Kölner Kulturschaffende kritisieren erschwerte Antragsverfahren für Fördermittel.
Tragödie einer KunststadtMitglieder der freien Theaterszene sehen Auftrittsmöglichkeiten gefährdet

Lenah Flaig, Josefina Patzelt von „flies&tales“ (oben, v. l.), Orangerie-Leiterin Sarah Youssef und Iris Schweitzer von „c.t.201“ (unten, v. l.) fordern mehr Unterstützung für die freie Theaterszene.
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„Wir haben ein Level erreicht, das in keinster Weise mehr tragbar ist. Wir killen gerade eine ganze Generation von Künstlern“, sagt Sarah Youssef. Die Leiterin des Orangerie Theaters beobachtet zurzeit eine bedenkliche Entwicklung. Während die Spielstätte im Volksgarten, unter anderem mit städtischen Mitteln in siebenstelliger Höhe, zu einem barrierefreien Vorzeigeprojekt saniert wird, mehren sich die Streichungen auf dem Spielplan.
Nicht die Umbauten, sondern fehlende Fördermittel für die Gastspiele der verschiedenen Ensembles sind die Ursache. Demnach mussten alleine für das Frühjahr vier Produktionen in der Orangerie abgesagt werden. Die Vorstellung eines Hauses, das lediglich finanziell unabhängigen Akteuren die Türen öffnet, ist durchaus realistisch. „Die Szene kämpft ums Überleben, denn die Fördertöpfe erscheinen nur kurz. Man muss schnell sein und kann eigentlich nur auf das eigene Kuchenstück schauen. Dabei ist man arbeitstechnisch sowieso schon immer nah an der Selbstausbeutung“, verweist Youssef auf die Situation vieler Kolleginnen und Kollegen.
Freie Szene kämpft gegen finanzielle Hürden und fehlenden Rückhalt
Diese Einschätzung teilt Regisseurin, Produzentin und Vorstandsmitglied im Verein Darstellender Künste (VdK), Andrea Bleikamp: „Es ist politisch gewollt, dass die freie Szene ausblutet. Weder in der Politik noch in der Verwaltung haben wir Rückhalt. Dass mit unseren Produkten immer noch geworben wird, obgleich sie kaum Unterstützung erfahren, ist unglaublich. Ich fordere für die freie Szene zehn Prozent vom Anteil des Budgets der Städtischen Bühnen und hoffe auf ein verstärktes öffentliches Bewusstsein für unsere Lage“, so Bleikamp, die ebenfalls Inszenierungen wegen zu hoher Kosten absagen musste.
Vor allem eine neue Auflage mache es den Beteiligten schwer: Die Produktionskosten für ein Stück dürften demnach nicht mehr als 60 Prozent der Gesamtfördersumme ausmachen. Damit ergebe sich ein wesentlich höherer Eigenanteil als in der Vergangenheit. Um die Projekt-Realisierung zu gewährleisten, müsste mindestens ein weiterer Unterstützer gewonnen werden, da es sich sonst um eine nicht erlaubte Form der Finanzierung handele.
Es gibt keine Planungssicherheit für uns.
Doch auch die Auflagen für Landestöpfe seien härter geworden, informiert Youssef. Josefina Patzelt vom Tanz-Theater „flies&tales“ weiß von vielen Kolleginnen und Kollegen, die ihre Miete nicht mehr zahlen können. Sie stehe selbst vor der Entscheidung, Kellnern zu gehen oder die Zeit für Antragsstellungen zu nutzen, von denen sie nicht wisse, ob sie bewilligt werden. „Es ist frustrierend, dass das nicht funktioniert, denn da stehen Existenzen hinter, und es handelt sich um relativ geringe Fördersummen“, erklärt Patzelt.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht, so Experten, müssten die Eintrittskarten in den Häusern auf 50 bis 60 Euro ansteigen. Damit verbunden sei jedoch ein Ausbleiben der Zuschauer. „Die freie Szene dekonstruiert genau, was Spaltung ausmacht. Diese Diskurse legen die Ursachen für die gesellschaftlichen Probleme offen. Und dann nimmt man uns die Gelder dafür weg“, zeigt sich Youssef verständnislos.
Iris Schweitzer vom Theaterkollektiv c.t.201 unterstreicht das Dilemma der Kulturschaffenden: „Es gibt einfach keine Planungssicherheit. Selbst ein Streik, der uns mehr Aufmerksamkeit verschaffen könnte, wäre nicht finanzierbar.“ In einer Stellungnahme gegenüber dieser Zeitung bestreitet die Stadtverwaltung eine Verschärfung von Auflagen im Rahmen der Produktionsförderungen. Demnach gebe es aktuell keine Änderungen. Die Förderquote im Referat „Tanz und Theater“ für 2024 sei im Vergleich zu 2025 unverändert. Lediglich in begründeten Einzelfällen sind demnach weitere Beratungen und Auflagen zur Projektförderung erforderlich.
Hinsichtlich einer Partizipation am Etat des Schauspielhauses oder der Oper verwies das Presseamt auf die Problematik des direkten Vergleichs zwischen städtischen Einrichtungen und der freien Szene, da die Institutionen ihre Etats nicht nur für die Umsetzung eines Spartenthemas nutzen.