Allein am Appellhofplatz halten sich nachts bis zu 50 Menschen auf, viele sind drogenabhängig und wohnungslos.
„Probleme sind drängender geworden“Welche konkreten Maßnahmen die KVB gegen die Verwahrlosung plant

Polizei, KVB und das Ordnungsamt bei einer Kontrolle in der U-Bahn-Station Appellhofplatz
Copyright: Arton Krasniqi
Wenn die Stadtbahnen der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) nachts zwischen 2 Uhr und 3 Uhr ihren Betrieb einstellen, dann verwandeln sich die unterirdischen Haltestellen in der Innenstadt noch stärker als am Tag in Zufluchtsorte für wohnungslose und drogenabhängige Menschen. Sie übernachten auf den Zwischenebenen, auf den Bahnsteigen und auch in den Nischen zwischen Gleisen und Bahnsteigen sowie in den Tunnelmündern. Alleine am Appellhofplatz halten sich nachts Gruppen von 40 bis 50 Menschen auf.
Mitarbeiter der KVB finden neben den Gleisen schlafende Menschen
Am Morgen rücken die Servicekräfte und Reinigungsteams der KVB an und treffen auf die Hinterlassenschaften der Nacht. Fäkalien, Urin, Spritzen für den Drogenkonsum, Essensreste, vergessene Schlafsäcke – die Liste ist lang. Die Gegenstände müssen auch deshalb zwingend entfernt werden, weil sie in Brand geraten und somit eine Gefahr darstellen könnten. Manchmal finden die KVB-Mitarbeiter im Gleisbett auch noch einen schlafenden Menschen. Deshalb durchforsten die Teams besonders den Gleisbereich akribisch, denn sobald die Stadtbahnen wieder fahren, bestünde sonst Lebensgefahr.
„Die Probleme sind nicht neu, aber sie sind drängender geworden“, sagt KVB-Chefin Stefanie Haaks. Die Zahl der Menschen, die in U-Bahnstationen übernachten, Drogen konsumieren und dort ihren Unrat hinterlassen, nehme zu. Die Zahl der Übernachtungen hat sich im Vergleich zu den Vorjahren verdreifacht. „Zum Teil werden Fahrgäste und auch unsere Mitarbeitenden aggressiv angegangen, und Eltern haben inzwischen Angst um die Sicherheit ihrer Kinder auf dem Schulweg.“ Auch die KVB-Mitarbeiter empfinden die Situation zunehmend als belastend. Die Reinigungsteams haben deutlich mehr Arbeit als früher.
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Die KVB sprach im Jahr 2024 insgesamt 929 Hausverbote aus, stellte 212 Strafanträge wegen Hausfriedensbruchs sowie 319 Strafanträge wegen Sachbeschädigung. Seit Anfang 2024 sind in den U-Bahn-Haltestellen Neumarkt und Ebertplatz rund um die Uhr Streifen unterwegs. Am Neumarkt sprachen sie 41.600 Verweise im Zusammenhang mit dem Betäubungsmittelverbot und 14.000 Verweise im Zusammenhang mit unerlaubtem Lagern in der Haltestelle aus.
Die KVB will jetzt mit einem Bündel verschiedener Ansätze zumindest die Auswirkungen abmildern und zum Teil auch restriktiver als bislang vorgehen. Um ein nächtliches Lagern von Obdachlosen zu verhindern, könnte das Unternehmen U-Bahn-Haltestellen in der Betriebspause zwischen 2 Uhr und 5 Uhr verschließen, so wie es zum Beispiel bei den Metrostationen in Paris üblich ist. Auch in Köln gab es früher einmal Rolltore, um den Zugang zu den Bahnsteigen zu verhindern. Die KVB will das dem Vernehmen nach zunächst an der Haltestelle Appellhofplatz testen.
