Zu viele Kölner Erstklässler können zu wenig Deutsch - Ihre Zukunft endet, bevor sie angefangen hat
Rekord bei Erstklässler-WiederholernDie Kita-Pflicht muss zwingend kommen


Um das Problem fehlender Sprachkennsnisse zu beheben, bräuchte es eine Kita-Pflicht.
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Die Zahlen müssen wachrütteln: In nordrhein-westfälischen Grundschulen in sozialen Brennpunkten wiederholt laut der aktuellen Schulleitungsbefragung der Düsseldorfer Wübben-Stiftung knapp ein Viertel der Kinder die erste Klasse. Allein in Köln sind es dieses Jahr wieder 760. Immer mehr Kinder werden ohne ausreichende Deutschkenntnisse eingeschult oder sind motorisch noch nicht in der Lage, einen Stift zu halten: Das darf keiner, der politische Verantwortung trägt, weiter achselzuckend zur Kenntnis nehmen.
Es muss endlich an die Ursachen gehen, die auch ohne ein aufwändig angelegtes Analyse-Projekt auf der Hand liegen: Über 1100 Kölner Vierjährige besuchten im vergangenen Jahr keine Kita. Das sind von der Größenordnung her etwa zehn Prozent eines Kölner Erstklässlerjahrgangs. Der überwiegende Anteil davon stammt aus Familien mit Migrationshintergrund. Von diesen künftigen Erstklässlern, die keine Kita besuchen und dort folglich auch kein Deutsch lernen, sind zuletzt über 80 Prozent nicht zu dem gesetzlich vorgeschriebenen Sprachtest erschienen, mit dem der Sprachförderbedarf vor der Schule ermittelt wird. Da reicht es nicht, wenn das Schulentwicklungsamt darauf hinweist, die Eltern mehrfach erfolglos angeschrieben zu haben.
Die Stadt ist gesetzlich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass diese Tests und die darauf aufsetzende Sprachförderung durchgeführt werden. Notfalls, indem städtische Mitarbeitende bei jeder einzelnen Familie vor der Tür stehen. Daran müsste die Stadt ein ureignes Interesse haben, da es ohnehin zu wenig Grundschulplätze gibt und die länger verbleibenden Wiederholer das Problem der Grundschulplatznot in Köln massiv verschärfen.
Wiederholen als einzige Chance
Ohne ausreichende Deutschkenntnisse ist die Schulbiografie all dieser Kinder in vielen Fällen schon gescheitert, bevor sie begonnen hat. Das Wiederholen der ersten Klasse ist derzeit das einzige Mittel, das Grundschulpädagogen haben, um diesen Kindern überhaupt noch so etwas wie eine Chance zu geben. Aber das reicht nicht: Es braucht ein verpflichtendes letztes Kitajahr, bei dem Sprache, aber auch Motorik und Sozialverhalten geschult werden.
Oder noch besser: ein an die Schule angedocktes Vorschuljahr für die Kinder, die das brauchen. In Hamburg gibt es das schon. Dort kann eine Vorschulpflicht ausgesprochen werden für Kinder, die noch nicht ausreichend Deutsch sprechen. NRW sollte schnell nachziehen. Zumindest mit dem verpflichtenden Kitajahr. Das ist nicht nur eine Frage der Bildungsgerechtigkeit, die ja in Deutschland ohnehin mehr Lippenbekenntnis denn politisch umgesetzte und ressourcentechnisch ausreichend ausgestattet Praxis ist: Eine alternde Gesellschaft, deren Babyboomer jetzt nach und nach in Rente gehen, kann sich schlicht nicht leisten, auch nur auf eines dieser Kinder zu verzichten.