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„Cats“ in der Kölner PhilharmonieDiese Katzen haben noch nicht ausgetanzt

4 min
Grizabella (Lucy May Barker) erinnert sich an längst vergangene Tage.

Grizabella (Lucy May Barker) erinnert sich an längst vergangene Tage.

Auch nach fast 45 Jahren fasziniert das Musical „Cats“ – Die britische Originalproduktion ist zum Abschluss des Sommerfestivals in der Kölner Philharmonie zu Gast.

Zu traurig sei die Geschichte der alternden Glamourkatze Grizabella, befand der Dramatiker, Lyriker und Literaturnobelpreisträger T.S. Eliot einst und entschied sich dagegen, sie in seinem Kinderbuch „Old Possum's Book of Practical Cats“ zu veröffentlichen. Doch als seine Witwe viele Jahre später hörte, dass der Komponist Andrew Lloyd Webber die Gedichte liebt und sie vertonte, zeigte sie ihm die Zeilen. Der Rest ist Musical-Geschichte. Webber und Regisseur Trevor Nunn machten die traurige, alte, ausgestoßene Katze, die sich an längst verlorenes Glück erinnert, mit „Memory“ unsterblich, und das Musical „Cats“ wurde zu einem der größten Bühnenerfolge weltweit. Mehr als 73 Millionen Zuschauer haben es bisher weltweit in mehr als 30 Ländern gesehen.

Und auch 44 Jahre nach der Premiere am Londoner Westend haben diese Katzen nichts von ihrer Faszination verloren, wie sie bei der Premiere in der Kölner Philharmonie im Rahmen des Sommerfestivals am Donnerstagabend bewiesen. Das wirkt auf den ersten Blick erstaunlich. Ein bisschen Prog Rock, ein bisschen Disco, Tanzeinlagen, die teilweise an Jane Fondas Aerobic-Videos erinnern, eine fast schon überladene Lichtshow und ein analoger Synthesizer schreien „80er Jahre“ und könnten schrecklich aus der Zeit gefallen wirken. Aber merkwürdigerweise erzeugen sie offensichtlich selbst bei allen später Geborenen wohlige nostalgische Gefühle, die die Faszination nur noch verstärken.

Ball auf dem Schrottplatz

Anders als in der grotesk gescheiterten Verfilmung „Cats“ aus dem Jahr 2019 gibt es hier keine Computertricks, sondern Künstlerinnen und Künstler, die in engen Lycra-Anzügen, Perücken und geschminkten Gesichtern so überzeugend Katzen spielen, dass auch der größte Hundefreund sie einfach lieben muss. Die Jellicle-Cats kommen einmal im Jahr auf einem Schrottplatz in London zu einem Ball zusammen, und ihr alter, weiser Anführer, Kater Old Deuteronomy (Michael Robert Low) erwählt die Katze, die wiedergeboren werden soll. Mehr Handlung gibt und braucht es nicht.

Wie in einer Revue lernen wir nun die unterschiedlichsten Katzen-Charaktere kennen: Den rebellischen, jungen Kater Rum Tum Tugger (Shem Omari James), das Katzenpärchen Mungojerrie (Marcus May) und Rumpelteazer (Lauren Bronwyn Wood), die überall für Durcheinander sorgen, den alten Theaterkater Gus (Nathan Taylor), der von seinem früheren Ruhm zehrt und das Publikum glücklicherweise mit dem kleinen Stück „The Aweful Battle of the Pekes and the Pollicles“ - einem Kampf zwischen rivalisierenden Hunden - daran teilhaben lässt; den unglaublichen, magischen, glitzernden Mister Mistoffelees (Samuel Bateson) und den einzigen Schurke des Stücks, den mysteriösen Macavity (Marco Venturini), der aber keinen wirklichen Schaden anrichten kann.

Jede Katze hat ihre eigenen Bewegungen, ihren eigenen Charakter, eine eigene Musik. Und in den großartigen Tanzszenen, die von Gillian Lynne choreografiert wurden, zeigen die Darstellerinnen und Darsteller mit einer Mischung aus klassischem Ballett, Jazz Dance und Modern Dance Höchstleistungen. Wer einer Figur längere Zeit auf der Bühne folgt, wird zudem feststellen, dass sie nie aus ihrer Rolle fallen. In jeder noch so kleinen Bewegung, in jedem Moment, selbst, wenn sie nur auf der Bühne sitzen oder liegen, bewegen sie sich wie es eine Katze tun würde.

Für Musical-Hasser ist „Cats“ der Inbegriff der klebrig-kitschigen Kommerzialisierung des Genres, aber wer sein inneres Kind entdeckt, kommt in diesen rund zweieinhalb Stunden (inklusive Pause) aus dem Staunen nicht mehr heraus. Am Ende wird Grizabella, deren Verzweiflung Lucy May Barker herzzerreißend in ihrer „Memory“-Interpretation Raum gibt, wieder in die Gemeinschaft aufgenommen und darf anschließend in den Katzenhimmel auffahren. Da ist das Publikum in Köln schon lange gelandet. Diese Katzen haben auch nach fast 45 Jahren noch lange nicht ausgetanzt.


Zum Abschluss des Sommerfestivals ist „Cats“ noch bis 17. August in der Kölner Philharmonie zu sehen. Tickets gibt es noch für folgende Vorstellungen: 9.8. (20 Uhr), 10.8. (19 Uhr), 12. bis 16. August (20 Uhr, am 15. und 16.8. auch um 15 Uhr). Preise ab 69,90 Euro plus Gebühren. Gespielt wird die englischsprachige Originalproduktion. Tickets unter gibt es hier.