20 Haltestellen im Kernbereich der Kölner Innenstadt stehen im Fokus
20 Haltestellen im Kernbereich der Innenstadt will das Unternehmen öfter als bislang reinigen lassen. Zum Einsatz sollen spezielle Reinigungsmittel kommen. Sie enthalten Mikroorganismen, die Harnsäure-Salz-Kristalle zersetzen und den Uringeruch und die Flecken beseitigen. In 61 Aufzügen will die KVB solche Reinigungsmittel verwenden, weil sich diese Art der Verunreinigung zu einem immer drängenderen Problem entwickelt habe. Geplant ist zudem ein Pilotprojekt an zwei Haltestellen. Dort will die KVB testen, ob sich Musik positiv auf die Aufenthaltsqualität und das Sicherheitsempfinden der Fahrgäste auswirkt.
Jeweils morgens ab 5 Uhr sollen Mitarbeiter der Reinigungsfirmen zusammen mit externen Kräften und KVB-Mitarbeitern wohnungslose Menschen aus den U-Bahn-Haltestellen verweisen, um einen reibungslosen Betrieb gewährleisten zu können. Im Gegenzug will die KVB Shuttle-Busse zur Verfügung stellen, um die Betroffenen abends zur nächstgelegenen Notschlafstelle zu bringen. Das Unternehmen will außerdem anbieten, einen „Wärme-Raum“ in einem KVB-Bus einzurichten, um das Kältebus-Angebot des Vereins Freunde der Kölner Straßen und ihrer Bewohner zu ergänzen.

Überreste von Drogenkonsum am Appellhofplatz
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„Das ist allerdings nicht nur ein KVB-Thema, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem, das nur gemeinsam und in enger Abstimmung mit Stadt, Polizei, Gesundheitsamt und Sozialarbeit gelöst werden kann. Aber wir wollen unseren Teil dazu beitragen, dass sich die Situation verbessert“, sagt KVB-Arbeitsdirektor Peter Densborn. Ab dem 1. Januar 2026 will die KVB deshalb den Bereich Fahrgastsicherheit und --service neu organisieren.
Die einzelnen Aufgabenbereiche „Fahrausweisprüfung“, Service“ und „Sicherheit“ will das Unternehmen auflösen. Stattdessen sollen „Fahrgastmanager“-Teams in sechs KVB-Bezirken unterwegs sein. Innerhalb dieser Bezirke sollen die Teams Linien- und Haltestellen-„Pakete“ zugewiesen bekommen, um in ihren Bereichen verstärkt die Bahnen, Busse und Haltestellen zu kontrollieren. In der ehemaligen Verkaufsstelle im Neumarkt soll eine Anlaufstelle für Fahrgäste entstehen. Auch die Zusammenarbeit mit den Bezirksteams der Polizei, des Ordnungsamtes und den Streetworkern werde durch die Neustrukturierung optimiert, sagt die KVB.
KVB benötigt von der Politik mehrere Millionen Euro Unterstützung
Wie zu erfahren war, würde die KVB die Umsetzung aller Pläne mehrere Millionen Euro kosten. Würde das Unternehmen in sämtlichen Haltestellen rund um die Uhr durchgängig mit Mitarbeitern präsent sein, wären 80 zusätzliche Stellen notwendig. Das würde etwas mehr als fünf Millionen Euro kosten. Um zumindest an 20 Haltestellen in der Innenstadt 24 Stunden und an den übrigen U-Bahnhöfen wenigstens innerhalb der Betriebszeiten der Stadtbahn präsent zu sein, bräuchte die KVB 35 zusätzliche Stellen, was rund 2,5 Millionen Euro kosten würde. Würden sämtliche U-Bahn-Haltestellen täglich gereinigt, würde das weitere rund sechs Millionen Euro kosten.
„All diese Maßnahmen können im Zusammenspiel mit anderen behördlichen Aktivitäten und der sozialen Arbeit in der Stadt einen wichtigen Beitrag leisten, um die Sicherheit des Betriebes und die Aufenthaltsqualität in unseren Anlagen und Haltestellen zu verbessern“, sagt KVB-Chefin Haaks. Einige dieser Maßnahmen könne und werde das Unternehmen mit eigenen Mitteln umsetzen, für andere benötige die KVB die Unterstützung der Politik.