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Vom Fußballer zum DadaistenDon L. Gaspár Ali – „Köln ist nicht schön, aber die Menschen sind es“

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Das Bild zeigt den Künstler Don L. Gaspár Ali vor Bücherregalen in der Buchhandlung Franz Walther könig in Köln.

Don L. Gaspár Ali vor einer Wand voller Bücher in der Buchhandlung Franz Walther König in Köln: Dass es in Privathaushalten Regale voller Literatur geben kann, lernte der Kölner Künstler erst als Jugendlicher.

Auf dem Weg zum Fußballprofi steigt Don L. Gaspár Ali aus und geht nach Berlin. Zurück am Rhein widmet er sich avantgardistischer Kunst.

Die Geschichte von Don L. Gaspár Ali beginnt da, wo die Träume derer oft entstehen, die es herausschaffen wollen – und hinein in ein besseres Leben: auf dem Fußballplatz.

Gaspár Ali, Sohn kongolesischer Eltern, wächst am Kölnberg, der berüchtigten Hochhaussiedlung im Kölner Süden, auf. Dort sieht, erlebt und fühlt er Dinge, die ein Kind nie sehen, erleben und fühlen sollte – wie er erzählt.

„Die Erfahrungen, die ich am Kölnberg gemacht habe, haben mich geformt. Meine Kindheit war geprägt von Armut, es herrschten Gewalt und Hoffnungslosigkeit in diesem Viertel. Das einzige, was wir hatten, waren unsere Träume und ein Ball.“ Der Fußball hilft ihm und macht ihn zu einem Hoffnungsträger seines Viertels, zu einem, der den anderen ein Vorbild ist und auf den sie stolz sein würden, wenn er es herausschaffen würde.

In schwarzem Dreiteiler, mit Krawatte und passendem Hut, Ringen und Armreifen und einer Tasse Kaffee vor sich, erzählt Gaspár im Café Lebensart in Ehrenfeld seine Geschichte. Er hat so gar nichts an sich von einem, der einst auf dem Sprung in den Profifußball stand.

„Der Sport hat mir zwar geholfen, aber nur die 90 Minuten auf dem Platz“

Als Jugendlicher wechselt Gaspár in den Nachwuchs von Borussia Mönchengladbach. „Morgens raus, Schule, nach der Schule in den Zug nach Gladbach, Hausaufgabenbetreuung, Training“, später spielt er beim MSV Duisburg, Fortuna Köln, in Düsseldorf läuft er für die U23 auf, trainiert mit den Profis.

das Bild zeigt den Kölner Künstler Don L. Gaspár am Rheinufer. Foto: Binh Minh Dao

Der Kölner Künstler Don L. Gaspár Ali am Rhein, im Hintergrund die Mülheimer Brücke.

„Profifußballer zu werden, war das einzige greifbare Ziel. Fußballprofi bedeutet finanzielle Möglichkeiten, es bedeutet auch, die Narrative des Viertels umschreiben zu können. Aber ich habe früh gemerkt, dass der Fußball zwar das ist, was ich sehr liebe, aber dass ich eine Entscheidung treffen muss. Der Sport hat mir zwar geholfen, aber nur die 90 Minuten auf dem Platz. Und man ist ja mehr zu Hause, als auf dem Spielfeld.“ Gaspár steigt aus – er löst seinen Vertrag auf und zieht mit kaum 20 nach Berlin.

„Mir ging es darum, hier wegzukommen – weil alle hier gesagt haben, dass ich Profifußballer werde und ich sie mit meiner Entscheidung aufzuhören, enttäuscht habe. Ich wollte nicht der sein, der ihre Träume nicht verwirklicht hat – am Ende war es nicht mehr mein Traum.“

„Das ist alle das, woran ich immer gedacht habe – der Existenzialismus, die Frage des Seins“

Schon als Kind faszinierte ihn, wie in Talkshows geredet wurde, bei Johannes B. Kerner etwa oder Anne Will. Später fördern ihn die Eltern eines Teamkameraden, erkennen, was in ihm steckt, bei ihnen, erzählt Gaspár, habe er zum ersten Mal gesehen, was es bedeutet, Literatur zu Hause zu haben. Er stöbert, entdeckt, findet einen Zugang und das Gefühl, sich verstanden zu fühlen. Das prägendste Buch? „Der Fremde“ von Camus.

„Das ist all das, woran ich immer gedacht habe – das Absurde, der Existenzialismus, die Frage des Seins, unsere Rolle im Leben“. Den Tod einer nahestehenden Person fängt er an, mit dem Schreiben zu verarbeiten.

