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Kommentar

Louvre-Raub
Die Entdeckung der Langsamkeit

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2 min
Polizisten stehen neben einem Möbelaufzug, mit dem Einbrecher in das Louvre-Museum am Quai François Mitterrand eindrangen. Sie sollen Schmuck aus der Sammlung Napoleons gestohlen haben und dann geflüchtet sein.

Polizisten stehen neben dem Möbelaufzug, mit dem Einbrecher in das Louvre-Museum eindrangen.

Eine halbe Minute lang fuhren die Louvre-Räuber mit dem Möbelaufzug. Schon das Kino lernt: Wer kompetent ist, darf sich Zeit lassen.

Schauen wir im Kino einer Bande von Einbrechern bei der Arbeit zu, genießen diese in der Regel unsere unverhohlene Sympathie. Das liegt daran, dass es im Genre des Heist-Films – „heist“ ist Englisch für „Raub“ – nicht um Moral, sondern um Kompetenz geht. Wir kommen nicht umhin, Gründlichkeit und Einfallsreichtum der Planung, oder Kühnheit der Ausführung zu bewundern. Und halten bei jeder Unwägbarkeit, jeder unbedachten Hürde den Atem an.

Schrauben, die Seilzüge halten, lockern sich. Das Vitrinenglas, das mit äußerster Vorsicht angehoben werden muss, rutscht aus der Hand, ein Schweißtropfen droht auf den mit einer Alarmanlage gesicherten Boden zu tropfen.

Gegen die ausgeklügelten Raubzüge, wie sie in Filmen wie Jules Dassins „Rififi“ und „Topkapi“, in „Thomas Crown ist nicht zu fassen“ (dem alten), „Ocean's 11“ (dem neuen), oder in „Sneakers – Die Lautlosen“ mit Robert Redford zusehen sind, wirkt der sonntags-morgendliche Kronjuwelendiebstahl, der ganz Frankreich in einen Schockzustand versetzt hat, ja geradezu stumpf. Mindestens allzu mühelos.

Jetzt ist ein 36 Sekunden langer Videoclip aufgetaucht, die französische Zeitung „Le Parisien“ hat ihn verifiziert, auf dem wir zwei schwarz gekleidete Männer sehen, einer mit gelber Warnweste und der andere mit einem Motorradhelm, die in aller Gemütlichkeit auf der Plattform eines Möbelaufzugs aus der Apollo-Galerie des Louvre auf Straßenniveau hinabfahren, bevor sie auf zwei Motorradrollern über den Quai François Mitterrand flüchten.

Es ist die Langsamkeit des Aufzugkorbes, die hier den Blick reizt, sie scheint die Dynamik des Geschehens – in weniger als vier Minuten am helllichten Tag napoleonischen Schmuck im Materialwert von 88 Millionen Euro gestohlen! – völlig zu konterkarieren.

Dafür genügt sie den Konventionen des Heist-Films: Planung ist alles. Wenn man nur weiß, wie es funktioniert, kann man sich auch eine halbe Minute Aufzugfahrt mit schöner Aussicht auf die Seine leisten. Spricht hier klammheimliche Freude über die kriminelle Tat? Nein, nur die innere Befriedigung des Kinoliebhabers, die sich immer dann einstellt, wenn sich Film und Wirklichkeit für 30 Sekunden decken.