Der kanadische Superstar Tate McRae trat in der Lanxess-Arena auf. Eine Show, wie einst bei Britney Spears. Mit einem Unterschied.
Konzert in KölnWarum Tate McRae mit 21 Jahren schon Nostalgie verspürt

Tate McRae trat am Montagabend (16.6. 2025) in der Lanxess-Arena auf
Copyright: IMAGO/imageSPACE
Tate McRae blickt auf ihr Leben zurück. Dazu hat sie sich eigens ein Toga-artiges Kleid übers Trikot geworfen, geschlitzt, mit einer freigelegten Schulter und ist auf eine runde Zweitbühne im hinteren Teil des Innenraums geeilt. Diese kleine Plattform hebt sie hydraulisch den oberen Rängen der Arena entgegen, der kanadische Superstar badet im Handylichtermeer junger Mädchenblüte. Die verlorene Zeit, nach der sich Tate McRae sehnt, betrifft vor allem ihre Familie, die Architektenträume ihres Vaters, die Ziellosigkeit ihres Bruders, trotz des Studiums an einer Elite-Universität. Es ist ein sehr persönlicher Song für sie, verrät die Sängerin ihren Fanscharen. Sie hat ihn treffender Weise „Nostalgia“ betitelt. Ältere Menschen – aber die sind an diesem Abend nur als Fahrdienst mitgekommen – werden wehmütige Zeilen wie „Oh, wo ist die Zeit geblieben?“ überraschen: McRae ist erst 21 Jahre alt. Ihr Leben ist noch eine Baustelle.
Das suggeriert jedenfalls die zweigeschossige Hauptbühne, mit den gelb angestrichenen Streben unter dem erhöhten Podium und den beiden als Kranauslegern verkleideten Scheinwerfer-Traversen. Zuerst sieht man sie nur auf der Videowand, auf den Schaltpulten eines Kontrollraums räkelnd, dessen Monitore wiederum Livebilder enthusiasmierter Fans zeigen. Links auf dem Podium prügelt ein muskulöser Drummer auf sein Schlagwerk ein, rechts liefert ein Gitarrist unhörbare Beiträge zum musikalischen Festplatten-Geschehen, er darf dann die Umzugspausen mit Soli überspielen. In ihrer Mitte aber taucht jetzt McRae auf, ihr Gymnastikanzug glitzert silbern, ihre Nylon-bestrumpften Beine enden in hohen Stiefeln. Später wechselt sie in ein pinkes Bustier mit passenden Hot Pants. Provokant streckt sie ihr Hinterteil aus und stellt sich als „Miss Possessive“ vor, so heißt auch ihre Welttournee, Köln ist die letzte deutsche Station.
Tate McRae begann schon als Sechsjährige mit der Tanzausbildung
Besitz hat McRae vor allem von ihrem jungen Gefolge ergriffen. Denn sie bedient die Sehnsucht nach einer Zeit, die Teenager von heute nur aus Erzählungen und von TikTok-Clips kennen. Einer Zeit, die im Vergleich zur Multikrisen-Gegenwart unverschämt stabil und herrlich oberflächlich erscheint: Der Pop zur Jahrtausendwende kannte noch keine in sich gekehrten Klagen in Moll-Akkorden und mikrotonalen Schritten. Die Shows und Videos von Y2K-Popstars wie Christina Aguilera oder *NSYNC waren entfesselte Kindergeburtstage oder bunte Zukunftsvisionen mit Windkanal-getesteten Melodien des schwedischen Produzenten Max Martin. Dystopie war noch ein Fremdwort, das Innenleben der Protagonisten stand nicht zur Debatte, höchstens ihre Dating-Zeitleiste. Pop, das war Britney Spears im fingernagelrot glänzenden Lack-Overall, unschuldig, aufreizend, diszipliniert – und keinesfalls angekränkelt von des Gedankens Blässe.
Alles zum Thema Lanxess Arena
- Ab 1. August Warum man in der Lanxess-Arena bald kaum noch bar zahlen kann
- EHF Final Four Tausende Fans feiern in Köln den besten Handball Europas
- Jubiläum KG Luftflotte wird 100 – KVB-Bahn fährt mit Logo
- Europäisches Turnier Finale der Handball-Nachwuchstalente findet in der Lanxess-Arena statt
- „Keep Laughing“ Comedian Chris Tall kommt mit neuem Programm in die Kölner Lanxess-Arena
- Teddy Teclebrhan in Köln Seine Show ist gaga, dieser Typ ist es nicht
- Handball-Bundesliga VfL will die Meisterparty der Füchse vertagen
Bei Tate Rosner McRae ist es eher die Selbstdisziplin: Die in Calgary geborene Tochter einer deutschstämmigen Tanzlehrerin tanzt seit ihrem sechsten Lebensjahr, gewann Auszeichnung um Auszeichnung, inklusive eines kurzen Stipendiums beim Berliner Staatsballett, trat in Videos von Justin Bieber und Demi Lovato auf. Mit 13 Jahren begann sie auf ihrem YouTube-Kanal eigene Lieder vorzustellen, komponiert –so erzählt sie es in Köln – auf einem Keyboard, das die Oma ihr geschenkt hatte. Unvermeidlich, dass sie dort „entdeckt“ wurde, sie war ja schon ein alter Hase im Unterhaltungsgeschäft. Hier stimmten alle Voraussetzungen: Mit gerade mal 20 Jahren konnte sie mit „Greedy“ – in Köln die letzte Zugabe – bereits ihren ersten Welthit verbuchen.
Konzert in Köln: Die Stimme trägt, die Tanzeinlagen beeindrucken
Wie jetzt ihre Tänzer als Background Boys in wehenden Ledermänteln um sie herumscharwenzeln, das gibt schon definitiv Boyband-Vibes, patinierte Sexiness aus einer Ära, als Justin Timberlakes Frisur noch an eine Schüssel Ramen-Nudeln erinnerte. Auch wie McRae kurz darauf ihre Poledance-Fähigkeiten demonstriert, ihre Haare von klug platzierten Ventilatoren föhnen lässt, schließlich mit „Siren Sounds“ nach als dem harmlosen Dance-Pop noch eine echte Powerballade im Programm hat, allein auf erhobenem Podest gesungen – die Stimme trägt und auf der LED-Wand kann man ihren rosa-golden funkelnden Lidschatten in Großaufnahme begutachten.
Am beeindruckendsten gelingen jedoch die Tanzformationen, die sie mit ihren sechs Tänzern und zwei Tänzerinnen bildet. Allein, was bringt die jahrelange Ausbildung, wenn man sich dank ihr nur um so perfekter in Reih und Glied einordnen kann? Manchmal wirkt Tate McRae in ihrer ultratraditionellen Herangehensweise ans Popstartum wie eine Statistin in ihrer eigenen Show und man ist dankbar für die seltenen nicht choreografierten Momente: Zum Pop-Punk-Banger „She’s All I Wanna Be“ stolziert die Sängerin gelöst über die Vorbühne, lädt die Halle zum Mitträllern ein – die neidvollen Lyrics ergeben ja auch mehr Sinn, wenn sie von den Fans der Überfliegerin gesungen werden.
Aber zu Neid besteht kein Grund, man sieht und spürt ja die Überstunden im Proberaum, die viele Doppelschichten auf der Pop-Baustelle, die hinter Tate McRaes Erfolg stecken. Dieser Drill fand bei Britney und ihren Zeitgenossen noch hinter verschlossenen Türen statt, es war die schönere Lüge. Da kann man schon nostalgisch werden.