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Zwei Kaffee, bitte!Diakonie-Geschäftsführerin beklagt fehlende Betroffenheit beim Thema Obdachlosigkeit

Lesezeit 4 Minuten
Obdachlosigkeit sei ein lösbares Problem, so Susanne Hahmann. (Symbolbild)

Susanne Hahmann von der Diakonie Michaelshoven.

Susanne Hahmann von der Diakonie Michaelshoven wünscht sich, dass „wir unsere Kräfte in Lösungen stecken und nicht in Verwaltung und Konkurrenz“.

Wie reagieren Menschen – was erzählen sie – wenn man sie auf der Straße anspricht und zu einem Kaffee einlädt. Dieser Frage geht Susanne Hengesbach seit Jahren nach.

Kölns Fußgängerzonen mit ihren Konsumtempeln sind ein Terrain, auf dem ich meine heutige Gesprächspartnerin in ihrer Freizeit kaum antreffen würde. Da ihr Arbeitgeber außer seinem Hauptsitz in Rodenkirchen unter anderem ein Büro an der Hohe Straße unterhält, begegne ich Susanne Hahmann im Grunde genau dort, wo das Problem, das sie beruflich am meisten beschäftigt, besonders sichtbar wird: Obdachlosigkeit. Die Frau in dem sportlich wirkenden Outfit ist, wie sich herausstellt, Geschäftsführerin des Bereichs Soziale Hilfen der Diakonie Michaelshoven GmbH.

Als unsere Kaffees serviert worden sind, erzählt die 60-Jährige von ihrem Werdegang. Im Westerwald geboren sei sie im Anschluss an ihr Sozialarbeit-Studium an der Katholischen Fachhochschule Köln für das Anerkennungsjahr nach Husum gegangen und dort erstmals mit Obdachlosen in Berührung gekommen. Dass diese Menschen „nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Tagessatz bekamen“, habe sie damals schon ungerecht gefunden – noch nicht ahnen könnend, wie sehr das Eintreten dafür, „dass Menschen in schwierigen Lebenssituationen das erhalten, was ihnen zusteht“, zu ihrer Lebensaufgabe werden würde.

Wir müssen unsere Kräfte in Lösungen stecken und nicht in Verwaltung und Konkurrenz
Susanne Hahmann

„Ich habe den Eindruck“, sage ich, „dass Obdachlose in der Öffentlichkeit kaum noch als Menschen, sondern zunehmend als Störfaktoren bzw. als Unrat auf zwei Beinen wahrgenommen werden.“ Mein Gegenüber nickt. „Ich nehme das auch so wahr“, sagt Hahmann, die – wie ich erfahre – auch Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe ist. Die Spaltung der Gesellschaft, der rauer gewordene Ton sei etwas, was sie mit Sorge erfülle.

Mit Blick auf all die Menschen ohne Bleibe, die man in der Innenstadt sieht, frage ich mein Gegenüber: „Ist dieses Problem lösbar, oder läuft da etwas ganz aus dem Ruder?“ – „Es ist lösbar“, glaubt Hahmann, wenn wir mit dem Potenzial, das wir haben, gut und konstruktiv verfahren. „Wir müssen unsere Kräfte in Lösungen stecken und nicht in Verwaltung und Konkurrenz“, betont sie.

Vertreibung Obdachloser aus der Kölner Innenstadt helfe nicht

„Lösungsorientiertes Handeln ist ja nicht gerade das, was uns die große Politik vormacht“, stelle ich fest. Hahmann lächelt und erklärt, sie sei „durch und durch Netzwerkerin“ und überzeugt, dass man nur in einer gemeinsamen Anstrengung mit vielen Leuten zum Ziel komme.

Wichtig sei zu fragen, „was den Menschen in Not langfristig weiterhilft“. Fürsorge im Sinne von vorübergehenden Zuwendungen diene eher dazu, „sich selber besser zu fühlen“, stelle aber keine Lösung des Problems dar. Die liege auch nicht darin, Menschen ohne Obdach oder mit Drogenproblemen aus der Innenstadt zu vertreiben. Frei nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn. „Wichtig ist, dass man die Menschen sieht!“, unterstreicht Hahmann.

Dabei handele es sich bei den ihrer Einschätzung nach etwa 400 Obdachlosen, die man im Straßenbild wahrnimmt, um einen vergleichsweise geringen Anteil gegenüber den rund knapp 12000 vielfach körperlich und psychisch kranken Wohnungslosen im jugendlichen und erwachsenen Alter.

Zahl der schutzlosen Frauen auf der Straße steige in Köln

„Heute Morgen hat jemand am Heumarkt mitten auf der Straße gelegen“, und die Passanten seien gänzlich unbeeindruckt vorbeigegangen, berichtet Hahmann, der nicht nur die Not an sich, sondern auch die fehlende Betroffenheit zu schaffen macht. „Wir sind ein so reiches Land. Wir haben so viel. Wissen, Kohle, Möglichkeiten. Wir sollten es doch schaffen, dieses Problem zu lösen. Das ist eine Frage des Willens!“

Es gebe immer wieder Ideen. „Und dann wird ewig lange geredet. Deshalb verlieren die Menschen den Glauben an eine Lösung.“ Um zu verhindern, dass mehr Menschen auf der Straße landen, sei es zum Beispiel wichtig, Kenntnis von anstehenden Wohungsräumungsklagen zu haben, um gegebenenfalls dafür zu sorgen, dass die Menschen bleiben können.

Hahmann beklagt eine depressive Tendenz in unserer Gesellschaft. „Da müssen wir raus!“ Die permanente Botschaft „es wird alles immer schlimmer“ sei überhaupt nicht hilfreich.

Was tatsächlich enorm zugenommen habe, sei die Zahl der schutzlosen Frauen auf der Straße. Hahmann bezieht das vor allem auf Osteuropäerinnen, für die die Stadt Köln zwar schon viel tue, aber eben nicht genug. Neben Streetworkern mit entsprechenden Sprachkenntnissen benötige man vor allem eins: Wohnungen. „Es muss wieder offensiv gebaut und jede Lücke geschlossen werden.“