Er probiert sich aus, mit Freunden entwirft er Schnittmuster, versucht sich an Mode, lernt Instrumente, macht Musik.Mehr und mehr erkennt Gaspár, dass Fußball nicht das ist, was er vom Leben für sich braucht. In Berlin kann er selbst sein. Wie eine Wiedergeburt sei das gewesen, sagt er.Den ehemaligen Fußballspieler kennt hier niemand, den Jungen vom Kölnberg, auf den sein Viertel gerne stolz gewesen wäre, auch nicht. Er selbst, kennt nur eine handvoll Menschen.

In Berlin schlägt er sich mit Jobs durch, arbeitet im KaDeWe oder im Warenhaus Galeries Lafayette Berlin, als Schauspieler, als Stylist. „Ich habe irgendwann angefangen, Schauspieler für Awardshows oder für Musikvideos einzukleiden, weil ich irgendwem erzählt habe, das könne ich auch, auch wenn ich zu der Zeit noch gar nicht als Stylist gearbeitet habe – so bin ich da hereingerutscht.“

21 ist er damals gewesen, und sehr motiviert, sagt er. „Berlin hat sehr viel mit Timing zu tun. Und Berlin ist eine Stadt, die lebt von der Oberflächlichkeit, profitiert aber auch von den Menschen, die dennoch intime Beziehungen suchen“, stellte Gaspár fest. Er habe keinen Vergleich gehabt, „wusste nicht, was abgeht, wie krass Berlin eigentlich ist, was möglich ist“, erzählt er. Nach ein paar Jahren kehrt er dennoch über einen Umweg zurück nach Köln.

„Ich hatte das Gefühl, dass ich wieder herausmuss in die Welt und habe dann noch mal überlegt – was mache ich?“

„Ich hatte das Gefühl, dass ich wieder herausmuss in die Welt und habe dann noch mal überlegt – was mache ich?“ Berlin sei eine gute Stadt, um ins Machen zu kommen, sagt er. Er habe erkannt, dass er an solchen Hot Spots immer nur phasenweise leben könne. Köln sei groß genug, nicht wie im Dorf zu leben und klein genug, um eine gewisse Entschleunigung zu erfahren. „In Berlin bist du die ganze Zeit auf Achse, die ganze Zeit bist du auf der Suche, am Machen, am Tun.“

Das Bild zeigt den Künstler Don L. Gaspár vor Industriekulisse. Ali Foto: Binh Minh Dao

Der Künstler D L. Gaspár Ali vor Industriekulisse.

Zurück in Köln beginnt er die Stadt erstmals so richtig zu entdecken, als Fußballer hatte er dafür nicht die Zeit, in seinen 20ern ist er größtenteils weg. „In Berlin ist immer was los. An Köln fasziniert mich, was es hier früher gab, zum Beispiel in den 1920ern, in denen der Dadaismus hier eine große Rolle gespielt hat, mit Leuten wie Hans Arp, Max Ernst oder Theodor Baargeld“, erläutert Gaspár. Köln, sei immer ein Dreh- und Angelpunkt für avantgardistische Kunst gewesen.

„Warum also immer ständig Berlin, wenn es in Köln so viele Möglichkeiten gibt, etwas zu tun?“

„Es gab immer Kollektive, die aus Köln heraus versucht haben, Kunst zu schaffen“, etwa die „Kölner Gruppe“ im Bereich Film – er habe aber das Gefühl, dem sei nicht mehr so. „Köln ist nicht schön, aber die Menschen sind es. Warum also immer ständig Berlin, wenn es in Köln so viele Möglichkeiten gibt, etwas zu tun?“

Mit Gleichgesinnten trägt er Texte bei der offenen Montags-Lesebühne im Café Storch vor, ältere oder gerade frisch entstandene, einige davon sind unter dem Titel „Blues auf Eis“ in Buchform erschienen. Gaspár kuratiert die Reihe „CABARÉT DADA“ in der Frohnatur Bar, ist Sänger der Band Grenzkontrolle und Initiator der Künstlervereinigung „Kölner Gruppe 0“.

Ihm gehe es darum, Kunst zu machen, ohne darüber nachzudenken, unabhängige Kollektive zu schaffen, in denen man sich gesehen fühlt, sich gegenseitig Strom gibt, sich unterstützt. Nicht darum, 24/7 miteinander abzuhängen.

„Wenn jemand Lust hat, Kunst zu schaffen, soll die Person zumindest wissen, wo sie anklopfen kann, mal vorbeischauen, sich inspirieren lassen. Es gibt so viele Menschen, die ein überragendes Talent haben, aber sich nicht trauen, ihr Talent zu zeigen. Für die, ist die Kölner Gruppe 0‘.“