ein großes Wuppertaler Immobilienunternehmen. Seine Mutter sei übrigens auch gerade dabei, ihre Wohnung in Köln-Mülheim aufzugeben und nach Wuppertal zu ziehen, berichtet Fleschen.
Wuppertaler seien „pragmatisch mit allem“
„Was – außer den günstigeren Wohnungspreisen – spricht denn noch für die Stadt?“, will ich wissen. Wuppertal habe nicht nur viel Platz und viel Grün, sondern auch ein Herz „für Leute mit verrückten Ideen, die sich kommerziell nicht verwirklichen lassen“. Dafür gebe es ein Bürgerbudget, das dazu verwendet werde, „die Stadt bunter, kreativer und innovativer“ zu gestalten. „Die Wuppertaler sind so pragmatisch mit allem“, findet Fleschen. „Nicht so auf die Außenwirkung, sondern mehr auf die Wirkung bedacht.“
Als ambitionierter Fahrradfahrer ist er natürlich auch sehr begeistert von der Nordbahntrasse, einem Projekt, das, wie er sagt, „im toten Winkel der Politik“ aus der Taufe gehoben und mithilfe vieler Leute vom Zweiten Arbeitsmarkt verwirklicht wurde.
Dem anfänglichen Hauptkritikpunkt zum Trotz, dass im bergischen Wuppertal „niemand ernsthaft Fahrrad fährt“, sei die auf einer stillgelegten Eisenbahnstrecke angelegte, circa 22 Kilometer lange Strecke von Radfahrern, Skatern und Fußgängern extrem gut angenommen worden. „Am Wochenende ist es oft fast schon zu voll“, findet der 43-Jährige, der auf diesem Weg auch schon mal zum Schauspiel fährt. Nicht nach Köln, freilich, sondern nach Bochum.

