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Schock-Werners Adventskalender (15)Eine Meister-Kalligrafie und schwarzer Lippenstift

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Der Klaviervirtuose Wilhelm Kempff verewigte sich auf einer Kalligrafie des buddhistischen Abts und Kunstmäzens Seiko Kono (Ausschnitt) im Ostasiatischen Museum Köln.

Der Klaviervirtuose Wilhelm Kempff verewigte sich mit einem Sinnspruch auf der Kalligrafie des buddhistischen Abts und Kunstmäzens Seiko Kono (Ausschnitt) im Ostasiatischen Museum Köln.

Mit dem Ostasiatischen Museum Köln verbindet Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner eine romantische Erinnerung.

Im Jahr 2027 kann das Ostasiatische Museum Köln auf ein halbes Jahrhundert Geschichte in seinem schönen Haus am Aachener Weiher zurückblicken. Direktor zur Zeit des Umzugs vom vormaligen Domizil an den Ringen in den Neubau des japanischen Architekten und Le-Corbusier-Schülers Kunio Maekawa (1905 bis 1986) war Roger Goepper (1925 bis 2011). Zu seinen Ehren und aus Anlass seines 100. Geburtstag gibt es zurzeit im Museum eine Jubiläumspräsentation mit 25 Kunstwerken. Jedes davon steht für ein Jahr von Goeppers Wirken.

Und was soll ich sagen? An die Eröffnungsfeier im Jahr 1977 habe ich persönlich eine sehr lebendige Erinnerung. Ich studierte damals in Köln und war seit wenigen Wochen mit Kurt Löcher zusammen, der damals Kustos am Wallraf-Richartz-Museum war. Die Feier im Museumsneubau, zu der natürlich „ganz Köln“ kam, war die erste Veranstaltung, zu der wir als Paar gemeinsam auftraten. Ich trug damals, der Mode entsprechend, einen sehr dunklen, fast schwarzen Lippenstift. Das muss viele von Kurts Kollegen sehr irritiert haben. Sie sprachen ihn nämlich hinterher an, wie der seriöse Herr Dr. Löcher denn zu einer so exzentrischen Freundin komme. Unsere ein Jahr später geschlossene Ehe dauerte dann 40 Jahre – bis zum Tod meines Mannes 2018.

Ehrengrab für Abt Seiko Kono auf dem Friedhof Melaten

Das ist meine ganz eigene Geschichte mit dem MOK, an die ich jedes Mal denken muss, wenn ich hinkomme. Eigentlich aber wollte ich Ihnen heute ein Exponat aus der Goepper-Ausstellung besonders an Herz legen: Es ist eine Kalligrafie des gebürtigen Japaners Seiko Kono (1906 bis 2001). Schon mit elf Jahren trat er dem bedeutenden, seit dem 7. Jahrhundert bestehenden buddhistischen Tempel in Nara bei, wurde 1940 dessen Abt und führte ihn zu neuer Blüte.

1948 gründete Kono die Japanisch-Deutsche Gesellschaft in Nara und setzte sich intensiv für den Kulturdialog ein. Ab 1962 war er häufig zu Besuch in Köln. 1982 vermachte er dem MOK eine Sammlung von 50 Kalligrafien aus der Hand buddhistischer Priester. Als Kono 2001 starb, wurde er auf seinen Wunsch hin in einer buddhistisch-christlichen Zeremonie auf dem Friedhof Melaten – ganz in der Nähe des Ostasiatischen Museums – beigesetzt. Dort hat er seitdem ein Ehrengrab.

Museum für Ostasiatische Kunst. Hängerolle, Tusche auf Papier. Foto: Alexander Schwaiger

Museum für Ostasiatische Kunst. Hängerolle, Tusche auf Papier.

Das alles sollte man zum besseren Verständnis des ausgestellten Blatts wissen. Über den fünf energisch mit dem Pinsel aufgetragenen Schriftzeichen steht der Satz: „Kein Ton, und trotzdem unaussprechlicher Klang.“ Das ist zum einen ein buddhistisches Paradox. Zum anderen spielt der Satz auf Ludwig van Beethoven an, der als Gehörloser seine wunderbarsten Kompositionen schuf. Oben auf die Kalligrafie geschrieben und signiert hat ihn der berühmte deutsche Pianist Wilhelm Kempff (1895 bis 1991). So wie Abt Kono eine intensive Beziehung zu Deutschland hatte, hatte Kempff eine intensive Beziehung zu Japan. Seit den 1930er Jahren war er als Kulturbotschafter völkerverbindend tätig. Er leitete unter anderem das Goethe-Institut Kyoto und kam dadurch in Kontakt zu Seiko Kono. Beide verband eine enge Freundschaft.

Roger Goepper schrieb 1982 zu diesem Blatt: „Die Stille ergibt den wunderbarsten Laut.“ Den Wohlklang in der Stille zu finden, das könnte in unserer lärmenden Zeit auch ein gutes Motto für die Adventszeit und das bevorstehende Weihnachtsfest sein.

Aufgezeichnet von Joachim Frank


In unserem Adventskalender stellt Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner jeden Tag bis Heiligabend ein besonderes Ausstellungsstück aus einem von sechs Kölner Museen vor. Alle Folgen finden Sie hier:
www.ksta.de/weihnachten

Das Museum für Ostasiatische Kunst, Universitätsstraße 100, 50674 Köln, ist dienstags bos sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Verlängerte Öffnungszeit bis 22 am „Köln-Tag“, dem ersten Donnerstag im Monat. Geschlossen ist das Museum montags sowie an Heiligabend, am ersten Weihnachtstag, Silvester, Neujahr – und am Tag des Köln-Marathon. Eintritt: 9,50 Euro (ermäßigt 5,50 Euro). Am „Köln-Tag“ freier Eintritt für alle Kölnerinnen und Kölner.